Für jeden Denkenden wird es immer unverkennbarer, dass die Menschheit sich dem Scheidewege ihres zukünftigen Schicksals nähert. Entweder muss – im grossen Ganzen genommen – die alte, in der Natur begründete Arbeitsteilung fortdauern: die, dass die Mehrzahl der Frauen das neue Geschlecht nicht nur zur Welt bringen, sondern auch im Heim erziehen; dass die Männer – unmittelbar in der Ehe oder mittelbar durch staatliche Unterstützung – in den Jahren, wo die Frauen diese Gesellschaftsaufgabe erfüllen, für deren Unterhalt arbeiten; und dass die Frauen bei ihrer geistigen wie körperlichen Entwicklung, bei ihrer Arbeitswahl und bei ihren Lebensgewohnheiten bestrebt sind, ihre Tauglichkeit für die mögliche Aufgabe der Mutterschaft zu bewahren.
Anmerkung: Die alte Anschauung, die auf dem Gebiete der sexuellen Frage so viel Verwirrung angerichtet hat, nämlich, dass der Geschlechtsunterschied nur lokal sein sollte, wird immer mehr und mehr bestritten. Immer häufiger wird die Meinung bestätigt, die von mir nur intuitiv in »Missbrauchte Frauenkraft« ausgesprochen wurde, eine Meinung die jedoch eine notwendige Folge einer monistischen Lebensanschauung ist. Für den, der sich für eine ausführlichere Darlegung interessiert, sei auf Havelock Ellis' Arbeiten hingewiesen: »Man and Woman« und »Evolution of Sex«, und noch mehr auf Geddes' und Thomsons »Evolution of Sex«. Die letzteren machen geltend, dass das Geschlecht die Physiologie des ganzen Individuums bestimmt; dass die Abweichungen in der Lebensweise, die der Geschlechtsunterschied mit sich gebracht hat, nichts weniger als zufällig, sondern tief organisch begründet sind; dass die Geschlechtscharaktere im eigentlichen Sinne nur eine Konzentration und Illustration eines »das ganze Individuum durchdringenden Zustandes« sind. »Das Weib ist nicht nur in einem Teile ihres Wesens Weib, sondern durch und durch,« sagt ein anderer Schriftsteller. Nicht die Unterdrückung des Mannes also, sondern die Natur beider hat die Arbeitsteilung bestimmt, die daher auch im grossen Ganzen die bestehende gewesen sein und bleiben muss.
Oder die Frau muss zu rücksichtslosem Wettbewerb mit dem Manne auf allen Produktionsgebieten erzogen werden – aber so auch immer mehr die Fähigkeit und die Lust verlieren, die Menschheit mit neuem Menschenmaterial zu versehen – und die staatliche Grossziehung der Kinder sie von den Sorgen befreien, die ihre Bewegungsfreiheit am meisten hemmen.
Anmerkung: Der typische – in Europa und in Amerika gleich sehr beachtete und schon eine Schule bildende – Vorschlag nach dieser Richtung wurde von der Amerikanerin Ch. Perkins-Stetson in ihrem oben besprochenen Buche »Women and Economics« gemacht. Der Gedankengang darin ist der, dass, als die sexuellen Relationen ökonomische wurden, die geistige und körperliche Kraft der Frau verkümmerte und nicht früher wiedergewonnen werden kann, als bis sie sich wieder selbst erhält. Die mütterliche Pflege der Nachkommenschaft ist überdies unvollkommen gewesen und muss durch staatliche Pflege ersetzt werden – sowohl wegen der Kraftentwicklung und Unabhängigkeit der Frau selbst wie um der Kinder willen. Denn diese sollen nicht individuelle, sondern so früh wie möglich soziale Wesen werden. Mutter und Vater bezahlen jeder die Hälfte an die Anstalt, wo fachlich gebildete Personen die Kinder pflegen, welche manchmal einen Besuch im Hause machen. In einem Zukunftsbild (Österreich 2020) wird vorgeschlagen, die Kinder, wenn die wirklichen Mütter wenig Mütterlichkeit haben, sogenannten Wahlmüttern zu überlassen, die an ihnen Mutterstelle vertreten, während sie auch weiter in Anstalten verpflegt werden, wo 100 Kinder zwischen 1–6 Jahren 12 Pflegerinnen haben sollen.
