Biographie

Hellhörer und Seher - nicht mechanisches Schreibmedium

Aus dem bisher Gesagten geht nun hervor, daß Lorber von seinem vierzigstem Lebensjahre an ein höchst merkwürdiges Hörmedium war; als was man ihn jetzt, wie die spiritistische Begabung, wenn auch in viel geringerem Grade, bereits tausendfältig aufgetaucht ist, ohne Zweifel erklären würde. Bemerkenswert dürfte auch sein, daß Lorber die innere Stimme, welche er die des Herrn nannte, stets im Herzen, jene anderer Geister aber im Hinterhaupte zu hören behauptete.

Wiewohl Lorber tausende von Bogen mediumistisch vollschrieb, kann man ihn doch nicht ein eigentliches Schreibmedium nennen, nämlich ein Medium, dem die Hand mechanisch durch eine fremde Intelligenz geführt wird. Er schrieb vielmehr stets selbsttätig nieder, was er von einer fremden Intelligenz ihm eingeflüstert hörte und er wie mit dem Ohre zu vernehmen meinte.

Lorber war aber auch ein Sehmedium. Hierfür lassen sich freilich fast nur seine eigenen Aussagen anführen. Nach den meisten Todesfällen im Kreise unserer Bekannten und Angehörigen erzählte er uns nämlich: er habe die jüngst verstorbene Person gesehen, beschrieb ihr Aussehen, schilderte ihre Zustände, in welchen sie sich im Jenseits befinde, und entrichtete uns nicht selten Grüße und andere Botschaften.

Namentlich besuchte ihn oftmals ein weiblicher Geist, der mir im Leben sehr teuer war und noch ist (Leitners früh verstorbene Gattin), und ließ mir durch ihn Ratschläge und manchmal auch Warnungen zukommen, die sich in der Folge auch in der Tat als nützlich bewährten. Er beschrieb auch die Gestalt dieses Geistes in einer Weise, daß man aus deren allmählich veredeltem Äußeren auch auf die fortschreitende geistige Entwicklung der Seele schließen konnte. Nach Lorbers Darstellung erschien ihm dieser weibliche Geist, etwa ein halbes Jahr nach dem Abscheiden von der Erde, zum ersten Male mit freundlich heiterer Miene in einem langen, hellgrauen Faltenkleide, welches später mit einem purpurnen Saum und einem gleichfarbigen Gürtel um die Mitte des Leibes geschmückt war. Nach dem Verlaufe einiger Zeit zeigte sich das Gewand in hellem Blau, dann in reinem Weiß und zuletzt in schneeigem Glanze. Dabei fiel der Erscheinung das offene Haar frei auf den Nacken herab; bei dem Bewegen wurden in den weiten Ärmeln die schön geformten Arme sichtbar, während die entblößten Füße nur wenig aus dem langen Faltenkleide hervortraten.

Bei einer dieser Visionen gewann ich aber meinerseits die volle Überzeugung von der Tatsächlichkeit derselben. Eines Tages erzählte er mir, in der letzten Nacht, bei hellem Mondenscheine, habe er wieder eine Erscheinung gehabt, die mich angehe. Es sei nämlich plötzlich eine alte Dame von ziemlich kleiner und dabei gedrungener Gestalt in einiger Ferne vor seinem Bette gestanden, welche seltsamerweise beide Augen fest geschlossen gehalten und ihn ersucht habe: er möge mich grüßen und mir sagen, ich solle manchmal an sie denken, es tue ihr wohl. - Ich war über diese Mitteilung ebenso sehr erstaunt wie erfreut, denn ich erkannte in der Erscheinung sogleich eine teure, kurz vorher verstorbene Anverwandte, die über achtzig Jahre alt und in den letzten Wochen ihres Lebens so schwach in den Augenlidern geworden war, daß sie diese nicht mehr zu erheben vermochte und dadurch so gut wie blind war. Lorber hatte diese greise Dame aber schwerlich jemals gesehen, gewiß aber nicht in ihren letzten Lebensumständen, von denen er gar keine Kenntnis hatte. Seine Schilderung, die mit ihrem tatsächlichen Äußeren und ihrem Blindheitszustande auffallend übereinstimmte, lieferte daher für die Identität dieses Geistes mit meiner Anverwandten einen schlagenden Beweis.

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