Von stillen Helden

Dankbarkeit schulden wir ihnen, meint Christa Schyboll

Wer jetzt allein mit nüchternem Blick hier liest, kann vermutlich das Wesentliche nicht erfassen. Nun braucht es auch das Herz und den tieferen Blick: Ich schreibe jetzt spontan über mein Gefühl einer tiefen Dankbarkeit gegenüber anderen Mitmenschen. Nämlich jene, die wir die stillen Helden nennen.

Es braucht eine ganz eigene innere Stimmung, um diesem Gefühl so großen Raum in mir zu geben, wie es mich gerade im Moment des Schreibens flutet. Eine Flutwelle ganz anderer Art. Eine gute, die am Ende auch in die Tat kommt und nicht nur beim Wort bleibt.

Ist es eine warme Flutwelle voller Gefühl, voller Dank, voller Zuversicht, die auch mir keineswegs tagtäglich ins Gemüt geschrieben ist angesichts der Tatsachenwelt, in der wir heute leben. Kriege, Brutalität, Kriminalität... ohne Ende. Man braucht es nicht weiter aufzuzählen, jeder weiß es. Viele, allzu viele aber erleben es, was die härtere Stufe nach dem bloßen Wissen darum.

Doch immer wieder erfährt man dann von Mitmenschen, die sich von all dem nicht nur nicht unterkriegen lassen, sondern es auf eine Weise ignorieren, die geradezu göttlich ist. Heilig oder heilend in jedem Fall. Denn sie tun und handeln (so), als ob die Welt eine gute wäre. Und das ist sie auch in jenen Momenten, wo sie selbst das Gute tun. Und zwar nicht hin und wieder, sondern über Wochen, Monate, Jahre. Manche vielleicht sogar lebenslang. Sie opfern sich auf und empfinden dies nicht einmal, weil es für sie eine Selbstverständlichkeit ist.

Sie sind die mit dem andern Blick, mit dem anderen Tun. Sie sind stille Helden, meist kaum beachtet, hingenommen von der Gesellschaft, als wäre es das Normalste der Welt, diese Rücksicht, Nachsicht und Voraussicht, um Elend zu mildern. Sie sind nicht auf Ehrungen aus, sondern tun, weil es richtig ist. Sie tun es auf Straßen, in Kriegen, in Heimen, in der Natur, für die Kinder, Behinderten, Alten, Versehrten. Sie tun es weltweit und lassen den Rest der Welt staunen.

Doch staunt darüber der Rest der Welt? Meist eher nicht. Dabei hätte er allen Grund dazu. Hin und wieder wird ein Blick auf jene unverzichtbare Menschengruppe geworfen, die man dem Ehrenamt zuordnet. Hin und wieder gibt es darüber dann auch mal einen Bericht in einer Lokalzeitung. Oder auch, wenn potent und sichtbar genug, hier und da in den globalen Gazetten eine Randnotiz, eine Nebenmeldung, dann wieder vergessen! Gutes Tun macht keine Schlagzeilen, die Auflagen verspricht. Only Bad News are Good News.

Aber das macht ihnen nichts aus. Sie tun weiter, was sie tun müssen. Vorher, nachher, irgendwie immer. Und immer wachsen auch Menschen nach. Erstaunlich. Kürzlich erst sah ich einen Beitrag über ein Hundehospiz. Hmm. dachte ich. Hunde. Hospiz... Na ja… Dann sah ich uralte, sabbernde, hinkende, blinde, eiternde, totkranke Hunde, die keiner mehr haben wollte. Um die sich niemand kümmert. Unschön. Die Dame, die sich rührend dieser gottverlassenen Kreaturen annahm, kümmerte es nicht, dass es die anderen, die Vorbesitzer nicht kümmert. Es reicht ihr, dass sie selbst es tut. Unter erschwerten Bedingungen und viel zu wenig Zuwendungen. Nur ein Beispiel von zahllosen anderen.

Sich um das Gute, das Schöne zu kümmern, kann auch schon anstrengend sein. Wie aber erst recht um all das und diejenigen, die in Elend, Krankheiten, Schmutz, Trostlosigkeit und Erbärmlichkeit ihr eigenes Leben fristen. Ihnen werden manchmal menschliche Engel geschickt.

Zeit, wenigstens etwas Geld zu spenden, wenn man schon selbst sich nicht für diese Art von Aufgabe berufen fühlt! Oder…?

Nehmen wir diese stillen Helden also ernst, wahr: All Jene, die der Flut des Elends durch die Flut ihrer tätigen Liebe Hoffnung und Zuversicht einhauchen!

— 05. November 2022
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