Carmen Sylva über Wunsch

  • Das größte Glück und das größte Unglück ist, wunschlos zu sein.

Carmen Sylva

rumänische Königin und Schriftstellerin

* 29.12.1843 Neuwied
† 02.03.1916 Bukarest

Gedanken von Christa Schyboll zum Zitat

Die Buddhas unter uns haben es gut. Sie haben das Sein verstanden. Sinn und Unsinn der Welt sind tief durchdrungen. Sie lächeln, sind happy, weil sie wunschlos geworden sind. Wer keine Wünsche hat, hat gut lachen … oder lächeln. Doch die Zahl jener mystisch anmutender Dauerlächler, die scheinbar kurz vor dem Durchbruch zur Transzendenz stehen, ist überschaubar gering. Das hat seine Gründe, die allein auf dem steinigen Weg zum Ziel liegen. Denn der Weg vom Wünschen zur Wunschlosigkeit ist hart.

Gepflastert ist er durch die Verführung. Wünsche erzeugen, Wünsche wecken, die vorher nicht vorhanden waren, ist das Credo der Werbeindustrie, damit alle nützlichen wie unnütze Waren an den Mann und die Frau kommen. Ob man das, was man sich wünscht auch braucht, steht auf einem anderen Blatt. Die Frage jedoch ist: Stellt sich das Glück denn nach dem Erwerb ein?

Man befrage sich selbstkritisch, wie es denn mit der eigenen Wunschbefriedigung klappt. Man ersehnt etwas, bekommt es geschenkt oder kauft es sich… und dann? Wie lange hält denn dieses Glück des Habens an? Monate, Wochen oder am Ende nur Tage? Oder schaffen wir das Glück über eine Wunscherfüllung nicht einmal über volle Stunden? Ist es oft nicht nur ein Augenblick der Freude, der allzu flüchtig ist? Und dafür dann die ganze Anstrengung mit dem Ziel, irgendeinen Wunsch zu befriedigen? Im Zusammenhang mit immateriellen Wünschen mag die Rechnung oft aufgehen. Aber ist es auch bei den tausend kleinen und größeren Wünschen des Alltags denn noch der Fall? Lohnt sich also für einen ach so flüchtigen Moment dann das ganze Abrackern oder hinterher Hecheln nach dem, was andere schon haben, man selbst aber noch nicht?

Macht denn Wunschlosigkeit das Leben etwa schöner, angenehmer, fröhlicher? Ist es wirklich so toll, wenn man sich gar nichts mehr wünscht? Wenn man keine Geschenke mehr bekommt oder möchte, weil man ja nichts braucht? Ist es gut, wenn man sich dem ganzen Konsumterror total verweigert? Was aber ist dann mit den Waren, den Arbeitsplätzen, dem Bruttosozialprodukt, von dem doch letztlich alle sozialen Segnungen abhängen?

Gedanken, die immer mehr Fragen erzeugen? Fragwürdiges ist gut zu hinterfragen, weil es helfen kann, sich selbst neue Klarheit zu verschaffen. Eine Klarheit könnte unter Umständen heißen: Wunschlosigkeit an sich macht vermutlich nicht glücklich, sondern frei. Jedenfalls freier im Handeln und Leben als Menschen es erleben, die an eine ständige Wunscherfüllung gekettet sind. Allerdings kann ein höheres Maß an Freiheit dann wiederum auch zu einem inneren Glück führen, das eine ursächliche Folge dieser Befreiung aus dem Hamsterrad der Wünsche ist.

Für die meisten Menschen wird sich jedoch aufgrund der noch sehr lebendig gefühlten Begierden diese Weggabelung noch nicht auftun, weil sie noch zu viel Unerfülltes in und um sich herum erleben oder erleiden und die fast transzendent anmutende Wunschlosigkeit für sie noch in weiter Ferne liegt.

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