Die zunehmende Anzahl der zur Mutterschaft untauglichen oder unwilligen Frauen hat in den letzten Jahren eine Menge Schriften und Gegenschriften über diesen Gegenstand hervorgerufen, wobei von jenen, die niemals feinfühlig genug sind, um ohne Barometer den Luftdruck zu spüren, ohne Chronometer zu wissen, was die Uhr geschlagen hat, Beweise verlangt wurden.
Anmerkung: Man sehe »Missbrauchte Frauenkraft« und einige der gegen diese Brochüre gerichteten Streitschriften. Als einige der wichtigsten Beiträge zu dem sich jetzt abspielenden Kampfe nenne ich des Professors Möbius kleine Schrift »Der physiologische Schwachsinn des Weibes«, die eine Menge Gegenschriften hervorgerufen hat, zuletzt zwei von Dr. Johanna Elberskirchen: »Die Sexualempfindung bei Mann und Weib« und »Feminismus und Wissenschaft«. – »Das Weib in seiner geschlechtlichen Eigenart« von Medizinalrat Max Runge – mit der Gegenschrift von Marie Brühl: »Die Natur der Frau und Herr Professor Runge«; Artikel von Professor Platter in der »Zeit« über Frauenstudium und Rassetüchtigkeit, zunächst durch langjährige eigene Erfahrungen an der Universität Zürich veranlasst; und Mitteilungen aus Amerika wie das Buch von Dr. A. Plötz »Die Tüchtigkeit unserer Rasse und der Schutz der Schwachen« (1895) und Mr. Edsons Bericht. Als Kommissioner of Health im Staate und der Stadt New York entwarf Edson in North American Review ein düsteres Bild des Gesundheitszustands der Frauen der besitzenden Klassen in den Vereinigten Staaten. Das wichtigste Problem für die amerikanischen Ärzte, schreibt er, muss augenblicklich der Gesundheitszustand der gebildeten Frauen sein. Man hat die Diskussion des Problems bisher auf die medizinischen Fachzeitschriften beschränkt, aber daran hat man Unrecht getan. Der Zustand ist schon jetzt so, dass er die nationale Entwicklung ernstlich gefährdet. Die Anzahl der in diesen Klassen leidenden Frauen beträgt schon 60 000; die Zahl der zu solchen Leiden heranwachsenden Mädchen muss auf 65 000 geschätzt werden. Es ist schon ein typischer Fall, dass ein schönes, junges, mit reicher Schulausbildung ausgerüstetes Mädchen, das in die Ehe tritt, nach ein oder zwei Kindbetten eine vollständige Veränderung durchmacht. Ihr Aussehen wird müde und abgespannt, ihre Stimmung schlecht und launisch. Sie ist krank, nicht nur vorübergehend, sondern sie hat lange Jahre des Leidens vor sich. Ein immer wachsender Prozentsatz der amerikanischen Frauen kann, mit einem Worte, die Funktionen der Mutterschaft nicht mehr erfüllen. Nach Edson – wie nach Prof. Platter u. A. – legt die intellektuelle Überarbeit während der Entwicklungsjahre den Grund zu dieser Schwäche, die dann in der Ehe deutlich hervortritt. Man merkt auch – nach den Erklärungen der amerikanischen Ärzte – bei den amerikanischen Frauen eine immer weiter verbreitete Furcht vor der Mutterschaft. Bei den gebildeten Klassen hat diese Furcht ihre Ursache darin, dass sie ihre physische Schwäche fühlen und befürchten, die Schmerzen nicht ertragen zu können. Die Amerikanerin der oberen Klassen entschliesst sich zur Fruchtabtreibung – durch Massage – wenn die Schutzmittel den Zweck nicht erreicht haben. Dazu kommt, dass die studierenden Frauen, die eine Ehe schliessen, dies in viel späterem Alter tun, als die, welche keine höheren Studien betrieben haben. Dies gilt auch von den Arbeiterinnen, die ebenfalls Jahre vergehen lassen, ehe sie sich entschliessen, ihren Verlobten zu heiraten.