Jeder Kompromiss kann nur dem Umfang der Arbeitsteilung gelten, niemals der Art. Denn keine noch so kluge Gesundheitspflege, keine geänderten Gesellschaftsverhältnisse mit kürzerer Arbeit unter besseren Bedingungen; keine neuen Studienweisen mit massiger Gehirntätigkeit können das Naturgesetz aufheben: dass die Mutterfunktion der Frau mittelbar wie unmittelbar Anforderungen an Schonung mit sich bringt, die zeitweilig ihre Berufsarbeit stören, wenn sie sie erfüllt, während deren Ausserachtlassung sich an ihr selbst und an der neuen Generation rächt. Ebensowenig können irgendwelche Verbesserungen in der Kinderwartung und den häuslichen Einrichtungen es verhindern, dass das, was immer noch übrig bleibt – um aus dem Heim mehr als ein Schlaf- und Esslokal zu machen – Zeit und Gedanken, Kräfte und Gefühle erheischt. Will man also die alte Arbeitsteilung bewahren, bei der die Menschheit bisher vorwärts geschritten ist, dann muss die Frau dem Heim zurückerobert werden.
Aber dies bedeutet nicht nur eine durchgreifende Umwandlung der jetzigen Produktionsverhältnisse. Nein, man steht hier vor der tiefsten Bewegung der Zeit, dem Freiheitswillen des Weibes als Mensch, als Persönlichkeit, und damit vor dem grössten tragischen Konflikt, den die Weltgeschichte bis jetzt noch gesehen. Denn wenn es schon für ein Individuum oder ein Volk tragisch ist, sein eigenes innerstes Ich rücksichtslos zu suchen und ihm bis in das Pathos des Unterganges zu folgen, – wie gross wird dann nicht erst die Tragik, wenn es sich um die eine Hälfte der Menschheit handelt. Eine solche Tragik ist schon dann tief, wenn sie in dem Ringen zwischen dem entsteht, was man die »guten« und die »bösen« Kräfte im Menschen zu nennen pflegt, ein Sprachgebrauch, den die Bekenner des Lebensglaubens aufgegeben haben, weil sie wissen, dass sogenannte Verbrechen auch Menschenwesen und Menschenwert erhöhen können; dass das tief Menschliche sich als böse darstellen und doch gesund oder schön sein kann, weil es die Steigerung des Lebens in sich trägt. Aber unendlich grösser wird die Tragik, wenn der Kampf zwischen den unbestritten guten – den im höchsten Sinne lebensteigernden – Kräften und den nicht einmal sekundär zu nennenden, sondern den allerbesten, den Grundkräften selbst, den tiefsten Wesensbedingungen ausgekämpft wird!
Und so stellt sich nun das tragische Problem der Frau, wenn man von den ebenerwähnten Egoistinnen absieht und den Blick auf die Mehrzahl heftet. Frauenwesen gegen Menschenwesen, Kraftausübung, um die Forderungen des Geschlechtswesens oder um die der Persönlichkeit zu befriedigen! Wenn Shakespeare heute wieder auferstände, würde er vielleicht Hamlet zu einem Weibe machen, für das die Frage, Sein oder Nichtsein, mit doppeltem Pathos erfüllt wäre: mit des Menschengeschlechtes ewigem und des Frauengeschlechtes neuem Grauen vor dem eigenen Rätsel; er würde sie zu einer Trägerin des verfeinertsten seelischen Bewusstseins der Zeit machen und darum – bei jeder Notwendigkeit, sich zu entschliessen – zu einem Opfer des Zauderns, des Zweifels und des Zufalls! Ebenso gewiss wie Leben Kraftentwicklung ist, ebenso gewiss ist Glück ein immer vollerer und erfolgreicherer Gebrauch der Kräfte in der Richtung, auf die die besten Anlagen hinweisen. Aber wenn diese hervorragendsten Anlagen sich in zwei unvereinbaren Richtungen bewegen, dann kommt die Seele in dieselbe Lage, wie die Wanderer in der Theseussage, die der »Tannenbeuger« an zwei Pinienwipfel band!
