Woher kommst Du denn?

Worüber regen wir uns auf, fragt Tom Borg

Erika Steinbachs "Woher kommst Du denn?" Tweet provoziert. Aber dass man mit einem solchen Foto überhaupt Ängste schüren kann, macht in der Tat Angst. Denn es zeigt, dass die Hauptfarbe und Herkunft von Menschen für viele wichtiger ist als sie zugeben wollen.

Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Und bittere Wahrheiten will auch keiner gerne hören. Mehr noch, man möchte die ganze Diskussion unterdrücken um bloß nicht in die Verlegenheit zu kommen, zwiespältige Gedanken zu haben oder sich gar entscheiden zu müssen. Dabei hat Erika Steinbach zweifelsohne Recht, wenn sie auf Kardinal Woelkis Kritik, sie wolle spalten und Ängste schüren, polemisch antwortet "Logisch denken sollte ein Kardinal können."

Ich persönlich habe kein Problem mit Ausländer oder Flüchtlinge. Wie auch, ich bin seit 25 Jahren mit einer - inzwischen deutschen - Ausländerin verheiratet und lebe unter lauter Ausländer, die alle meinen, ich sei der Ausländer. Sprich: ich bin Auslandsdeutscher - und das mal mehr und mal weniger gerne, weil ich mich mal mehr und mal weniger integrieren muss.

Dennoch ist das kein Grund, den Verstand auszuschalten. So provozierend Erika Steinbachs Foto mit dem von dunkelhäutigen Kindern umringten Blondschopf auch sein mag, wirklich abwegig ist es nicht. Und es ist auch kein "Schlag ins Gesicht all der Tausenden von Ehrenamtlichen, die sich in der Integrationsarbeit engagieren", wie Kardinal Woelki sagte. Nein, es ist schlicht die Konsequenz unseres Handelns - ohne dem irgendeine Wertung geben zu wollen.

Deutschland hat zig Tausende Flüchtlinge aufgenommen - und es ist unrealistisch zu glauben, dass die meisten von ihnen in einigen Jahren wieder in ihre Heimat zurückkehren werden. Da andererseits in Deutschland seit Jahren der Geburtenrückgang bejammert wird, während in den Herkunftsländern der Flüchtlinge Kinder fröhlich begrüßt werden, ist es nur eine Frage der Zeit, bis in einigen sozialen Regionen, auch "Brennpunkte" genannt, tatsächlich ein Blondschopf der Außenseiter in einer Klasse mit vielen Migrantenkindern - was inzwischen ja selbst schon ein halbes Schimpfwort ist - sein wird. Soweit reine Logik ohne jede Wertung.

Die Angst vor der Wahrheit

Erika Steinbach hat mit ihrer Provokation zweifelsohne nicht komplett Unrecht, so wie Kardinal Woelki ebenfalls davon ausgehen kann, dass das Schüren von Ängsten Ziel der Provokation war.

Ängste sind prinzipiell ein negatives Gefühl, und dennoch eine Warnung, die wir von Natur aus benötigen. Nur sollten wir uns nicht von Ängsten leiten lassen, sondern unseren Verstand gebrauchen. Deutschland wollte den Flüchtlingen helfen. Das ist schön und gut. Aber dann sollten wir auch akzeptieren, dass die Flüchtlinge, denen wir helfen wollen, de facto da sind, Teil der Gesellschaft werden. Das wirklich Provozierende an Erika Steinbachs "Woher kommst Du denn?" Foto-Tweet ist nicht der Inhalt des Bildes, sondern der politische Finger den sie damit in unsere soziale Wunde legt.

Kardinal Woelki spricht zu recht von Ängsten, die geschürt werden. Die Mehrheit der deutschen Bürger möchte zwar den Flüchtlingen helfen, sie nicht "verrecken" lassen. Aber dass ein Blondkopf irgendwann auf ein halbes Dutzend dunkelhäutige Kinder kommt, das ist in großen Teilen der Bevölkerung unerwünscht. Die Tatsache, dass dieser Gedanke unsere Gesellschaft spalten könnte, zeigt, wie es wirklich um unsere Menschlichkeit steht. Denn es gibt keine weiße, schwarze, gelbe oder dunkelhäutige Menschen - sie alle sind "Menschen", Gottes Geschöpfe.

Insofern ist der eigentliche Skandal an Erika Steinbachs "Woher kommst Du denn?" Tweet die Tatsache, dass wir da überhaupt einen Unterschied sehen. Ich als Langnase unter Asiaten bekomme die gleiche Frage auch ständig gestellt. Sie ist aber weder rassistisch noch widerlich, sondern einfach nur neugierig. Daran wird man sich auch in einer deutschen Multi-Kulti-Gesellschaft gewöhnen müssen. Und dennoch ist mir klar, dass Erika Steinbach genau damit provozieren wollte, weil sie ahnt, dass viele der ach so humanitären Menschenfreunde sich genau daran nicht gewöhnen wollen. Insofern ist das "Geschmäckle" des Bildes vielleicht pfui. Die Message des Bildes entlockt mir aber allenfalls ein müdes "na und?". Die Szene wird eines Tages ganz normaler deutscher Alltag sein. Und wer damit ein Problem hat, der sollte in der Tat laut und deutlich sagen: Lasst sie verrecken. Denn wenn man Flüchtlingen hilft und rettet, dann muss man auch akzeptieren, dass sie vielleicht für immer hier bei uns und mit uns leben werden.

— 29. Februar 2016
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