Im Sinkflug in eine latente Verarmung

Das finanzielle Desaster holt uns bitter ein, meint Christa Schyboll

Derzeit flattert uns alles Mögliche in den Briefkasten. Sei er digital oder sichtbar in Hausnähe angebracht. Die Meldungen haben in aller Regel etwas gemeinsam: Es geht ums Geld. Um viel Geld, das wir demnächst alle mehr bezahlen sollen.

Sollen? Nein, müssen. Wir werden nicht gefragt. Es wird von uns verlangt. Und sind wir nicht willig… dann, na ja, jeder weiß es… dann wird’s um uns herum bald duster oder kalt oder das Wasser wird abgestellt. Oder man fliegt irgendwo raus weil man es nicht mehr bezahlen kann. Ah, nein, zunächst gibt es noch einen Aufschub, einen kleinen Kündigungsschutz. Wie lange aber, wenn man auch weiterhin überfordert ist mit dem, was kommt?

Die Regierungsverantwortlichen wissen schon, dass das ganz heftig werden kann… und wird. Sie bereiten sich deshalb ja intern auch schon auf ein gewisses Maß an "Unruhe" vor. Die Ministerpräsidenten tagen bereits, weil die Prostete häufiger und härter werden. Was erwartet uns da, wenn das ganze Ausmaß der Energiekosten und allgemeinen Preiserhöhungen tatsächlich auf dem eigenen Konto mit allen juristischen Folgen ankommt und nicht mehr zu stemmen sind? Der kalte Winter kann ganz schön heiß werden.

Fallen dann die Dominosteinchen unseres sensiblen Wirtschaftssystems schnell nacheinander um? Kein Geld für den kleinen Luxus, kleine Freuden. Der Einzelhandel klagt bereits, Gastro- und Reisebranche, noch schwer gebeutelt von Corona, dürfte das nächste Debakel bevorstehen. Denn wer hat dann noch Geld für Liebgewonnenes, das längst zur Gewohnheit wurde und auch Arbeitsplätze sicherte, wo es nicht nur um das Existenzielle ging. Urlaub, Kultur, Hobbys…

Doch, ein paar bleiben Menschen bleiben schon übrig, die es sich auch weiter leisten können. Die Krisengewinnler. Sie sind so zäh und unkaputtbar wie Urtierchen, was ihre Überlebensstrategie in angenehmster Wohlbehütetheit angeht. Aber diese Klientel geht eh nur in die wenigen Luxusgeschäfte, die nur wenig Arbeitsplätze bieten können. Sie werden uns also nicht retten.

Es wird ein Test für uns alle werden. Dabei wird sich zeigen, ob unsere Regierungsverantwortlichen – gleich welcher Partei-Coleur – auch wirtschaftlich und rechtlich so kreativ sind, dass sie eine ausreichende soziale Abfederung hinbekommen.

Nur: Wer zahlt sie? Die Reichen, das wissen wir längst, zahlen sie niemals. Die Armen können sie nicht zahlen. Der Mittelstand ist seit Jahren im Sinkflug zur latenten Verarmung. Die Konzerne, Energieriesen usw. zahlen auch niemals wirklich, weil sie alle Ausgaben, incl. der oft irrwitzig hohen Boni für oft auch desaströs arbeitende Manager, immer und ausschließlich letztlich auf die Preise wieder umlegen. Insofern ist das Politikergeschwätz, dass man diese oder jene Branche mal "zur Kasse" bitten müssen, immer wieder neu ein Ammenmärchen für Naive. Es ist es eine Farce zu glauben, man könne die Waffenkonzerne, die Pharmaindustrie, Autoindustrie oder wen auch immer tatsächlich einmal "zur Kasse bitten".

Die "Letzten", die etwas haben, von denen man es tatsächlich nehmen kann, ist der mehr und mehr verschwindende Mittelstand in der Bevölkerung, die noch brav Steuern bezahlt, der keine Panama-Schlupflöcher nutzen und von anderen halbseidenen fiskalischen Süßigkeiten naschen kann…. Für Steueroasen und deren geschickte Handhabung braucht man schon heftig hohe Konten.

Aber was, wenn diese Klientel einem unwiederbringlichen Schrumpfungsprozess unterliegt? Denn der ist bereits stark in der Mache. Was, wenn den vielen verschuldeten Häuslebauern aus dem Mittelstand ebenfalls die Luft ausgeht. Danach sieht es gerade ziemlich massiv aus. Was dann?

Liebe Politiker aller Parteien, die ihr vertrauensvoll immerhin vom Volk gewählt wurdet, habt ihr dafür einen Plan? Also einen wirklich funktionierenden? Wenn ja, zeigt ihn her, damit wir ruhig schlafen können…

— 05. November 2022
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