Kinder - Lust oder Frust?

Oder ist das gar nicht das Thema?, hinterfragt Tom Borg

Warum tut sich unsere Gesellschaft mit Kinder so schwer? Weil sie uns stören, uns einschränken? Unerer Karriere und Selbstverwirklichung im Weg stehen? Andere Kulturen leben uns vor, dass beides sehr wohl miteinander vereinbar ist - wenn man ein Kind als gleichberechtigtes Mitglied in einer Familie betrachtet.

Deutschland und seine Bürger gelten als kinderfeindlich, obwohl beide das heftigst bestreiten. Doch so ganz von der Hand weisen lässt es sich nicht, jenes Anti-Kinder-Syndrom. Zu einschneidend ist der Wandel von der holder Zweisamkeit eines verliebten Pärchens hin zu schreienden Dreierpack - oder gar Vierer-, Fünfer... Nein, das wäre ja schon sowas wie asozial, in diesem unserem Lande...

In anderen Ländern sieht man das anders. Dort sind Kinder willkommen - je mehr, desto besser. Wenngleich, ich erinnere mich, dass meine philippinische Schwiegermutter, eine inzwischen 83 jährige Dame, auf die Frage warum sie 10 Kinder (von denen zwei im Babyalter starben) auf die Welt gebracht hat, mit einem Lächeln antwortete: Wenn es damals schon die Pille gegeben hätte, wären es nicht soviele geworden. Dennoch hat sie alle geliebt und als Teil ihrer Lebensaufgabe betrachtet ohne sich zu beklagen.

Warum tun wir uns mit Kinder so schwer? Weil sie uns stören, uns einschränken? Ja, ich merke es in der eigenen Umgebung: Töchterchen im Bettchen um die Ecke heißt: MP3-Player aus - oder Fräulein übertönt den MP3-Player anstatt zu schlafen; Papa will Formel 1 gucken, den gewagten Überholvorgang im Replay sehen - aber nein, Töchterchen schreit, hat Hunger oder Windel voll - und während Papa guckt, was Baby hat, hat der Vettel doch glatt den Alonso überholt... und ich hab's nicht gesehen...

Für einen Moment ärgere ich mich. Musste das Kind ausgerechnet jetzt schreien. 20 Minuten lang sind die alle gemütlich hintereinander hergefahren - und ausgerechnet jetzt... Aber so sind kleine Kinder nun Mal; sie ticken nicht nach unserem gewohnten Zeitplan. Und das stört uns; wir empfinden die eingeschränkten Möglichkeiten es als einen Verlust an Freiheit und Lebensqualität. Sehen nur das, was wir plötzlich weniger haben. Und stehen plötzlich da mit einem Baby im Arm während Freunde und Bekannte losziehen - ohne uns, weil man ein Baby nicht einfach wie ein Haustier am Straßenrand abstellen kann, wenn man in Urlaub fährt. Man ist jetzt halt ein Familienvater. Wumm! Ist das jetzt ein Mensch zweiter Klasse? Ist der Unterschied zwischen Familienvater und leitendem Angestellten dass der eine Windeln wechselt während der andere Karriere macht? Geht nicht beides gleichzeitig?

Andere Kulturen leben uns vor, dass beides sehr wohl miteinander vereinbar ist. Aber dazu müsste man akzeptieren, dass ein Kind als gleichberechtigtes Mitglied in eine Familie - oder ganz allgemein: einer Lebensgemeinschaft, welcher Art auch immer - angenommen wird, anstatt von einem Kind zu erwarten, dass es sich perfekt in die Lebensführung seiner Eltern einfügt. Letzteres kann nicht funktionieren. Und wenn Eltern dies erwarten, dann kann das Abenteuer "Kind" nur im Frust enden. Doch wie viel mehr Freude kann ein Kind bringen, wenn man es als eine Bereicherung des Lebens betrachtet und sich darauf einlässt, sein Leben daraufhin abändern, nein, zu erweitern? Und nein, ich will jetzt nicht die alten, abgedroschenen Phrasen zitieren von Liebe und Kindersegen. Nein, ich spreche vielmehr vom eigenen Leben, der eigenen Lebensqualität, die nicht zuletzt davon abhängt, in wie weit man sich auf das Leben und seine Unwägbarkeiten einlässt. Das Leben ist nun einmal ein Abenteuer, dessen Ausgang sich nicht vorhersagen lässt. Wer nicht bereit ist, sich darauf einzulassen, nicht bereit ist, jeden Tag als eine neue Herausforderung zu betrachten und gleichzeitig als eine Chance, Neues zu entdecken, die Welt - wie mit Kinderaugen - jeden Tag aufs Neue zu betrachten,. für den sind nicht nur Kinder eine Quelle unerträglichen Frusts, für den ist eigentlich das ganze Leben ein einziger Frust, denn er lebt nicht - er funktioniert nur...

— 21. März 2012
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