Der jetzige »Kulturkampf« der Frauen hat eine grössere Ausdehnung als irgend ein anderer. Und wenn keine Wendung eintritt, wird er schliesslich jeden Rasse- oder Religionskrieg an Fanatismus übertreffen.
Die Frauenbewegung kreist immer um die Peripherie der Frage, ohne einen Radius zu ihrem Mittelpunkt zu finden, der die Begrenzung des Menschenwesens auf Zeit und Raum ist; die Begrenzung der Seele in der Fähigkeit, sich gleichzeitig verschiedenen Gedanken- und Gefühlssphären hinzugeben, die Begrenzung des Körpers, in dem Vermögen, eine ununterbrochen gesteigerte Belastung zu ertragen.
Die schwerste Entartungsursache der Gegenwart – die Millionen unter ungünstigen Bedingungen broterwerbenden Frauen, die teils die Möglichkeit, teils den Willen zur Mutterschaft verlieren – kann verschwinden, ohne dass doch das Hauptproblem für irgend eine Frau gelöst wird, die zu einer individuell-menschlichen Entwicklung vorgedrungen ist.
In wie hohem Grade eine Frau auch körperlich wie geistig vollwertig sein mag, kann dies doch niemals verhindern, dass die Zeit, die ihre Berufsarbeit in Anspruch nimmt, der Zeit Abbruch tut, die das Haus erhält, weil sie nicht gleichzeitig daheim und draussen sein kann; nicht Gedanken und Gefühle auf die Arbeit konzentrieren, von ihr aufsaugen lassen kann, während sie gleichzeitig auf das Familienleben konzentriert, von ihm aufgesogen sind. Und all das in diesem Leben Persönliche, das, was nicht weitergegeben werden kann, wird so mit Notwendigkeit eine Hemmung ihrer individuellen Bewegungsfreiheit, im inneren wie im äusseren Sinne.
Wenn die Kinder und der Mann in dem Leben einer Frau überhaupt etwas bedeuten, kann sie ja nicht einen anderen die Zärtlichkeit, die Fürsorge, die Unruhe hegen lassen: sie muss diesen Gefühlen ihre eigene Seele hingeben.
Aber dann wird dies auch ihr Buch, ihr Bild, ihren Vortrag, ihre Untersuchung ebenso unfehlbar stören wie die Mühe, die Kinder körperlich zu nähren und zu warten – die Mühe, der sie sich wirklich entziehen kann, allerdings mit grossen Verlusten an Freude und an Einblick in die Eigenart des Kindes.
Mit einem Worte: der bedeutungsvollste Kampf wird nicht zwischen Gesundheit und Krankheit, Entwicklung und Entartung ausgekämpft, sondern zwischen den beiden gleich starken, gesunden und schönen Lebensformen: Eigenleben oder Geschlechtsleben.
Viele Frauen, die die Notwendigkeit erkennen, sich für eines von beiden zu entscheiden, wählen das erstere und vermeiden oder beschränken die Mutterschaft, weil sie glauben, dass sie einen anderen, reicheren Kultureinsatz zu machen haben.
Aber ob wohl das Menschengeschlecht nicht mehr durch die Genies gewonnen hätte, deren Mütter diese begabten Frauen hätten werden können?
Man kann um ihrer selbst willen die unfruchtbaren Frauen des Geburts- oder Finanzadels beklagen, die aus reiner Selbstsucht nicht Mütter werden wollten. Aber der Menschheit erweisen sie einen unfreiwilligen Dienst dadurch, dass weniger entartete Kinder geboren werden.
Die geistigen und körperlichen Vollblutfrauen hingegen sind die aus dem Gesichtspunkte der Generation wertvollsten. Wenn diese sich mit einem oder gar keinem Kinde begnügen, weil sie sich menschlich-individuellen Aufgaben hingeben wollen, dann wird ihr Werk, nicht das Menschengeschlecht, den Reichtum des Blutes, das Feuer der Schaffenslust, das Mark der Gedanken, die Schönheit der Gefühle empfangen.
