Oben ohne

Freizügigkeit für die weibliche Brust in öffentlichen Schwimmbädern, fragt Christa Schyboll

Hurra, das Sommerlochthema ist da. Freiheit für die weibliche Brust. Zeigt ihr Frauen und Mädels was ihr habt!... So schallt es nun durch deutsche Freibäder, samt dem Ruf, die neue Freiheit auch schriftlich festzuzurren. Was wären wir Deutsche ohne Gesetz! Treten wir doch einmal tapfer ins Pro und Contra der Sache ein.

Die weibliche Brust ist ein Körperteil wie jedes andere auch. In einer Hinsicht, in anderer nicht. Bleiben wir zunächst bei der einen und verschaffen wir uns einen Grobüberblick. Sie ist als Körperteil gleichberechtigt beispielsweise mit der Bauchspeicheldrüse, wenn auch mit deutlich anderen Aufgaben. Die Bauchspeicheldrüse ist unsichtbar, weil sie sich nach innen verkrochen hat. Oder gleichberechtigt mit dem Kehlkopf. Der reckt sich bei so manchem keck hervor. Bei anderen verkriecht er sich. Oder mit den Armen. Sie schlackern am Körper und sind je nach Kälte oder Wärme bedeckt oder offen, dick oder dünn, behaart oder nicht behaart. Oder nehmen wir den Kopf. Eines unserer interessantesten Körperteile. In der Regel ist er unverhüllt. In manchen Ländern jedoch von Frauen unter Schleiern verborgen. Das vor allem wollen die Männer so. Und die Gesichter: Männlich, weiblich, trans. Hässlich, schön, durchschnittlich. Groß, klein, fade oder interessant. Charismatisch, verfettet, geglättet, attraktiv, abstoßend. Irgendwann mit Furchen durchzogen, sei es aus Weisheit oder Dummheit. Köpfe mit ihren Gesichtern können vieles sein. Brüste auch.

Brüste dürfen von Natur aus hängen oder stehen. Können drall, prall oder winzig sein. Sie können riesig geraten oder kindlich zart bleiben. Die Babys lieben und brauchen sie ungemein. Vollbusig mag es der eine, während der andere auf kleine Brüste steht. Normal ist: jede Brust ist anders. So anders wie ihre Trägerin: in allem.

Unnormal ist: Die Schönheitsindustrie schreibt vor, was als schön zu gelten hat und was nicht. Das sichert die Pfründe. Und sind genug Frauen behandelt, kommt eine andere Brustmode ins Spiel. The Game must go on. So gibt es vor allem mehr und mehr künstliche Brüste, die oft an außerordentlich leidensbereiten Frauenwesen sitzen. Siliconskandale skandieren durch den Blätterwald, was aber dem Irrsinn weltweit keinen Abbruch tut. Tote hin oder her. Und wenn schon für die Schönheit geschnippelt werden muss, dann bitteschön auch gleich noch Po, Bauch, Nase und Lippen sowieso.

Die Frau, nein, falsch!, so manche Frau ist eben doch gern auch ein Objekt der Begierde. Auch wenn sie es vehement abstreitet. Abstreiten muss, der Würde wegen - nach außen. Denn für wen macht sie diesen Aufwand? Tatsächlich nur allein für sich selbst - oder auch der Konkurrenz wegen? Anderer Vorteile wegen? Um sich durch die begehrlichen Blicke anderer selbst schöner zu fühlen?

Freiheit für die weiblichen Brüste in allen öffentlichen Schwimmbädern! – fordern mehr und mehr Frauen in Deutschland. Oder stehen da Männer dahinter und schicken die Frauen vor, weil sie frohlocken? Davon habe ich nicht gehört, aber manch einem wird es schon gut passen. Denn bald gibt es die Vielfalt zu sehen. Nicht nur die immergleiche langweilige Form der Brustdesigner, die derzeit noch en vogue ist – sondern die satte Natur mit ihrer enormen Bandbreite an Brustformungen. Das lohnt sich doch. Ab in die Schwimmbäder.

