Natürlich brauchen wir nichts zu Weihnachten. Wir haben doch alles. Ach was, wir haben alles in schierer Opulenz. Nicht umsonst halten wir Notgelage im sommerlichen Garten ab, um mittels eines privaten Flohmarktes überflüssigen Überfluss zu entsorgen.

Nein, nein, wir brauchen wirklich überhaupt nichts. Also bitte! Nichts schenken! Auf keinen Fall. Wir haben wirklich alles.
Man kommt überein. Immerhin ist man erwachsen und vernünftig. Wenn man alles hat, braucht man auch nichts mehr zu kaufen oder gar als Geschenk zu empfangen. Es wäre doch totaler Unsinn. Verschwendung von Zeit, Geld, Ressourcen. Nerven vor allem. Also keiner kauft etwas! Abgemacht!
Dann kommt Weihnachten. Irgendwann ist die Stunde der Bescherung angesagt. Diese Stunde lässt sich nicht vom Ziffernblatt der Uhr heraus klauben. Sie bleibt stur und hält penetrant ihre 60 Minuten ein. Das Essen war ja schon!... Die Zeit enthält sich jeglicher Schrumpfung, beeilt sich auch nicht oder lenkt uns sonst irgendwie ab. Die Stunde der Bescherung hält voll, was sie verspricht. Es wird eine echte Bescherung!
Da stehen nun doch kleine hübsche Pakete unterm Weihnachtsbaum. Ach! Und wie schön! Gar lieblich verpackt. Mit niedlichen Namensschildern in schöner Schrift, kursiv, Arial 12 Punkt. Der neue Drucker kann jetzt auch die kleinen Zettelchen ohne Papierstau. Sieht aus wie echte Tinte.
Dennoch! Man hatte sich doch so darum bemüht, Klartext zu reden. Konnte man es denn noch deutlicher sagen? Man brauchte doch wirklich nichts. Dennoch ist man jetzt echt gerührt. Alle haben trotzdem an alle gedacht. Man selbst ja auch. Obschon die anderen auch partout nichts wollten. Und dass sie nichts brauchten, haben sie ebenfalls klar kundgetan. Also musste man sich überlegen, was sie denn brauchen könnten, wovon sie noch keine Ahnung haben, dass sie es sicher schmerzlich vermissen werden, wenn sie es erst einmal in Händen halten.
Und dann hatte man es. Eine Pfeffermühle! Ja! Ständig der Kampf mit der Pfeffermühle, die trotz Keramikmahlwerk nicht funktionierte. Selbst die Batterie betriebene, die hoffnungsvoll surrende Geräusche machte, spuckte einfach nichts aus. Ssssurrrr, Sssssurrr… tönte es von Teller zu Teller … und blieb ungepfeffert. Was ist es doch ein Glücksgefühl, ein Geschenk gefunden zu haben, das wirklich keiner wollte, aber auch überhaupt noch keiner besaß: Eine tatsächlich funktionierende Pfeffermühle, die nicht ins Gruselkabinett küchentechnischer Untauglichkeiten gestellt würde.
Und als die Beschenkte die Pfeffermühle auspackte, schien es im Schein der Kerzen, als liefe ein hysterisches Grinsen über ihr Gesicht. O Weh! O Weh! … Dann füllten sich die Augen mit Tränen! Eine Pfeffermühle! Mein Gott! Und diesmal eine echte, wie es scheint! Tränen der Verzweiflung über dieses großartige Geschenk. Alle sind gerührt. Auch die anderen, die einen Schuhspanner bekamen in Form einer indischen Schönheit, die ihr kleines elastisches Körperchen bog, dass es der Sohle nur eine Freude war. Oder ich selbst, die ein neues ledernes Schlüsseletui bekam, was ich mir noch nie gewünscht hatte, weil ich bisher einfach zu infantil war, zu bemerken, wie sehr mir das zu meinem Glück noch fehlte.
Alle sind glücklich. Nicht über das Geschenk; wir wollen ja ehrlich bleiben. Wir sind glücklich darüber, dass das eigene Geschenk nicht besser oder schlechter geriet, als den Unsinn, den man selbst geschenkt bekam. Wie traurig wäre es doch gewesen, wenn einer da wirklich einen Knaller gelandet hätte und als Sieger sich an den Tränen echter Rührung hätte laben können.
Frohe Weihnachten