Aber es dürften – nach einer sehr milden Berechnung – von den Frauen der Erde jährlich wohl hunderttausend Dichtungen und Kunstschöpfungen hervorgebracht werden, die besser kleine Jungens und Mädels geworden wären!
Beinahe immer sind es die hervorragendsten Frauen, die sich vor die tragische Notwendigkeit gestellt sehen, ein einziges Gebiet zu wählen oder sich unbefriedigt auf beiden zu zersplittern. Denn je mehr sie ihre Forderungen an sich selbst steigern, desto gewisser empfinden sie die Teilung als eine halbe Massregel.
Teils die ökonomische Notwendigkeit, teils der Zeitgeist bestimmt jedoch immer häufiger die Wahl nach der Richtung der Arbeit, wenn die beiden Alternativen sich im Gefühle der Frau selbst die Wagschale halten. Denn die Frauenbefreiung hat den Gefühlsakzent auf die Selbständigkeit, die Gesellschaftsarbeit, das Schaffen gelegt. Das hat diese Werte in der Frauenseele ebenso sehr gehoben, wie es die Werte des Heims herabgedrückt hat. Das Fehlen der psychischen Einsicht macht die Frauenrechtlerinnen ehrlich, wenn sie beteuern: dass sie niemals die Aufgaben des Heims herabgesetzt, sondern im Gegenteil versucht haben, die Frauen für dieselben auszubilden. Haushaltungsschulen sind aller Anerkennung wert, aber in der Aufgabe, grössere Begeisterung für die häuslichen Pflichten hervorzurufen, haben sie sich bis jetzt nicht als bedeutungsvoll erwiesen. Weil die Begeisterung auf alle Äusserungen des Frauenwillens, auf dem einstigen Gebiete des Mannes zu wirken, gelenkt wurde, hat der Beruf der Gattin und Mutter an Anziehung verloren.
Historisch gesehen, musste die Befreiungsarbeit von dieser einseitigen Begeisterung vorwärts getrieben werden. Aber nun ist die Frage die, ob die Frau in einer neuen Weise von Andacht für ihr rein weibliches Tätigkeitsfeld ergriffen werden kann?
Denn nur dies wäre, im grossen gesehen, die Lösung des Konfliktes. Eine Rückkehr zu dem alten Frauenideal wäre ebenso undenkbar wie unglücklich. Ein fortgesetztes Streben, die uralte Arbeitsverteilung zwischen den Geschlechtern aufzuheben, ist denkbar – und ebenso unglücklich. Dass die Frau ihren neuen Willen für ihre uralte Aufgabe einsetzt, wäre das glücklichste. Aber ist es auch das denkbare?
Die Antwort lautet unbedingt negativ für die Ausnahmenaturen, für diejenigen, die, in gesteigerter Vitalität und Leidensfähigkeit, sich die Stirn an der Begrenzung des Lebens blutig stossen, die sie hindert, sich sowohl der Liebe, wie der Mutterfreude, wie der Kulturaufgabe ganz hinzugeben.
Hier steht man vor der tiefsten Ursache der Nevrose der modernen Frau. Sie lebt Jahr aus Jahr ein »über ihre Kraft«.