Ein späterer Ausspruch ist der des Präsidenten Roosevelt, der kürzlich seine Landsleute vor dem Schicksal Frankreichs gewarnt hat, Frankreichs, das trotz aller Warnungen nicht von seinem Zweikindersystem abgehen will. Dies spukt nun auch in den Vereinigten Staaten, wo nicht nur die Zahl der Ehen zurückgegangen ist, sondern auch die Zahl der Geburten. Zur Zeit Franklins betrug die durchschnittliche Kinderzahl einer Familie acht; vor zwanzig Jahren kamen vier bis fünf Kinder auf jedes Ehepaar, jetzt drei. Die Schuld, dass die Ehen zurückgehen, liegt nach Roosevelts Meinung an den Frauen. In Europa gibt es mehr Frauen als Männer, weshalb ein Bruchteil Frauen ganz einfach unverheiratet bleiben muss, während in Amerika nach dem letzten statistischen Ausweis 953 Frauen auf 1000 Männer kommen ... Mrs. und Miss van Vorst behaupten in ihrem Buche: »Die arbeitende Frau« (zu dem Roosevelt die Vorrede geschrieben hat), dass es Fabrikgemeinwesen gebe, wo man nie auch nur von Kindern sprechen höre. Überall trifft man alte Mädchen in verschiedenen Anstellungen, und auch die jungen ziehen es vor, nicht zu heiraten. Und wenn sie es tun, so wollen sie keine Kinder haben – und dies gilt von allen Klassen, nicht nur von den vermögenden. – »Die erwähnte amerikanische Frauenemanzipation,« sagt ein anderer Schriftsteller, »hat einen Einfluss ausgeübt, auf den man noch vor kurzer Zeit nicht gefasst war. Man hat in Amerika alles getan, um die Frau zu einem selbständig denkenden und arbeitenden Wesen zu machen, das die Stütze des Mannes nicht braucht, und das Resultat ist ein glänzendes geworden. Die Amerikanerin ist nun in allen Berufen zu Hause, sie ist Arzt, Jurist, Kaufmann, Professor. Und nun, nachdem man alles getan hat, um sie dem Manne gleichzustellen, handelt sie in bezug auf die Ehe, als wäre sie keine Frau.« Wenn man mit diesen Bildern aus Amerika eine Untersuchung vergleicht, die Lombroso in einem Kreise italienischer Frauen angestellt hat und bei der es sich zeigte, dass: erstens Ehen aus Liebe, zweitens frühe Ehen und drittens Kinder als die Voraussetzungen des höchsten Glückes angesehen wurden, sieht man klar, wie unvernünftig all die Behauptungen von der »Unveränderlichkeit« der weiblichen Natur sind! Im Lichte dieser Fakten – die durch statistisches Material gestützt werden – muss man den Stolz der Frauenrechtlerinnen über »alles, was die Frauen in Amerika werden können«, sehen. Nach einer veröffentlichten Statistik gab es vor einigen Jahren in den Vereinigten Staaten 3405 weibliche Seelsorger, 1000 Advokatinnen, 7394 Ärztinnen, 787 Zahnärztinnen, 2193 Journalistinnen, 1040 Baumeisterinnen und Bauzeichnerinnen und 1271 Bankbeamtinnen. 