Pflicht-Spagat

Manchmal kann man nur Fehler machen, meint Tom Borg

Von einem Minister wird erwartet, dass er es als seine Pflicht betrachtet, von diesem Land Schaden abzuwenden, wo immer er es kann. Wenn es um das Ansehen des Landes geht, beschädigt durch einen Vorgang in seiner mittelbaren Umgebung, dann sollte ein Minister nicht nur handeln dürfen, sondern auch müssen.

Man kann über Hans-Peter Friedrich sagen was man will, und auch ich habe mehr als einmal heftigst über ihn gelästert und würde mich ganz sicher nicht als sein Fan bezeichnen. Doch wenn er sagt: "Es war meine Pflicht das zu machen - ich kann das gar nicht verstehen, wie man das anders sehen soll, es sei denn, man ist Winkeladvokat oder Rechtspositivist" dann hat er damit zweifelsohne recht.

Von einem Minister wird erwartet, dass er es als seine Pflicht betrachtet, von diesem Land Schaden abzuwenden, wo immer er es kann. Man mag sicherlich darüber streiten, wo die Grenzen der Zuständigkeit für einen Minister in Sachen Schadensvermeidung gezogen sind. Doch wenn es um das Ansehen des Landes geht, beschädigt durch einen Vorgang in seiner mittelbaren Umgebung, dann sollte ein Minister nicht nur handeln dürfen, sondern auch müssen.

Das ändert natürlich nichts daran, dass ein Minister auch die Verschwiegenheit pflegen sollte. Doch es gibt im Leben nun mal nicht nur schwarz und weiß - manchmal gilt es abzuwägen, welche Pflichtverletzung schwerer wiegt: Geheimnisverrat oder Beschädigung der Regierung.

Denn dass letzteres durchaus im Bereich des Möglichen war und Friedrich tatsächlich Schaden vom Land angewendet hat, bestätigte Sigmar Gabriel mit seiner süffisanten Anmerkung: "…von hinten betrachtet, ist es ihm auch gelungen."

Das darf man wohl so sehen, dass Sebastian Edathy für einen Regierungsposten in Betracht kam. Hätte er diesen Posten erhalten und wäre dann kompromittiert worden, dann wäre er kein Liebhaber von Knabenfotos mehr gewesen, sondern im Ausland hätte man vermeldet: Deutscher Minister guckt Kinderpornos. Wums, das hätte einen Scherbenhaufen gegeben! Mindestens genauso groß wie der jetzt. Nun ist es im Moment im wesentlichen ein innerdeutsches Problem. Ein amtierender Minister oder Staatssekretär, möglicherweise gerade dienstlich im Ausland während der Verdacht durchsickert, wäre eine Katastrophe gewesen.

Insofern hat Mister Friedrich richtig gehandelt - zumindest wenn man dem gesunden Menschenverstand folgt. Es wäre in dem Moment Aufgabe der informierten SPD-ler gewesen, zum einen die Klappe zu halten, und zum anderen dafür zu sorgen, dass Edathy aus der Schusslinie kommt, bis die Sache geklärt ist. Denn natürlich gilt für ihn die Unschuldsvermutung.

Zivilcourage versus Paragraphenreiterei

Dass jetzt ausgerechnet der zum Rücktritt gezwungen wurde, der eigentlich den Schaden für das Land - wohlgemerkt(!) - verhindern wollte, macht die Sache zum eigentlichen Politikum, weil hier der gesunde Menschenverstand weiß und fühlt, dass hier eine Gelegenheit genutzt wurde, dem politischen Gegner eins auszuwischen, ihn zu schwächen, was der SPD als politischen Gegner sehr gelegen kam. Dass bei der SPD offenbar nicht alles mit rechten Dingen zuging, ist offensichtlich. Doch hilft das nun weder dem zurückgetretenen Minister noch dem Land.

Vielmehr sollten wir alle uns zwei Fragen stellen: Wie steht es um die von Bundespräsident Richard von Weizsäcker einst angemahnte Zivilcourage und wie hätte man den Eklat vermeiden können? Letzteres zeigt ganz klar ein Versagen der Justiz, die offenbar nicht nur geschwätzig, sondern auch schlecht organisiert war. Einen potentiellen Verdacht zu kommunizieren um dann 3 Monate mit Anfangsermittlungen schwanger zu gehen, ist unprofessionell. Entweder gibt einen konkreten Verdacht, dann sollte der zügig untersucht und danach (!) kommuniziert werden, oder die Justiz sollte die Ermittlungen einstellen und gefälligst die Klappe halten.

Aber offenbar gibt es auch in Kreisen der Justiz viele politisch interessierte Beamte, die gerne interne Informationen über den politischen Gegner weitergeben. Anders ist es nicht zu erklären, dass lange vorab Verdachtsmomente kursieren und die Presse gar bei einer Hausdurchsuchung zugegen ist. Der Schwarze Peter liegt ganz eindeutig bei der Justiz. Hans-Peter Friedrich hat in der Tat nur seinen Job gemacht: Schaden vom Land abzuwenden. Ironie des Schicksals, dass er jetzt der politische Totalschaden ist.

Da möchte man doch jemanden der beim BKA-Chef anruft, um sich nach dem Stand der Dinge zu erkundigen, was einem Versuch zur Anstiftung zum Geheimnisverrat entspricht, eher in die Wüste schicken. Das dies vermutlich nicht geschehen wird, ist letztlich der eigentliche Skandal bei dieser Geschichte. Denn was soll beim Bürger auf der Straße als Message anderes ankommen als: halt lieber die Klappe, sonst kriegst du am Ende selber was drauf…! Und das ist nun wirklich ein massiver Schaden. Denn wenn alle wegschauen, statt dem Nächsten oder dem Staat als solchen zu helfen, der Gemeinschaft zu dienen, dann sind wir von christlicher Nächstenliebe weit entfernt; dann bleibt auch die Zivilcourage auf der Strecke.

Und das muss man Hans-Peter Friedrich positiv anrechnen: Er hatte den Mumm zu handeln, als es aus seiner Sicht nötig war. Und er half nicht einmal der eigenen Partei, sondern dem gerade erstarkten politischen Gegner, der aus CSU-Sicht allemal einen Dämpfer hätte vertragen können. Friedrich hat jedoch im Interesse des Landes gehandelt und dabei in Kauf genommen, dass er dem politischen Gegner aus der Patsche hilft. Dass der nicht dem Mumm oder das Interesse hatte, die Angelegenheit auf legale Weise zu einem Ende zu bringen, das ist kein Geheimnisverrat, wohl aber ein Verrat an den Idealen die in diesem Land einmal als wertvoll galten.

— 18. Februar 2014
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