Menschliche Verbundenheiten

Vom Ein- und Austreten ins Leben des anderen. Von Christa Schyboll

Nicht nur Partner und Paare verbinden und trennen sich im Laufe eines Menschenlebens. Viele Menschen betreten ständig einen neuen menschlichen Raum, verweilen eine Weile darin und treten wieder hinaus.

Dies können Freundschaften sein, berufliche Gegebenheiten mit Kollegen, Vereine, soziales oder politisches Engagement, Hobbys oder sonstige Zweckbündnisse an einer Sache, die zu irgendeinem Zweck gebildet wurden. Der Zweck steht dann - abgesehen von Partnerschaften und Freundschaften - im Vordergrund der Beziehung, die man mit anderen Menschen eingeht. Da wird angepackt, geackert und sich intensiv einer gemeinsamen Sache gewidmet. Die Erfolge dabei sind zunächst weniger vorrangig, als das Tun als solches, das für alle Beteiligten einen Sinn macht.

Was die sachliche Ebene dieser vielen unterschiedlichen menschlichen Bündnisse angeht, können sie von Erfolg gekrönt sein oder von Misserfolg, wenn die Umstände ungünstig oder zu sehr erschwert waren. Aber jenseits dieser sachlichen Ebene gibt es zusätzlich noch eine andere, die oftmals übersehen wird, aber dennoch stattfindet: Das soziale Lernen an- und miteinander. Dazu gehören das Feiern der gemeinsamen Erfolge ebenso wie das Verkraften von Misserfolgen. Aber vor allem das immer wieder neue Erüben eines freiwilligen und konstruktiven Miteinanders. Es erfordert oft ein hohes Maß an zwischenmenschlicher Aktion, die weit über die Sache selbst hinausgeht. Erst recht, wenn in solchen Zusammenhängen Menschen aufeinander treffen, die sich im Privatleben niemals befreundet hätten. Die sich nicht leiden oder nicht riechen können, die keine gemeinsame Seelensprache haben und die auch keinen wirklichen Draht zueinander finden. Und trotzdem sind sie an einer Sache in der Freizeit, dem Beruf oder dem Verein gemeinsam verbunden und mögen der Sache zuliebe diese Verbundenheit auch nicht auflösen.

Hier finden nun interessante Experimente statt, die die Menschen oft unbewusst miteinander treiben, aber zugleich willentlich eingehen, ohne sich selbst über den tieferen Sinn dabei immer im Klaren zu sein. Sozialexperimente, psychische Experimente, die man mit den Lieben zuhause oder mit den engsten Freunden in dieser Konstellation nicht macht. Hier ist über die Sache hinaus ein Übungsfeld für noch ganz andere Entwicklungen gegeben, die den Menschen in seiner Persönlichkeit stark formen und beeinflussen können. Diese Verbundenheiten mögen lange oder kurz dauern, intensiv oder oberflächlich abgehen, sich an einer Sache orientieren oder auch am Menschen direkt, in jedem Fall aber sind sie wertvolle Möglichkeiten, sich im Spiegel des anderen mit zu erkennen und uns allen die Chance damit geben, uns selbst freiwillig weiter in unseren Denk-, Fühl- und Handlungsmöglichkeiten zu optimieren. Verbundenheit schafft Vertrauen. Aber dieses Vertrauen will dennoch durch tätiges Tun erst einmal erarbeitet werden. Dann jedoch wird damit auch ein seelisches Grundbedürfnis erfüllt, das für uns alle sehr wertvoll ist.

— 26. Juli 2013
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