946 Frauen sind Handelsreisende, 324 Leichenträger, 409 Elektriker, 45 Lokomotivführer und Heizer, 7 Kondukteure, 21 Stauer, 31 Bremser, 10 Packmeister, 91 Küster, 5582 Barbiere und Friseure, 2 Auktionare, 281 Harzsammler, 51 Bienenzüchter, 440 Kellnerinnen, 31 Rollstuhlschieber, 167 Maurer, 1320 Berufsjäger und Trapper, 85 Schuhbürster, 5 Lotsen, 79 Stallknechte, 6663 Laufmädchen, 196 Schmiede, 8 Blechschläger, 1805 Fischer, 625 Kohlengrubenarbeiter, 59 Arbeiter in Gold- und Silberbergwerken, 63 Steinhauer, 2 Automobilführer – ganz abgesehen von allen Lehrerinnen und Krankenpflegerinnen. Ausserdem gibt es noch weibliche Jockeys, Postillons, Totengräber, Scharfrichter, Feuerwehrleute usw. Die Gerechtigkeit erfordert, dass man zugleich alle Zeugnisse hervorhebt, die dafür sprechen, dass die junge Amerikanerin viel frühere geistige Reife, einen stärkeren Sinn für den praktischen Ernst des Lebens, grössere Selbständigkeit und Verantwortlichkeitsgefühl bei ihrer Arbeit zeigt, als das europäische junge Mädchen, so wie die amerikanische Frau auch lebhafter an der Abstinenzbewegung und anderen grossen sozialen Reformbestrebungen teilgenommen hat. Das Gesetz der Kompensation zeigt sich auch hier; aber das Gewonnene dürfte doch nicht das Verlorene aufwiegen. Ein Franzose, Delpon de Vissu, hat kürzlich seine Beobachtungen über die Frauenwelt Amerikas in einer Abhandlung niedergelegt. Er hat ausgeführt, dass das Studienleben an den Hochschulen die Mädchen mehr für das Zölibat als für die Ehe ausbildet und durch Übertreibung sowohl in Studien wie in Sport ihre Eignung für den Mutterberuf schädigt. Nur ein Drittel der Mädchen, die die Hochschulen durchgemacht haben, heiraten; aber diese Ehen dürften nach seiner Meinung in der Regel dauerhafter und glücklicher sein als andere. Er erwähnte jedoch nicht, wieviele Prozent zu den 23 000 Ehescheidungen des Jahres 1902 die Kollegedamen liefern. Er erwähnte weiter alle die sich selbst erhaltenden Frauen, die in der Regel unverheiratet bleiben oder, wenn sie sich verheiraten, immer häufiger kinderlos sind. Nach den Berechnungen Dr. Engelmans in Boston sind von 100 verheirateten Frauen mehr als 20 unfruchtbar, und das gilt von allen Klassen: Luxusansprüche und Vergnügungssucht gehören zu den Hauptursachen. Aber auch der Feminismus, der das Klubleben und alle Art von äusserer Tätigkeit entwickelt hat, lenkt das Interesse vom Familienleben ab. Die Entartung der Frau in Amerika zeigt – nach Ansicht des Verfassers – dass der weibliche Organismus männliche Mühen nicht ertragen kann, und der Feminismus hat darum die Kräfte vergeudet, die besser für die Ausbreitung der Rasse verwendet worden wären.
