Biographie

II.

Karl Gottfried v. Leitner

Der Verfasser der in diesem Büchlein wiedergegebenen ausführlichen Lebensbeschreibung Jakob Lorbers ist der deutschösterreichische Dichter Karl Gottfried Ritter v. Leitner, der mit Lorber nahezu ein Vierteljahrhundert hindurch freundschaftlich verkehrte.

Da dem heutigen Geschlechte Leitners Name, trotzdem er dereinst unter den hervorragenden deutschen Poeten Österreichs ehrenvoll genannt wurde, fremd geworden und der Dichter leider in Vergessenheit geraten ist, so mag eine ganz kurze Darlegung von dessen Lebenslaufe hier ihre Stelle finden. Eine solche Darlegung erscheint für die Leser der gebotenen Lebensbeschreibung Lorbers um so notwendiger, als diese damit zugleich den edlen Charakter des Dichters kennenlernen, dem neben seinen idealen Schöpfungen die Wahrheit als höchstes Streben galt.

Karl Gottfried Ritter von Leitner, der Abkömmling eines seit dem 17. Jahrhundert durch den rittermäßigen Adel ausgezeichneten Geschlechtes, war am 18. November 1800, im selben Jahre wie Lorber, zu Graz als Sohn eines landständischen Rechnungsrates geboren, der auch literarisch tätig hervortrat. Schon 1805 starb aber der Vater, und die Mutter vermählte sich 1807 zum zweiten Male.

Leitner vollendete die Gymnasialstudien zu Graz und wandte sich dem Studium der Rechte zu, zeigte aber besondere Vorliebe für die Geschichte der heimatlichen Steiermark und wollte daher sich in der Folge dem Lehrberufe auf diesem Gebiete widmen. Er bekleidete auch tatsächlich schon 1824 und 1825 provisorische Lehrstellen an den Gymnasien zu Tilli und Graz. Da er aber inzwischen Gedichte und Novellen veröffentlicht hatte, die von besonderer Begabung zeugten, wurden angesehene heimische Dichter und Gelehrte, wie insbesondere Johann v. Kalchberg und der Orientalist Hammer-Purgstall, auf ihn aufmerksam und, durch diese Persönlichkeiten gefördert, kam Leitner in den Dienst der steiermärkischen Stände.

Er wurde 1835 zweiter und 1837 erster ständischer Sekretär und trat 1854 als solcher wegen seiner angegriffenen Gesundheit in den Ruhestand.

Nachdem er sich 1846 vermählt hatte, traf ihn 1854 das Unglück, seine geliebte Gattin Karoline zu verlieren, mit der er einer Reise nach Italien unternommen hatte und die plötzlich in Pisa starb.

Erzherzog Johann, der so hoch verehrte Förderer jedes Kulturfortschrittes in Steiermark, ernannte Leitner 1858 zu einem der drei Kuratoren des von dem Erzherzog in Graz gegründeten berühmten Joanneums.

Leitner hat in seinen Mannesjahren verschiedene Reisen in Österreich und nach fremden Ländern unternommen, seinen Wohnsitz aber stets in Graz beibehalten. Er stand mit geistig hochbedeutenden Persönlichkeiten Österreichs, zumal des nicht fernen Wien, das er selbst häufig besuchte, in Verbindung. So insbesondere auch mit den Dichtern J. G. Seidl, Anastasius Grün (Graf Auersberg) und Grillparzer, der den Steirer Poeten überaus hoch schätzte und in Graz einigemale besuchte.

Leitners Gedichte und novellistischen Stücke sind in Zeitschriften und den damals blichen Taschenbüchern seit 1820 erschienen. Im Jahre 1825 gab er eine Sammlung Gedichte in Wien heraus, welcher im Jahre 1857 die zweite, fast um das dreifache vermehrte Auflage folgte. Einen Band anmutiger Poesien bot er im Jahre 1870 unter dem Titel "Herbstblumen" (Stuttgart) und sein letztes Buch "Novellen und Gedichte" (Wien) im Jahre 1880. Ein Drama: "König Tordo", kam 1830 in Graz zur beifälligen Aufführung, auch hat er mehrere andere dramatische Dichtungen verfaßt. Auch historische, topographische und biographische Arbeiten sind von ihm veröffentlicht worden, namentlich eine vortreffliche Biographie Erzherzog Johanns im Jahre 1860.

Die größte Bedeutung aber hat Leitner als lyrischer und epischer Dichter erlangt. Seine zarten, innigen Lieder zählen zu den schönsten der gleichzeitigen österreichischen Poeten. Seine Balladen und erzählenden Dichtungen sind vielfach mustergültig. Innigkeit und Gedankentiefe vereinigen sich in Leitners Gedichten mit schöner, anmutiger Form. Bis in die letzten Tage seines langen Lebens hat der Dichter das poetische Schaffen fortgesetzt und manche sinnige Liederschöpfung findet sich in seinem Nachlasse.

