Schatzsuche

Haben Erben eines Diebs Anspruch auf seine Beute?, fragt sich Tom Borg

Als Nachfahren des Volkes, das Südamerika ausraubte und tausende Ureinwohner abschlachtete und versklavte, sollten die heutigen Spanier eigentlich ganz verschämt den Mund halten wenn es um Ansprüche auf einen Goldschatz an Bord des 1708 vor der kolumbianischen Karibikküste gesunkenen "San José" geht.

Dass vor Gericht so mancher Streit ausgefochten wird, bei dem nicht nur altgediente Juristen mit dem Kopf schütteln, ist allseits bekannt. Doch nun bahnt sich ein Streit an, der in unserer modernen Zeit eigentlich nur ungläubiges Staunen verursachen kann.

Ausgangspunkt ist das spanisches Schiff "San José", das am 8. Juni 1708 vor der Hafenstadt Cartagena vor der kolumbianischen Karibikküste nach einem Gefacht mit englischen Freibeutern sank. An Bord des Schiffes werden Gold und Edelsteine im Wert von mehreren Milliarden Dollar vermutet.

Eigentlich sollte es vollkommen klar sein, wer Anspruch auf diesen Schatz hat, schließlich handelt es sich um Raubbeute spanischer Armeen in Südamerika. Wer anderes als Südamerika sollte also diesen Schatz, der ein Kulturerbe Südamerikas darstellt, erhalten?

Doch Spanien, die ehemalige Kolonialmacht, die nicht nur Südamerika ausraubte, ist da anderer Meinung. Sie beansprucht das Wrack für sich, weil es sich um ein staatliches spanisches Schiff handelt.

Als Nachfahren des Volkes, das ganze Länder ausraubte und tausende Ureinwohner in Südamerika abschlachtete und versklavte, sollten die heutigen Spanier eigentlich ganz verschämt den Mund halten. Das erwartet man schließlich auch von Deutschland wenn das Gespräch auf den Zweiten Weltkrieg kommt.

Sollten die Nachfahren der Banditen auf ihren Anspruch bestehen, käme natürlich auch ein modernes salomonisches Urteil infrage: Das Schiff mögen die ehemaligen Kolonialherrschaften beanspruchen und auf eigene Kosten bergen. Die in Südamerika geraubte Ladung gehört jedoch zweifelsohne Südamerika und die ehemalige Kolonialmacht sollte eigentlich dem Herrgott danken, dass sie keine Reparationen für das damals angerichtete Leid zahlen muss. Schließlich führte das spanische Königreich einen Angriffskrieg gegen einen unschuldigen Kontinent, zwang den Einwohnern ihre Sprache und ihren Glauben auf und plünderte die Länder so nachhaltig, das sie noch heute darunter leiden.

Was gibt es da eigentlich zu diskutieren? Spanien sollte froh sein, dass ein Teil des geraubten Kulturguts wieder an die Nachfahren der Besitzer übergeben werden kann. Kolumbien möchte dieses wiedergefundene Kulturerbe in einem Museum ausstellen. Eigentlich wäre es nur gerecht, wenn sich die ehemalige Kolonialmacht an den Kosten dieses Museums beteiligen würde, anstatt einen lächerlichen Anspruch auf die verloren gegangene und nun vermutlich wiedergefundene Kriegsbeute zu erheben. Oder darf heutzutage ein Dieb, der auf der Flucht einen Unfall hat, Jahre später die Herausgabe der Beute verlangen…?

— 08. Dezember 2015
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