Ein englischer Schriftsteller, Marriott Watson, hat den weiblichen Sport aus dem Gesichtspunkte der Schönheit behandelt. Er hat daran erinnert, dass bei den wilden Völkern, wo die Frau physisch belastet wird, auch ihre sekundären Geschlechtsmerkmale darunter leiden, so dass sie in allem dem Manne gleicht – was auch schon Prof. Riehl in »Die Familie« gesagt hat, wo er betont: dass die Zivilisation sondert und teilt, die Roheit aber nivelliert. Dasselbe, behauptet Watson, ist eingetreten, seit die Mädchenschulen nicht nur mit Turnsälen versehen worden sind, sondern die Mädchen auch zum Radfahren, Fechten, Schiessen, Fussballspielen u. dgl. ermuntert werden. Die Übertreibung bei all diesen Übungen hat zur Folge gehabt, dass der Frauentypus sich in der letzten Generation merkbar verändert hat, was zweifellos von der Einführung der Athletik und der Körperübungen im Freien kommt, während die nicht nur natürliche, sondern auch gesunde und belebende Bewegung, das Spazierengehen, immer mehr aufgegeben worden ist. »Das moderne Mädchen schiesst in die Höhe, wird gross, plattbrüstig und farblos. Sie hat nicht mehr die schöne Kontur und die weichen Linien der Weiblichkeit, sondern passt sich immer mehr der männlichen Norm an.«
Auch aus anderen Gesichtspunkten hat man sich in England wie in Amerika gegen den Frauensport gewendet. So heisst es: »Jede freie Stunde wird dem Golf, dem Hockey, dem Turnplatz und dem Klub gewidmet. Diese plötzliche Vorliebe für athletische Übungen macht das moderne Mädchen langsam aber sicher für die schönsten Seiten des modernen Lebens untauglich. Die Mädchen behalten für ihre geistige Kultur keine Zeit übrig. Sie werden allmählich laut und eckig, können von nichts anderem sprechen als ihrem Sport und ihren Klubs und verlieren jedes Verständnis für andere Seiten des menschlichen Lebens. Dies ist der soziale Gesichtspunkt, aber ebenso wichtig ist es, die Sache von dem physischen zu betrachten. Ein Sport wie beispielsweise Fussball ist ganz ungeeignet für die Frau. Die Bewegungen dabei sind zu heftig und verhärten die Muskeln, die ja beim Weibe weich und geschmeidig sein sollen. Und ebenso gross ist die Gefahr, dass vitale Organe beim Boxen beschädigt werden ...«
Für den Fall, dass diese Urteile der männlichen Schwäche für den früheren Frauentypus zugeschrieben werden sollten, dem die Männer, die Literatur und die Kunst ihren »Frauenkultus« gewidmet haben, lässt sich doch die Tatsache nicht aus der Welt schaffen, die aus einer Diskussion in Amerika über Einführung der männlichen Tracht für die Frauen erhellte. Es wurde nämlich dargelegt, dass die Verschiedenheit der Tracht bewahrt werden müsse, da der Typus der Knaben und Mädchen schon so ähnlich sei, dass man das Geschlecht derselben ohne die Verschiedenheit der Kleidung schwerlich erkennen könnte!!
Es muss jedoch erwähnt werden, dass in den höchsten Gesellschaftsklassen Amerikas die Pflege der weiblichen Schönheit hoch entwickelt und das Resultat auch bewunderungswürdig ist. Da wird auch der Reiz durch eine Art Attitude- und Tanzschrittgymnastik veredelt, die an die würdige Grazie buddhistischer Religionszeremonien erinnern soll. In dieser Klasse ist nicht das Erwerbsfieber der Frau die Gesellschaftsgefahr. Da wird sie (man sehe M. Watson: »Nineteenth Century«) anarchistisch durch schrankenlose Genuss- und Luxusansprüche, die die Männer durch eine sie vorzeitig aufreibende Überarbeit befriedigen müssen und denen die Mutterschaft geopfert wird. Ein wirklicher Kampf hat in Amerika – mit dem New-Yorker Schriftsteller Cleveland Moffat an der Spitze – gegen die falsche Ritterlichkeit begonnen, die die Männer in Amerika dazu treibt, sich für das Luxusgeschöpf, die Frau, aufzureiben, das, gleichgültig gegen den Mann und seine Tätigkeit, von jeder Arbeit für das Heim und die Kinder befreit, nur einen Lebenszweck hat: die Reichtümer zu vergeuden, die der Mann erwirbt.
Im Norden hat man einen Sporthasser, dessen Unparteilichkeit ebensowenig bezweifelt werden kann wie seine Autorität, nämlich Nansen. Er hat nicht die Leibesübung angegriffen, aber den Sport, weil »die Rekordkonkurrenzen die Eitelkeit aufreizen, gesundheitgefährliche Übertreibungen hervorrufen, das Interesse von der ernsten Arbeit abziehen und den Sinn für die wirkliche Naturfreude in der Einsamkeit zerstören« – eine Warnung, die hier wiederholt werden mag, obgleich ich schon bei verschiedenen Anlässen ähnliche Gesichtspunkte entwickelt habe.