Eine umfassende Auswahl der schönsten seiner Gedichte, mit Einbeziehung des Nachlasses und einer größeren biographischen Einleitung, hat Reclams Universalbibliothek (Nr. 5901-5903) im Jahre 1909 herausgegeben. Eine besonders ausführliche Lebensbeschreibung des Dichters, die auch seiner Beziehung zu Jakob Lorber gedenkt, ist im 51. Band der "Allgemeinen deutschen Biographie" (Leibzig 1906) erhalten. Biographien Leitners finden sich auch in Goedekes "Grundriß der deutschen Dichtung", in den "Mitteilungen des historischen Vereines für Steiermark" (von Franz Ilwof verfaßt) und anderwärts in literarhistorischen Werken.

Leitner ist im 90. Lebensjahre 1890 in Graz gestorben.

In welcher Weise der edle Dichter mit Jakob Lorber bekannt wurde und wie er diesen hochhielt, geht aus der hier vorgelegten Lebensbeschreibung dieses denk- und verehrungswürdigen Mannes hervor.

Leitner hat Materialien für eine Art von biographischem Sammelwerke steirischer Dichter, Künstler und Gelehrter lange Jahre hindurch gesammelt und manches davon auch ausgearbeitet. So genau und umfassend aber wie das Lebensbild Lorbers ist keine seiner diesbezüglichen Arbeiten von ihm ausgeführt worden. Leitner hat dieses Lebensbild etwa in seinem 84. Lebensjahre abgefaßt. Der Inhalt desselben entspricht der unentwegten Wahrheitsliebe des greisen Verfassers in jeder Zeile genau dessen klaren und unbeeinflußten Beobachtungen.

Karl Gottfried Ritter v. Leitners eigene religiöse Überzeugung geht am besten aus einem Briefe hervor, den er am 28. April 1889 an einen Verwandten gerichtet hat und der hier gleichfalls zum erstenmale im Auszuge mitgeteilt wird, da dieses Schreiben, ohne ihn namentlich anzuführen, doch auch Lorbers gedenkt und auf dessen Persönlichkeit hinweist:

"Die Religion ist", so führt Leitner in dem Brief aus, "weit mehr die Sache des Herzens als des Kopfes; denn es ist uns ja gesagt: Gott ist die Liebe. Diese Lehre und die zwei Gebote: 'Liebe Gott über alles und den Nebenmenschen wie dich selbst!', sind die Grundlagen alles Christentums. Das letzte Gebot befolgt auch die rationelle Humanität der Neuzeit, aber sie will von Dem nichts wissen, den sie über alles lieben soll; darum ruht auf ihren Schöpfungen kein wahrer Segen. Ich bekenne mich seit 40 Jahren zu einer Richtung christlichen Wesens, welche den obigen Grundlehren entspricht, denen alle äußeren Zeremonien unwesentlich sind.

Ich wurde in diese die meisten Rätsel des Lebens lösende Weltanschauung vor 48 Jahren durch einen Freund eingeführt, einen einfachen, Gott liebenden und suchenden Mann, welchem damals die Gnade zuteil wurde, vom Herrn selbst durch eine in seinem Herzen ertönende Einsprache Kundgebungen zu erhalten, die er 24 Jahre lang wörtlich niederschrieb, bis er im Jahre 1864 aus der Zeitlichkeit abberufen wurde. Während dieser ganzen Zeit war ich beobachtender Zeuge dieses außerordentlichen Ereignisses. Seither erschienen alle diese zahlreichen Schriften, größtenteils nach dem Tode des Sehers, durch fremde Herausgeber im Druck. - Alle diese neutheosophischen Schriften bezwecken nur, das Urchristentum wieder, und zwar unserer vorgeschrittenen Bildung gemäß, zu erneuern.

Du wirst für hier und dort recht und genug getan haben, wenn Du an dem Glauben an Jesus Christus dem Herrn festhältst, ihn über alles, Deinen Nächsten aber wie Dich selbst liebst. Denn in diesen zwei Geboten ist, wie der Evangelist schreibt, das Ganze gesetzt und sind alle Propheten enthalten." -

Soweit Leitners Brief, dessen übrige Mitteilungen an dieser Stelle weiter keine besondere Bedeutung haben. Die religiöse Denkweise des Dichters ergibt sich aber aus den wörtlich angeführten Stellen auf das klarste und deutlichste.

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