Leben ohne Leiden?

..oder Geld scheffeln ohne Ende? fragt sich Tom Borg

Für die nächste Generation investiert unsere Gesellschaft Unsummen in Erziehung und Ausbildung. Warum nicht mit ein paar passenden Genen nachhelfen…? Was ist eigentlich so schlimm daran? Die Natur hat schließlich auch experiment. Warum nicht kontrollierte Evolution?

Vorgebliches Ziel vieler Bio-Technologen ist, uns in eine "Zukunft ewigen Lebens und Leidfreiheit" zu führen. Gesundheit und langes Leben werden in diesem Zusammenhang zu den obersten Lebenszielen erklärt, und es erstaunt wohl nicht, dass die meisten Menschen sich damit gut identifizieren können. Wenn es machbar werden sollte, dann aber sicher nur für jene, die genügend Geld haben, es sich zu leisten, oder jene, deren Gene den Zukunftstest nach Elving Anderson bestehen, der mal meinte:

"Die Erde braucht nicht noch mehr Menschen, aber vielleicht braucht sie bessere Menschen, Menschen, die gegen Krankheiten resistenter sind, genetisch hochwertiger, intelligenter, sympathischer, moralischer, spiritueller, besser eingestellt und fähig, mit ihrer Umwelt zurechtkommen."

Für Elving Anderson stellt das alles kein großes Problem dar, denn

"Mit unserem rapid zunehmenden Wissen über die menschliche Mikrosphäre und der Entwicklung unserer Technologie sind wir in der Lage, unsere Nachkommen zu verbessern."

Die Frage ist nur: was ist besser? Und haben wir das Recht, so in unsere Natur einzugreifen? Die Fundamentalisten aller großen Religionen werden entsetzt den Kopf schütteln, während pragmatische Visionäre durchaus eine gesellschaftliche Berechtigung dafür sehen, die eigene Zukunft positiv zu gestalten. Und die Nachkommenschaft und deren Lebensbedingungen und Fähigkeiten sind nun einmal die Zukunft der jetzigen Generation. Also ein Recht auf die Gestaltung der zukünftigen Steuerzahler, die die Altersversorgung der jetzigen Generation sicherstellen soll? Um sicherstellen, dass die nächste Generation dazu auch befähigt ist, investiert unsere Gesellschaft Unsummen in Erziehung und Ausbildung. Warum nicht mit ein paar passenden Genen nachhelfen…?

Was ist eigentlich so schlimm daran? Soweit wir zurückdenken können, experimentiert der Mensch mit der Natur, "züchtet" Pflanzen und Nahrungsmittel - oder sollte ich treffender sagen: biegt deren Gene zurecht. Denn nichts anderes ist das Kreuzen von Pflanzen und unterschiedlichen Tierrassen. Und da stehen wir Menschen mit ehrfurchtsvollem Blick davor, zeigen unseren Kindern wunderschöne Rosensträucher und erklären ihnen: das ist Natur! Mitnichten! Das ist Bio-Technologie… Die roten Rosen vom Gärtner belegen längst nicht mehr die Schönheit der Natur, sondern die Kunst der "Pflanzen-Designer", um nicht das böse Wort der Gen-Manipulierer zu verwenden.

Unser Problem mit der Bio-Ethik ist nicht deren Existenz als solche, denn damit haben wir uns längst stillschweigend oder unwissend arrangiert. Nein, es geht um die Grenzen dessen, was der Mensch tun soll. Wie viel von dem was wir tun können, sollten oder dürfen wir auch tun? Wohlwissend, dass die Antwort direkten Einfluss auf unsere Lebensqualität haben wird - egal, wie auch immer die Antwort ausfällt. Eine freiwillige Beschränkung verzichtet auf Fortschritt und vermeintliche oder tatsächliche Verbesserung, während das ungestüme Experimentieren vielleicht manche Geister auf den Plan ruft, deren Meister erst noch erschaffen werden müssen. Schließlich ist die Natur selbst der größte Experimentierkasten den wir kennen. Und die Natur, die Evolution, hat uns so geschaffen wie wir nun einmal sind. Sollten wir da nicht vielleicht Konrad Adenauers Rat beherzigen: "Nehmen Sie die Menschen wie sie sind. Andere gibt es nicht." Doch gerade letzteres steht ja zur Debatte…

— 02. April 2012
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