Was die Eheunlust der englischen Frauen betrifft, so hat man dafür kürzlich ein neues Dokument zu den vielen anderen erhalten, nämlich in der Rede, die Galton im anthropologischen Institut von London gehalten hat und die einen ausgearbeiteten Vorschlag für die Hebung der Rasse enthielt. Galton hatte, aus Anlass seines Vorschlags, eine Menge Aussprüche über die Stellung der Frau zur Ehe gesammelt und hatte sie teils geneigt gefunden, die Ehe hinauszuschieben, teils ganz davon abzustehen. Die Vorsteherin einer höheren Mädchenschule äusserte z. B. – als sie nach dem späteren Leben ihrer Schülerinnen gefragt wurde – dass ein Drittel von ihnen Nutzen aus den Studien ziehe, ein Drittel wenig oder keinen Nutzen davon habe, und das letzte Drittel vollständig Fiasko mache. Auf die Frage, was aus diesen verfehlten Existenzen würde, antwortete sie kurz und bündig: »Sie heiraten!« Galton führte aus, dass ein Umschwung eintreten müsse. Weil die bestehenden Verhältnisse in vielen Fällen Ehen zwischen hoch entwickelten Individuen hindern, ist es notwendig, dass vom Staate, von reichen Persönlichkeiten oder von Vereinen Erleichterungen geschaffen werden. Unter den Mitteln, zu denen man für diesen Zweck greifen soll, erwähnt er besonders Wohnungskolonien, wo die jungen Paare billige Unterkunft und Kost finden könnten; auch sollten sie eine Aussteuer erhalten und auch in anderer Weise Unterstützung finden.
Unter den Beiträgen zu dieser Frage sind zahllose Zeitschriftenartikel, z. B. der Muirheads (man sehe Int. Journal of Ethics 1901), der sich vorzugweise gegen Ch. P. Stetsons Buch »Women and Economics« wendet; R. Pyke (in Cosmopolitan 1900 oder 1901), der so wie Muirhead die psychologischen Gründe der abnehmenden Ehelust der Frau darlegt. In Italien hat Ferrero in seinem Buche über das junge Europa ernstlich die Frage von der Entstehung des »dritten Geschlechts« behandelt. (In Deutschland hat Ernst von Wolzogen eine Novelle dieses Titels geschrieben und Elsa Asenijeff »Aufruhr der Weiber und das dritte Geschlecht«.) Ferrero meint, dass die geschlechtslosen Arbeitsbienen unter den Frauen die Konkurrenten der Männer und durch Intelligenz, Gelehrsamkeit und Arbeitskraft eine starke Gesellschaftsmacht sein werden, aber unfruchtbar, mit versteinerten Herzen und Sinnen, nur mit dem Hirn lebend, während die anspruchsloseren Frauen fortfahren werden, die Gattung zu vermehren – eine Arbeitsteilung, die er aus guten Gründen für ebenso gefährlich für das Glück der einzelnen wie für die Entwicklung der Menschheit hält. Er stützt seine Beobachtungen vor allem auf die angelsächsischen Frauen. Von Frankreich brauchte man gar nicht zu sprechen – wissen doch alle, dass die Beschränkung der Bevölkerung dort zu einer gesellschaftlichen Gefahr geworden ist – wenn nicht die allgemeine Meinung dahinginge, dass die Frauenemanzipation dort nichts für die Frage bedeutet. Aber als Leroy-Beaulieu – gestützt auf Bodio und Nitti in Italien, Porter in Amerika, Marshall in England, Levasseur in Frankreich – vor ein paar Jahren zeigte: dass in einer grossen Anzahl anderer Länder, ausser Frankreich, der Prozentsatz der Geburten ebenfalls sinkt, da nahm er die Frauen Frankreichs nicht von dem Einfluss aus, den der Feminismus auszuüben begonnen hat, einem Einfluss, den er als »einen furchtbaren Feind der Volksvermehrung« bezeichnete. Kürzlich soll auch Charles Turgeon (in »Le féminisme français«) scharfe Wahrheiten über diesen Gegenstand gesagt haben.