Doch warum nur in Schwimmbädern? Warum nicht auch in öffentlichen Parks, an Flussauen, Innenstadtbrunnen und sowieso wenn es doch heiß ist und die Herren er Schöpfung ebenfalls offen jedem zeigen was sie haben. In der Regel ist das, was sie haben, platt. Manche haben aber auch genug weibliche Hormone im Körper, die auch ihre Brüste anschwellen lässt. Auch das ist natürlich, wenn auch nicht gerade derzeit modern. Das kommt vielleicht ja nach der Nach-Six-Pack-Mode-Ära. Da zaubert die Natur so allerlei Erstaunliches zusammen. Aber die männliche und weibliche Brust ist ja in merkantil-kompetenten Designerhänden, die uns schon sagt, wie der Hase zu laufen hat. Was wann und wie in ist und was out.

Das waren ein paar Gedanken zum Einerseits. Doch betrachten wir auch das Andererseits. Die weibliche Brust ist kein gleichartiger Körperteil wie Beine oder Handrücken oder Schulterblatt. Warum nicht? Sie sexualisiert in unserer Kultur, schafft Begehren und Begierde, Lust und Frust. In anderen Kulturen ist das teilweise anders.

Die weibliche Brust gehört bei uns zu den sekundären Sexualmerkmalen, wobei sie für viele sogar ein primäres ist. Der individualistische Gourmet mag das verneinen und mehr auf Hüftknochen oder Schulterblatt bei seiner Präferenz stehen. Doch das ist auch wieder die Ausnahme von der Regel. Unser Schöpfer liebte eben die Vielfalt in den Vorlieben. Die Vagina versteckt sich nach innen. Der Penis, es ist kein Geheimnis, spurtet sichtbar vor, falls er denn spurtet. Ob immer im rechten Augenblick gehört zum Thema der Wunsch-Zeit-Qualität. In der Regel ist er bedeckt, was dem Willen der allermeisten Menschen entspricht. Exhibitionisten werden das verneinen. Sie wissen oft nicht, dass sie eine Minderheit sind, die in der Regel anders empfinden.

Und nun die weiblichen Brüste. Die freien natürlichen oder die freiwillig-künstlich aufgemotzten: Sie reizen. Ob sie wollen oder nicht. Das kann die Trägerin selbst gar nicht entscheiden. Sie ist wie sie ist. Und es ist wie es ist. Der Betrachter ist eben auch wie er ist. Und die Brüste reizen, in aller Unschuld, weil Menschen sie als sexuelles Reizobjekt nun einmal empfinden. Auch das ist natürlich.

Flankierend reizen aber Reize nicht nur allein, sondern machen auch etwas mit Menschen. Da wird die Sache schon spannender. Sie haben häufig Folgewirkungen bei vielen Männern, Frauen, Trans und was weiß ich. Die einen fühlen sich hormonell angestachelt, die anderen können den Blick nicht abwenden und noch andere mögen jenseits von gut und böse sein. Die meisten jedoch müssen hinschauen. Zwanghaft. Aber wenn sie hinschauen, sind sie verdächtig, schwer verdächtig. Sie starren regelrecht. Können sich nicht sattsehen. Der Blick wird gebannt. Wie im Zauber.

Aber wehe, sie lassen sich beim Starren und Hinschauen erwischen. Dann setzt es was. Ihr Schweine! Was habt ihr nur alle im Kopf. Das ist doch nur eine ganz normale Brust. Eine kleine oder riesige. Eine schlauchige oder künstlich aufgerichtete. Auch die Gesetze der Schwerkraft unterliegen natürlichen Bedingungen. Schaut weg. Das geht euch nichts an. Meine Brust gehört mir. So wie sie ist. Schau gefälligst woanders hin!

Aber wohin denn? Überall laufen sie nun herum!

Die Folgen: Oben-Ohne-Ladys fühlen sich schon allein durch Blicke belästigt. Stolzieren sie nun frank und frei, fröhlich und naiv über die Schwimmbadwiesen, dann wird es schwierig, wegzuschauen. Weil, sie kommen ja von allen Seiten. Gehen kreuz und quer, laufen gar, was der Rhythmik der Brust etwas höchst Tänzerisches gibt. Schau weg! Das geht dich nichts an! Und dann sacken sie nieder auf die Wiese. Und wieder verändert sich alles in der Körperstatik. Doch, das ist schon sehenswert. Nicht nur für pathologische Spanner. So sehenswert, dass das Hinstarren zum Menetekel wird.

