Goetheanismus - Was Goethe außer Literatur sonst noch umtrieb

Zitate Leben & Werk
Johann Wolfgang von Goethe

Mit dem Begriff Goethe wissen die meisten Zeitgenossen einiges anzufangen. Auch wenn es wohl immer weniger Menschen gibt, die einige seiner literarischen oder wissenschaftlichen Werke noch kennen. Die Lehrpläne im Bildungswesen haben heute zumeist andere Schwerpunkte, als eine längere und intensive Beschäftigung mit den Klassikern.

Aber was ist der Goetheanismus? Unter diesem Begriff versteht man einerseits die Weltzuwendung Goethes insgesamt. Andererseits versteht man darunter im geistigen und pädagogischen Umfeld von Anthroposophie und Waldorfpädagogik eine ganzheitlich orientierte Wissenschaftsmethodik. Grundlage sind dabei die wissenschaftlichen Forschungen, die Goethe betrieb. Rudolf Steiner fasste diese in seiner Schrift "Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung" Ende des 19. Jahrhunderts zusammen. Aber auch in der Phänomenologie von Edmund Husserl begegnen uns die goetheanistischen Gedanken zum Verständnis seiner Forschungsmethoden.

Die Wissenschaftsmethodik Goethes zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie auf ein ganzheitliches Menschenbild abzielt und sich von der herkömmlichen und auch heutigen Wissenschaft insofern unterscheidet, als sie in ihrer Zielsetzung frei ist von Hypothesen und Modellvorstellungen. Vor allem Goethes phänomenologische Vorgehensweise ist dabei von außerordentlicher Bedeutung für die qualitativen Erfahrungen und Erkenntnisse.

Auch wenn bis heute keine Einigkeit unter Wissenschaftlern und Anthroposophen über den Begriff des Goetheanismus besteht, so bietet der Inhalt und Sinn des Begriffes dennoch ein hochinteressanter Fundus für die Grundhaltung eines Wissenschaftlers, die auch durch die heutigen modernen Methoden keinesfalls überholt ist. Oder umgekehrt, gerade weil die Technik in der Wissenschaft eine unglaublich rasante Entwicklung genommen hat, ist es umso wertvoller, die ganzheitliche Betrachtungsweise bei Forschungen neu zu erringen bzw. zu behalten. Goethes wissenschaftliche Haltung ist keineswegs von unserer computerbasierten Zeit selbst überholt, auch wenn die äußere Methodik heute nicht mehr vergleichbar ist. Aber das ist ja nur die eine Seite der Forschung.

Goethes naturwissenschaftliche Hauptwerke

Goethes naturwissenschaftliche Hauptwerke waren "Die Metamorphose der Pflanzen", die er 1790 herausbrachte, sowie auch das Werk "Zur Farbenlehre", welches 1810 erschien. Die Erkenntnisse daraus über die unorganische und organische Natur führten unter anderem bei anthroposophisch orientierten Wissenschaftlern zu einer Systematik, die das viergliedrige Menschenbild formulierte. Goethe entwickelte in seiner Farbenlehre auch die Grundlage einer Optik.

Goethe setzte seine Priorität nicht auf die quantitative Erfassung der Natur. Wichtig war ihm eine mathematische Strenge, die er all seinen Forschungen zugrunde legte. Gerade sein bedächtiges Herangehen, beispielsweise in der Erforschung der Gesetze der Farbenwelt, enthüllte ihm letztlich die Geheimnisse dieses Forschungszweiges. Er behandelte das Unmögliche, als wenn es möglich wäre. Er sah die Geheimnisse der Natur und des Seins Urphänomenal an. Das bedeutet: "Urphänomene sind elementare, wahrnehmbare Erscheinungen, die so einfach und überschaubar sind, dass ihr Zustandekommen aus der unmittelbaren Anschauung verstanden werden kann." (Anthrowiki). Das sind Ansätze, die heute oftmals unbeachtet bleiben, weil sich viele Wissenschaftler alleine nur noch einseitig auf Messinstrumente und Technik verlassen. Also alleine auf das, was ihnen durch eine sinnlich erfassbare Wirklichkeit einzig als wahr erscheint.

Goethes besondere Leistung in den naturwissenschaftlichen Forschungen bestand unter anderem vor allem auch darin, eben die Grundlage für eine Hypothesen freie Naturwissenschaft zu legen und dabei die Dinge an sich urphänomenal betrachten zu lernen. Eine Kunst, die auch sehr feine Apparate nicht vermögen, weil sie den lebendigen Blick eines klarsichtigen Menschen voraussetzen, der ganzheitliche Zusammenhänge anders erfasst als ein Computer. Nach Goethe gehört "der Irrtum den Bibliotheken an, das Wahre dem menschlichen Geiste". Und jede Korrektur der Wissenschaften selbst durch weitere, neue Erforschungen, gibt Goethe Recht. Im Zusammenhang seiner Polemik gegen Newton sagt er einmal: "Was ist das Schwerste von allem? – Was dir das Leichteste dünkt: Mit den Augen zu sehen, was vor den Augen dir liegt." Und damit meinte er keinesfalls nur alleine die mess- oder sichtbaren Ergebnisse einer Sache, sondern das dahinterstehende Urphänomenale eines Dinges an sich, für das viele Wissenschaftler heute kein wahrhaft erschauendes "Auge" mehr haben, weil vielen die Fähigkeit einer gesunden Imagination abhanden gekommen ist, deren Wert und Bedeutung man für ein sauberes Ergebnis immer mehr zu vergessen scheint.

Christa Schyboll

Leben und Werk

Biografie

Goethe und die Farbenlehre

Goethe und die Metamorphose der Pflanzen

Goethe und die Musik

Goethe war gut

Goetheanismus - Was Goethe außer Literatur sonst noch umtrieb

Goethes Irrtum

Poesie und Liebe

 Top