Natürlich ist das ganze Leben beschissen. So ziemlich jedenfalls… und vor allem oft.

Nimmt man die kleinen schönen Momente heraus, bleibt immer noch ein Riesenwust an Argumenten und Tatsachen, die doch beweisen, wie schrecklich alles ist. Terror und Naturkatastrophen jagen sich gegenseitig, die Welt der lokalen und globalen Politik bietet fast schon eine obszöne Komödie oder der Nachbar von nebenan betätigt schon morgens um sieben den dröhnenden Laubsauger, damit der Ruhevorteil einer Nebenstraße schnell zu einer weiteren Farce wird.
Es ist gut, dass ich mir meines Elends voll bewusst bin. Es ist geradezu ein richtiger Gewinn, dass ich voll checke, aus welchen schrecklichen Eckpunkten sich diese unsägliche Welt zusammensetzt. Wichtig ist jetzt nur noch, dass ich jemanden finde, der mitjammert oder mich am besten dabei noch übertrifft. Zusammen macht Jammern einfach viel mehr Spaß. Man kann auch gemeinsam entdecken, dass die Welt ja noch viel schlimmer ist als vermutet, wenn man von schrecklichen Neuigkeiten des anderen hört. Oder von welchen, die er wiederum von anderen gehört hat und sogar noch entsetzlicher sind.
So spinnen dann zwei Jammernde sich in ihre eigene Wirklichkeit. Sprechen quasi kompetent von Lappen zu Lappen und denken gar nicht daran, den Zündstoff zu entschärfen.
Mit einer gewissen Widerborstigkeit werden gute Nachrichten tapfer ignoriert und der Ärger über die Welt auf einem konstanten Niveau gehalten.
Zu toppen ist das ganze noch, wenn man sich dabei auch noch in persönlichem Selbstmitleid ergießt. Man hat es eben ganz besonders schlecht angetroffen mit dem Partner, den Kindern, den Chef, dem Vermieter und überhaupt. Einzig beim anderen Lappen fühlt man sich geborgen und gut aufgehoben, weil er es unter Umständen noch schlechter getroffen hat.
Jedenfalls macht es Spaß, Letzteres zu glauben und durch gezielt fiese Nachfragen herauszufordern.
Jammern ist eine feine Sache. Man braucht sich gar nicht anzustrengen, sondern kann einfach loslegen. Ein gejammertes Wort nach dem nächsten wird wie ein Hauch ins Leben des anderen gleich mit entlassen, damit es sich zu einem gemeinsamen Höhepunkt aufschwingen kann. Quasi eine erste Jammerwolke bildet um zu einem Universum des Elends anzuwachsen.
Tröstlich ist es, dabei dann festzustellen, dass andere genauso entnervt von diesem Leben sind und das fast schon Reflex hafte Stöhnen über die Welt und sich selbst eines der zuverlässigsten Laute ist, die bereits einen intimen und individuellen Charakter angenommen haben.
Es ist schon gut, wenn alles zum Teufel geht. Wichtig ist nur, dass mir einer bleibt, der bereits laut aufstöhnt, wenn er mich sieht – einzig zur Freude und Erleichterung, dass ich die böse Welt genauso sehe wie er auch.
Jammern schweißt enorm zusammen – das gibt uns Liebe und Halt.