Menetekel? Nicht nur die Augen haben an diesem neuen Schauspiel teil. Es sind gleich viele Prozesse, die körperlich wie auch im Hirn ablaufen. Da wird so manches aktiviert, dass man sich eigentlich für andere Momente hätte aufsparen wollen. Das geht nun nicht mehr. So viele Nackte im öffentlichen Raum. Da bekommt so mancher auch zur Unzeit halt Lust auf die Lust. So ist das nun einmal. Und auch das ist wiederum natürlich, aber nicht immer folgenlos...

Nähert sich ein Zeitalter des Exhibitionismus einem ersten Höhepunkt!? Muss der Mensch eben alles einmal ausprobieren, weil es in seiner Natur liegt? - Oder geht es "nur" genderkonform nach dem Motto: Was du kannst, kann ich schon lange - und mache es jetzt auch! Ich habe ein Recht darauf. Punkt.

Ist es ein folgerichtig natürliches oder absichtlich künstlich erzeugtes Dilemma? Schön und gefährlich? Nervig, gar belästigend? Wer kann diesen schmalen Grad der feinen Empfindungen auseinanderhalten, da es doch jeder anders empfindet und auch anders drauf reagiert.

Die, die mit einer offen zur Schau tragenden Ignoranz vermeintlich cool reagieren, sich hinter einer spiegelnden Sonnenbrille verstecken und von dort aus quasi unentdeckt starren dürfen, sind oftmals ganz anders drauf. Aber sie müssen cool tun. Alles andere wäre gefährlich. Nicht-cool-sein ist eben nicht nur uncool, sondern manchmal sogar von juristischem Belang. Stalker. Diesmal mit Blicken. Und mit Handykameras. Und ihrer Möglichkeit zum Missbrauch...

Was sind das eigentlich für Situationen! - die wir uns selbst schaffen!? Haben wir keine anderen Probleme? Oder haben wir solche, weil wir zu viele große Probleme haben, die wir keinesfalls lösen können?

Apropos öffentlicher Raum. FKK gibt es seit dem 19. Jahrhundert. Fragt die Berliner. Jetzt leben wir aber im 21. Jahrhundert. Und da ist das dann plötzlich eine gesellschaftlich relevante Frage - oder nur ein Sommerloch-Gag, der Presse, die um Leser fürchtet? Was also soll die ganze Diskussion um ein doch schon uraltes Thema. Und gibt es auch rund um das Mittelmeer mit seinen erzkatholischen Ländern nicht eine Unmenge an FKK-Stränden? Wieso ist das dort kein Thema? Hat Gott den Menschen nicht nackt erschaffen? Oder glaubt keiner mehr an den alten Herrn und seine Schöpfung? Und lag die Geburt der Scham nicht an der Tatsache, dass sie sich erkannten und deshalb das Paradies verlassen mussten? Ja, sie waren nackt... Religionspsychologisch auch interessant!

Brustfrei? Das Normalste der Welt in der überschaubaren Welt des FKK. Und auch Vagina und Penis dürfen sich dort lässig sonnen, sanden, wasserbaden. Kein Mensch denkt sich was dabei. Es gab nie Probleme damit (oder zumindest sind mir hier auf Anhieb keine bekannt). Ob dort trotzdem auch eine unbekannte Zahl von Spannern lauert, die selbst nur cool tun, weiß ich nicht. Zugeben würde es sicher keiner von ihnen. Das hätte ja Konsequenzen. Und andere Teilnehmer dieser Körperkultur ficht das alles tatsächlich nicht an. Nacktsein kann ja auch schön sein, wenn es rundherum stimmig ist. Warum also gab es da bisher keine bis wenig Probleme damit? Weil (fast) alle, die dort frei-willig hin gehen eine gleiche oder sehr ähnliche Einstellung zur Nacktheit haben.

Aber genau das ist im Raum öffentlicher Schwimmbäder eben nicht der Fall! Da kommt nicht nur ein spezieller Typus mit seinen Zeige-Bedürfnissen hin, sondern die Bandbreite der Gesellschaft mit ihrer zu Recht vielfältigen Anschauung und ihren persönlichen Bedürfnissen. Auch nach Ästhetik unter anderem. Und das macht einen Unterschied!

