Unschlagbare Totschlagargumente

Über Ostern und die Ostermärsche schreibt Christa Schyboll

Das Verzichtsbarste, was das menschliche Gehirn jemals erfand, waren tödliche Nuklear-Waffen. Das Begehrteste für viele Staatslenker der Welt, sind ebendiese. Einsetzen will sie angeblich ja niemand, haben wollen sie alle. Mit Drohpotenzial fühlt man sich doch gleich erheblich gemütlicher beim Regieren von unkalkulierbaren Untertanen, geschweige denn der anderen Staatsnachbarn, denen doch noch nie zu trauen war.

Die Friedensbewegung findet das großen Mist. Und sie hat Recht. Natürlich hat sie das, da führt kein Argument vorbei. Billionen von Geldern werden weltweit vergeudet, um die jeweils anderen Mitmenschen zu bedrohen. So tödlich, dass es sicherheitshalber auch übertödlich ist. Ein fast schon köstlicher Begriff: Übertödlich! Einmal sterben können reicht halt nicht. Sicher ist sicher.

Auch die nicht nuklearen Waffen wären schon unmenschlich, tödlich genug, um ihr Ziel zu erreichen, das immer wieder neu in Landnahme, Unterjochung und ähnlichem Schwachsinn besteht - vor allem angesichts der Weltlage, die sich selbst auch ohne Krieg Tag für Tag als fragiles Mobile im herannahenden Monstersturm noch ganz anderer Probleme zeigt. Und so marschieren die Menschen gegen den Krieg, die Waffen, die Aufrüstung - den gesammelten Irrsinn des menschlichen Unverstandes... und stoßen selbst unter ihresgleichen: auf Unverständnis!

Weil.

Jeder Mensch hat das Recht auf sein Leben. Auch auf die Verteidigung seines Lebens. Moralisch, juristisch, nach der UN-Charta und sogar religiös legitimiert. Wenn man sein Recht auf Leben verteidigen will, braucht man unter Umständen eine Waffe, eine wirkungsvolle, wenn die eigenen Fäuste oder Fußtritte nicht ausreichen und auch anspucken und anschreien wirkungslos bleibt. Sonst ist man schnell tot - je nach Gegner und Gewaltattacke. Dieser Grundsatz auf das Recht auf Leben und Verteidigung gilt für alle Menschen. Und das ist nun wieder einmal ein Dilemma.

Weil.

Beide Sichtweisen vertragen sich nicht so gut. Einerseits das Recht auf Verteidigung des eigenen, einzigartigen Lebens, das man als Individuum nun einmal lebt - andererseits der Irrsinn der Aufrüstung mit all diesen grausamen waffenstarrenden Übertötungspotenzialen, die tatsächlich zum Wahn wurden, an denen Machthaber kleben wie der Bär am Honig.

Einerseits und andererseits. Und dazwischen ein bisschen Diplomatie. Oft hilflos, gutherzig, ehrlich und manchmal auch dreist verlogen. Hin und wieder auch ökonomisch durchaus interessant, dann wieder ganz humanistisch gesinnt mit allen weiteren Facetten, die auch hier der an sich recht raffinierte Mensch zu schleifen weiß.

Die Waffe des Geistes zum absoluten Friedenswunsch unter der Spezies Mensch ist jedoch noch nicht entwickelt. Da streiken Herz und Hirn. Zu utopisch! Da stehen wir noch nicht mit unseren Fähigkeiten. Vorher muss noch eine Zeitlang das Töten geübt werden, bevor wir uns dazu entscheiden, Menschen einfach ihr Leben weiter leben zu lassen.

Wir stehen zwar mittlerweile schon im Atomzeitalter, haben Keilschrift, Bronzezeit und finsteres Mittelalter fast halb erfolgreich hinter uns gelassen, werden jedoch vermutlich von den nächsten Generationen als große Beschämung in der Geschichte der Menschheit geächtet werden ... falls es diese nächsten Generationen gibt und nicht irgendwelche Idioten die Sache nach Hiroshima und Nagasaki einmal viel gründlicher und umfassender ausprobieren.

Das ist leider keine schöne und frohe Oster-Botschaft.

Eine bessere habe ich gerade leider nicht zur Hand. Es wäre schön, wenn ich nächstes Jahr ganz anderes zu schreiben wüsste als die Gipfelfrage: Warum nur sind wir noch immer so schrecklich barbarisch --- wo wir doch wissen, erleben und fühlen, dass es mit Frieden viel schöner auf diesem wunderbaren Planeten ist!?

— 18. April 2022
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