Als wenn ich es nicht besser wüsste
Über das Unvermögen zum Besseren schreibt Christa Schyboll
Erlaubt es mir meine Zeit, gebe ich gern persönliche Kommentare auch zu politischen Themen ab. Gestern erwischte ich mich dabei, wie oft ich ironisch werde, Satirisches einwebe, um mich selbst mit etwas Humor über das oft so schwer Erträgliche zu retten, das ständig so passiert.

Es ist letztlich eine Ohnmacht, die meine Feder führt. Denn wie beglückend wäre es, wenn man zur aktuellen Tagespolitik voll des Lobes sein könnte und tatsächlich gute Gründe fände, förderlich gute Kommentare schreiben, die auch irgendeinen Nutzen haben. Zum Beispiel den Nutzen des inneren Aufbaus und einer starken Motivation für das noch Bessere. Aber nein, da kommt dann allzu oft nur Gemecker heraus oder halt jener leicht verschrobene Humor, damit ich mir nicht selbst die Lust am Tag nehme.
Dabei weiß ich doch, dass hinter allem Tun durchaus auch viel Kraft, Fleiß, Arbeit steckt. Ich weiß, dass die politischen Akteure viel herum reisen müssen, wenig freie Zeit für sich ganz persönlich haben und in der Regel kein sonderlich gemütliches Arbeitsleben – von Ausnahmen abgesehen. Ich weiß, dass sie sich ständig ärgern müssen, mit Rivalitäten leben und permanent Gefahr laufen, von irgendeiner Presse öffentlich gekreuzigt zu werden. Und ich weiß ebenfalls, dass nicht wenige von ihnen über all das und ihren oft 14, 16 oder 18 Stunden Tag die Partnerschaft und/oder die Kinder/Familie vernachlässigen und allein schon damit auch eine schwere Bürde auf alle laden. Warum also kann ich nicht gnädiger mit meiner oft harschen Kritik sein? Zumal unter dem Bekenntnis, dass ich mir all das auf keinen Fall antun würde?
Natürlich kommen mir auch dann schnell die Gründe in den Sinn, warum ich (noch) nicht anders schreibe als ich derzeit schreibe: Es ist ein tiefes Misstrauen in ihre vermutlichen oder befürchteten hintergründigen Absichten. Die vordergründigen Absichten werden ja ständig medial wirksam in die Welt posaunt: Wir arbeiten fürs Volk, für die Menschen, fürs Gute, Bessere und noch Bessere. Politische Arbeit für Aufschwung, Wohlstand und noch mehr Wohlstand… und immer Wachstum, Wachstum, Wachstum, obschon jeder weiß, dass Wachstum zwangsläufig nur endlich sein kann.
Und das Hintergründige? Es ist der leise Verdacht der Machtgier, die sich über alle anderen wichtigen Instinkte, Willensbekundungen, Pläne und Vorhaben hinwegsetzt. Ich unterstelle vielen von ihnen eben in diesem Tun doch noch eine ganze Menge persönlicher Eitelkeit, die sich so schlecht mit den offiziellen Aussagen vertragen. Tu ich Unrecht? Ganz gewiss sogar, wenn ich es plakativ auf alle Politiker übertragen würde. Doch das tu ich nicht. Mir ist klar, dass auch hier das Individuelle vom Allgemeinen unterschieden werden muss.
Und warum schreibe ich dann so meine kleinen satirischen Verrisse hier und dort? Weil ich die Welt gerne schneller heil haben möchte, als es möglich ist? Weil ich ungeduldig bin, manchmal zornig, gern entlarvend und dennoch niemanden damit erreiche?
Auch weil es mich oft mit heiligem Zorn überkommt, was ich da an Verschwendung, Gefahren, Dilettantismus und manchmal auch krimineller Energie erleben, muss aber jetzt eben auch mal diese Selbstkritik sein. Denn wenn ich es selbst nicht besser mache, habe ich nicht wirklich das Recht zu urteilen.
Das Wahlkreuz alle vier Jahre spricht mich nicht frei von Verantwortung. Falsches Tun ist das Eine – Unterlassen das andere! Aber vielleicht, so hoffe ich, mache ich es dann wieder irgendwie doch an anderer Stelle auf andere Art wieder gut!? Ich werde mich darum bemühen, meine Ironie bei Kommentaren langsam etwas herunterzufahren…
(Aus »Verschwundene Texte«, Seite 57ff)