Oder schauen wir kurz auf die Nackten bei allen Naturvölkern in den warmen Regionen der Welt. Nicht aufgemotzte Brüste in allen Bandbreiten ihres natürlichen Vorkommens sind die Regel. Die Männer dort sind den Anblick gewohnt. Alles ist mit den weiblichen nackten Brüsten so normal wie mit Beinen, Kopf oder Schlackerarmen. Es macht nichts mit ihnen. Sie fallen deshalb nicht über ihre Frauen her, nur weil sie ihre Brust unbedeckt tragen. Hier ist Natur und Kultur eine natürliche Einheit.

Wieso soll das in öffentlichen Schwimmbädern anders sein? Es ist es nun einmal, weil Menschen verschieden sind und auch sein dürfen. Der Gründe gibt es viele und diffizile zugleich. Da ist zunächst noch das Neue, Ungewohnte mit dem ungewohnten Reiz für viele. Nicht für alle. Ob die, die sich täglich nackte Frauenbilder, gar Pornografie reinziehen, nun krasser oder umgekehrt gelassener reagieren, weiß ich nicht. Aber es ist damit zu rechnen, dass in unserer sexuell stark verlogenen Gesellschaft etwas an bewusster Reizung passieren kann, was einerseits und zu Recht absolut verboten ist, aber andererseits nun auch absichtlich angeheizt wird. Das gibt Schlagzeilen!

Man soll doch nicht so tun, als ob die "Freiheit" des Herzeigens der nackten weiblichen Brust (das Wort "Freiheit" allein schon ist ein feines Amüsement in diesem Zusammenhang) allen Ernstes nichts mit den Betrachtern macht. Doch! Das macht es oft, wenngleich unterschiedlich stark und auch nicht in jedem Fall. Nicht umsonst erhöhen genau mit diesen Bildern Tag für Tag die Billig-Gazetten auf aller Welt ihre Auflagen und Einnahmen. Alles Kalkül. Alles wohlbedacht. Auch die Sommerschlagzeilen. Damit kann man Kasse machen.

Aber dass es in vielen Fällen etwas mit dem einen oder anderen macht, darf man niemals zugeben! Und das was es macht, kann zu Problemen führen oder auch zu Schlimmeren. Man denke daran, wie sehr verängstigt sich Frauen allein schon bekleidet in der Dunkelheit fühlen, man denke an die massenhaften Übergriffe am Kölner Dom und vielen anderen Stätten… und da war noch nicht einmal ein solcher Reizauslöser mit ihm Spiel. Es reichte, dass die einen eine Begierde in sich spürten und die anderen leicht zum Opfer wurden. Leute, bleibt bei Verstand!

Auch hier liegt das Problem in der Differenzierung jeder Betrachtung. Wer sich beherrschen kann, Meister seiner selbst ist, wird mit gar nichts ein Problem bekommen. Wer das nicht kann, und das sind viele, kann zum schwerwiegenden Problemfall selbst werden. Aktiv oder passiv. Wer sich durch allzu viele Freizügigkeit gestört fühlt, hat doch ebenfalls ein Recht auf einen Raum, in dem er sich von der Nacktheit anderer ungestört fühlen darf.

Soll man allein wegen drohender Problemfälle deshalb etwa das Recht aufgeben, seine Brust auch als Frau nicht zeigen zu dürfen? Und haben nicht fast alle Rechte immer auch wieder Gegner, die genau das nicht wollen? Steht, wie so oft, die "Freiheit" des einen gegen die "Freiheit" des anderen? Was wäre denn, wenn man es, wie beim FKK, im "geschützten" Raum zulässt. Beispielsweise an gewissen Tagen offen oben ohne und an anderen Tagen bedeckt, wie gewohnt? Oder in einem Schwimmbad der Stadt so, aber in einem anderen anders, damit ein jedes Bedürfnis zu seinem Recht kommt!? Dann kann es sich jeder aussuchen, wo er hin möchte. Es wäre ein Kompromiss für alle, die sich entweder so oder so entscheiden – und jeder seinen Wohlfühlblick für sich behält in jener Art, die ihm selbst wesensgemäß liegt.

Woran krankt es? Es krankt unter anderem an der Indifferenz, die aber auch teilweise wiederum eine Folge der Angst ist, dass man das Begehr einer Minderheitengruppe (Freie Brust in allen öffentlichen Schwimmbädern, Jetzt!) ablehnt und damit als reaktionär, hinterwäldlerisch, uncool, gar lustfeindlich eingeordnet wird.

Leute - ihr habt Probleme!

— 18. Juni 2022
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