Äußere und innere Umzüge

Alternative Örtlichkeiten für Körper und Geist. Von Christa Schyboll

Umzüge sind Last. Man braucht starke Helfer, um all das Mobiliar zu stemmen. Menschen, die tatkräftig anpacken und nicht dösig in der Ecke herum stehen. Menschen die Lampen oder Waschmaschinen fachgerecht anschließen können, Küchen montieren und schwere Schränke zerlegen und wieder aufbauen können.

Umzüge sind oftmals auch mit Hoffnungen verbunden. Auf eine schönere Zukunft, eine bessere als bisher. Auf eine Qualitätssteigerung des eigenen Lebens, vielleicht auch nettere Nachbarn, neue Freunde, die Buntheit in die eigene Tristesse herein bringen. Selbst wenn aber ein Umzug einer notwendigen Verkleinerung des Wohnraums dient, um die eigene Existenz solider sichern zu können, kann auch ein solcher Umzug ein guter werden. Die Ent-Stressung des monatlichen Budgets lässt neue Freiräume für anderes.

Umzüge zwingen auch dazu, das alte Gerümpel vieler Jahre zu sichten und sich wieder neu zu entscheiden, was weiter als Eigentum verbleibt, was ent-sorgt werden muss. Hier geht es an die Erinnerungen der Dinge heran, die mit Erlebnissen oder Menschen in Bezügen stehen. Wir werden plötzlich mit unserer Vergangenheit konfrontiert, die bitter oder süß durch die Erinnerung streift. Manchmal wird man an Unerledigtes erinnert, dass sich nun mächtig aufdrängt und um Verarbeitung bettelt. So kann ein Umzug in eine neue Wohnung, in ein neues Leben, oftmals eine viel größere Bedeutung fürs eigene Leben bekommen, als man glaubt.

Und dann gibt es die anderen Umzüge. Die, die viel schwieriger und aufwändiger sind. Umzüge innerhalb des eigenen Bewusstseins. Auch diese sind von Zeit zu Zeit für Menschen notwendig, wenn die eigene Entwicklung gesund im Fluss bleiben will. Die Helfer sind schwerer zu finden, als die tatkräftigen Möbelpacker. Oder manchmal stehen sie zwar willig zur Seite, aber es fehlt doch ein Stück Kompetenz. Trotzdem ist auch schon allein eine gedankliche Unterstützung bei diesem mentalen Akt von Wert und Kraft für den Umziehenden, der sich neu orientiert und die Zeit des Vakuums ertragen muss, bis das Neue greift und das Alte seine Macht verliert.

Ein Umzug innerhalb der eigenen Grundhaltung zum Leben, zum Job, Freundschaft oder zur Partnerschaft bedingt, dass man selbst Korrekturbedürftiges bei sich erkennt. Ohne das, gibt es keinen Grund für einen Umzug. Altes ist nur dann sinnvoller Weise durch Neues zu ersetzen, wenn das Alte nicht mehr trägt, das Neue einem selbst besser, wahrhaftiger, richtiger erscheint. Oder wenn man selbst aus seinen alten Gedankenkleidern herausgewachsen ist. Wenn man bemerkt: Es ist zerschlissen. Ich selbst bin anders geworden. Ich brauche ein neues Gedankenkleid. Damit haben wir der Chance, der Heimtücke des Selbstbetrugs zu entgehen. Wir erkennen alte Verstrickungen klarer denn je und erkennen, dass diese Gefühle und Gedanken nicht mehr unserer inneren Wohnstatt angemessen sind. Die Selbstwahrnehmung hat sich ebenso verschärft wie die Fremdwahrnehmung. Man erkennt die Übereinstimmung auch im Fehlerhaften. Man beschließt, aus dem eigenen Bannkreis hinauszutreten. Man wird freier. Frei ist man noch lange nicht. Aber die nächste Tür ist geöffnet.

Bevor das geistige Mobiliar für die neue innere Wohnung geladen wird, ist das alte Gedankengut aber ebenso zu sichten, wie all die Schubladen und alten Kartons, die sich bei einem äußeren Umzug angesammelt haben. Hier liegen nun die Altschmerzen. Das Nichtverziehene, das Unverstandene, das Unrecht und die fehlende Genugtuung. Sie schreien oder wimmern noch immer nach ihrem Recht. Sie bekommen es oftmals nicht. Weil es darum nicht geht. Es geht ums Verstehen. Es geht darum zu begreifen, was es damit auf sich hatte. Versteht man, ent-sorgt man leichter und gründlicher. Dadurch wird man auch leichter. Man wird sorg-loser, weil man versteht und neu vertrauen lernt. Vor allem sich selbst und der Kraft zur Veränderung.

— 17. November 2013
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