Und der Einfluss des Feminismus ist nicht nur direkt, durch Unlust zur Ehe und Mutterschaft, sondern auch indirekt, durch den Mangel an Verständnis, den die älteren Frauenrechtlerinnen für den Zusammenhang der Frauenfrage mit allen anderen sozialen Fragen bekunden. Nichts zeigt dies besser als ihre Stellung zu den Schutzgesetzen für die körperlich arbeitende Frau. Man kann keinen Jahrgang einer europäischen Zeitschrift, die einschlägige Themen behandelt, aufschlagen, ohne Artikel über die Gefahren der Fabrikarbeit für die Frauen selbst und die künftige Generation zu finden. Aber dies hat die Frauenrechtlerinnen des älteren Typus nicht abgehalten, sich diesen Schutzgesetzen fanatisch entgegenzustemmen, was auch von der äussersten Linken, z. B. La Fronde in Paris, geschehen ist. Aber während die älteren Frauenrechtlerinnen des liberalen Typus im Norden, in England und in Deutschland in der Regel sich dem Schutz der Fabrikarbeiterin widersetzen, sind sowohl in England und Frankreich wie im Norden die vom Sozialismus beeinflussten jüngeren Frauenrechtlerinnen meistens Anhängerinnen desselben. Und in Deutschland wirken die jüngeren Frauenrechtlerinnen – Dr. Kaethe Schumacher, Dr. Helene Stöcker, Alice Salomon u. a. – eifrig sowohl für Schutzgesetze für unverheiratete und verheiratete Frauen wie für staatlichen Schutz der unverheirateten und verheirateten Mütter.
Auch belletristische Schriftsteller haben den Frauen des zwanzigsten Jahrhunderts das Horoskop gestellt, und besonders Marcel Prévost hat dargelegt, dass man auf jede Frau, die einen männlichen Beruf wählt, einen entgleisten Mann rechnen müsse. Was das Verhältnis zwischen den Geschlechtern betrifft, so meint er, dass die Galanterie immer mehr verschwinden und die Frau ihre Liebe verbergen werde – wenn sie überhaupt welche fühle. »Weil die Männer und die Frauen einander in bezug auf Gewohnheiten und Berufe immer ähnlicher sein werden, ist es wahrscheinlich, dass man Ehen schliessen wird, bei denen das Gefühl nur eine unbedeutende Rolle spielen wird. Aber diese Ehen können nichtsdestoweniger herzlich und von langer Dauer sein: die Gatten sind dann zwei Kompagnons, durch gegenseitige Achtung und wohlverstandenes Interesse verbunden. Die Frau wird bedächtiger und egoistischer werden, wenn sie nicht mehr von Leidenschaft geleitet ist, die ja Selbstverleugnung und Blindheit voraussetzt. Die Frau des 20. Jahrhunderts wird eine immer weniger zärtliche Mutter werden. Dieses Faktum lässt sich schon bei den Engländern beobachten, die sicherlich den künftigen sozialen Verhältnissen näher stehen als die romanischen Rassen. Der häusliche Herd wird weniger warm und weniger in sich abgeschlossen sein. Also: viel grössere intellektuelle Gewecktheit und stärkere Liebe zur Unabhängigkeit; weniger Leidenschaft und weniger Schamgefühl; offener Sinn für persönliche Interessen, vernünftiger Egoismus, der jedoch nicht eine dauernde Sympathie für den Mann ausschliesst; weniger bezaubernder Reiz und mehr Selbstbewusstsein; weniger Zärtlichkeit und mehr Vernunft ...«