Märkte

Die Despoten des 21. Jahrhunderts. Von Tom Borg

Märkte, Konzentration und Verflechtungen haben das moderne Wirtschaftsgeschehen so außer Kontrolle geraten lassen, dass es von Politik und Staaten nicht mehr zu steuern ist. Märkte treiben die Politik durch vorweggenommene Einpreisungen vor sich her, lassen den Entscheidern eigentlich nur noch die Wahl zwischen Pest und Cholera.

Was waren das noch Zeiten, als ein Markt ein Ort war, an dem sich Menschen trafen um Handel zu treiben, sich auszutauschen oder um einfach nur etwas Unterhaltung zu haben. Kurz: ein Ort des sozialen und wirtschaftlichen Miteinanders.

Heutzutage sind "Märkte" selbst agierende Personen, glaubt man den Medien und dem politischen Sprachgebaren. "Die Märkte erwarten", "Die Märkte fordern", "Die Märkte dürfen nicht enttäuscht werden".

Doch wer sind die "Märkte"? Zweifelsohne sind sie symbolische Platzhalter für eine Gruppe von Menschen, die selber wiederum sehr unbestimmt, anonym zusammengewürfelt sind. Denn letztlich geht es nicht um die Personen, sondern um deren Wirken, das in der Summe als Wirkung eine eigene Kraft zu entfalten scheint. In der Politik geht es längst nicht mehr vorrangig darum, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern, sondern es ist viel wichtiger geworden, die Märkte zu befriedigen - in der Hoffnung, dass diese anschließend eine positive Wirkung auf die Menschen haben oder zumindest nicht alles zusammenbrechen lassen.

Es ist eine Handlungskette wie es sie zweifelsohne schon immer gegeben hat. Das neue im System Märkte ist allerdings die generelle Ausrichtung, wenngleich jeder Politiker, der gewählt werden möchte, dies vehement verleugnet. De facto lässt es sich aber kaum Leugnen, dass die politische Klasse zuerst die sogenannten Märkte bedient, damit diese anschließend die gewünschte Wirkung entfalten, die für die Menschen erhofft wird. Das ist jedoch nur auf den ersten Blick wünschenswert, denn die Politik hat nur Einfluss auf die erste Ebene, den Rahmenbedingungen für die "Märkte". Ob diese sich dann so entfalten, dass sie auch tatsächlich beim einzelnen Menschen ankommen, das entzieht sich der Kontrolle der Politik. Und dieser Kontrollverlust wird durch eine übergroße Portion Hoffnung ersetzt, die zumeist eher einer Getriebenen erscheint, denn so ziemlich jede Entscheidung der gestaltenden Politik wird von den Märkten "eingepreist" bevor sie überhaupt getroffen wurde.

Alles hat seinen Preis

Gewiss, alles in dieser Welt hat seinen Preis, der in irgendeiner Währung zu zahlen ist. Doch das moderne "Einpreisen" nimmt das Zahlen vorweg. Die "Märkte" meißeln Vermutungen in reale Preise, die wiederum in so gigantischen Mengen auftreten, dass den staatlich Handelnden keine andere Wahl bleibt, als die Erwartungen der "Märkte" zu erfüllen, wollen sie nicht einen Crash riskieren.

Somit sind die eigentlich Handelnden die "Märkte". Sie zwingen den Regierenden ihren Willen auf indem sie so gigantisch große Börsenwetten auftürmen, dass es zu existenzbedrohenden Zusammenbrüchen kommen würde, wenn die Politik anders entscheidet als erwartet.

"Systemrelevante Banken" werden von Staaten gerettet, die selbst dafür verantwortlich sind, dass diese Banken überhaupt so systemrelevant werden konnten und die Funktion ganzer Staatensysteme bedrohen können. Die Politik und ihre Institutionen haben es zugelassen, dass "Märkte" entstanden, auf denen man rücksichtslose ohne Blick auf die Zukunft Gewinne machen und einsacken kann, ohne später für den Schaden geradestehen zu müssen. Ein Lieschen Müller von nebenan kann das nicht, sie muss für jede Fehleinschätzung geradestehen, denn sie handelt für sich selbst. Moderne "Märkte" und Konzerne hingegen haben Aktionäre, die Dividenden erwarten, und Manager, die für kurzfristige Erfolge Boni einheimsen. Während sich Aktionäre nach Einstreichen der Renditen von ihren Aktien trennen und Manager neue Herausforderungen suchen oder gar mit hohen Abfindungen gefeuert werden, verbleiben Arbeitnehmer bei ihren Firmen und diese mit ihrem Wirtschaftsgeflecht an ihrem Standort, der dann für die Verfehlungen der Vergangenheit aufkommen muss.

"Märkte", Konzentration und Verflechtungen haben das moderne Wirtschaftsgeschehen so außer Kontrolle geraten lassen, dass es von Politik und Staaten nicht mehr zu steuern oder gar zu kontrollieren ist. "Märkte" haben sich schlichtweg verselbständigt, stellen einen gewaltigen Entscheidungsfaktor dar haben ihre eigenen Regeln von denen die wichtigste lautet: wir sind nicht verantwortlich.

"Märkte" treiben die Politik durch ihre vorweggenommenen "Einpreisungen" vor sich her, lassen den Entscheidern eigentlich nur noch die Wahl zwischen Pest und Cholera. Die Krisen häufen sich und die Schäden werden von Mal zu Mal größer. Es wird der Zeitpunkt kommen, wo die Kosten der Krise höher sind als der totale Zusammenbruch mit anschließendem Neuaufbau. Doch statt den "Kleinen Mann" die Rechnung nach den Regeln der "Märkte" zahlen zu lassen, sollte dieser den Mut haben zu sagen: Märkte gibt's nicht mehr. Wir drücken die Reset-Taste und starten bei Null in eine hoffentlich bessere Zukunft.

— 04. Dezember 2015
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