Sie hat noch das alte Bewusstsein, dass eine Mutter selbstlos in ihre Aufgabe versunken sein, dass sie mit tiefer Ruhe in ihr aufgehen soll, und dass sie daher die inneren Stimmen, die sie mahnen, ihrem persönlichen Entwicklungstrieb zu folgen, ungehört verklingen lassen muss. Sie hat dazu das neue Bewusstsein, dass die Erziehung eines Kindes dieselbe volle Hingabe verlangt wie die Gestaltung eines Werkes; dass das Kind ebenso empfindlich wie dieses gegen eine geteilte Seele, eine zerstreute Aufmerksamkeit ist. Sie möchte, wie Anselma Heine treffend gesagt hat, zugleich die Mutter früherer Zeiten sein, die geduldig tragende Karyatide, die immer an ihrem Platze war, die Schale bereit für die dürstenden Lippen des Kindes – und das, was sie jetzt ist: die selbst ewig Regsame, auf allen Pfaden Suchende, aus allen Quellen des Lebens ihre durstigen Lippen Letzende. Sie wird immer eigenartiger, dadurch, dass sie sich immer fester und feiner individualisiert, und dabei wächst ihr Wille zum Eigenleben nach allen Richtungen. Aber zugleich wächst auch ihr Zusammengehörigkeitsgefühl mit dem Geschlechte, und damit wird ihr Verantwortlichkeitsbewusstsein als Mutter und Mensch immer reger. Je »egozentrischer« sie geworden ist, desto weniger ist sie Familienegoistin geblieben. Ihre Persönlichkeitsforderungen werden immer bestimmter, immer umfassender, aber auch immer heikler in ihrer Wahl, immer schwerer zu befriedigen. Ihr wachsendes Gefühl der persönlichen Würde legt ihr immer stärkere Selbstbeherrschung auf, während ihr ganzes Wesen in einer immer empfindlicheren Sensibilität vibriert!
Und auf dieses neue Weib, das schon eitel Unruhe, Lebensdurst, Leidenschaft ist, stürzt sich die hungrige, hitzig jagende Gegenwart wie eine lauernde Katze auf einen Vogel. Hundertmal im Tage wird eine solche Frau gezwungen sein, die Ansprüche der Persönlichkeit denen der Einträchtigkeit unterzuordnen; hundertmal wird sich der Persönlichkeitswille vor dem Verantwortlichkeitsgefühl davon schleichen müssen. Vervollkommnete Arbeitsmethoden können ihre Hände und ihre Schritte schonen, aber sie können ihre Blicke nicht hindern, mit gesteigerter Unruhe das Zünglein der Wage zu verfolgen, auf deren einer Schale die Zärtlichkeit, das Mitgefühl, die Verantwortlichkeit, auf deren anderer ihre eigenste Sehnsucht, ihr Schaffensfriede, ihr Einsamkeitsdurst, ihre Selbstentwicklung ruht. Und während bald die eine, bald die andere Schale steigt, wird es ihr immer scheinen, dass die schwerere ein Stück von ihrem Herzen geschnittenes lebendiges Fleisch enthält, die – im Augenblick – leichtere hingegen nur ein paar tote, wenn auch goldene Gewichte!
Die Zeittabellen des Hirnweibes wissen nichts von Zusammenstössen. Ihre Zugordnung ist klar. Kindergarten, Schule und Schlafsaal für die Kinder, deren Anzahl die vom Staate als richtig festgestellte ist. Automatisch servierte Mahlzeiten aus einer gemeinsamen Küche. Die Führung des Haushalts beschränkt sich auf die Zusammenrechnung des Kassenbuches. In kombiniertem Arbeits- und Sportskleid begibt sie sich in das Arbeitslokal. Nach beendeter Arbeit fünf Minuten Telephongespräch mit jedem der Kinder; zwei Stunden Sport- und Freiluftleben. Am Nachmittag zehn Minuten Telephongespräch mit dem Manne, fünfunddreissig Minuten Gedankenpause, um Ideen zu erhalten; der Abend gehört Zusammenkünften gemeinnütziger oder gesellschaftlicher Art. An Sonntagen werden Mann und Kinder eingeladen, wobei drei Stunden für die Ausmerzung ihrer Fehler festgesetzt sind, die übrige Zeit für nützliche Vergnügungen! Eine solche Frau denkt nie während der Arbeit an die Kinder; sie wird nie von der Lust gepackt, zehn Minuten länger mit ihrem Manne zu verplaudern, sie hat nie nachts Eingebungen. Sie erwacht gut ausgeschlafen nach der hygienischen Stundenanzahl Schlummer ... alles geht wie ein Uhrwerk, nein, besser: denn die Frau der Zukunft eilt weder je der Zeittabelle voraus, noch bleibt sie hinter ihr zurück! Aber die Auslese der Liebe dürfte keine grosse Vermehrung dieses Typus bringen, dessen jetzige Repräsentantinnen physisch wie psychisch so unberührt von der Mutterschaft scheinen, dass man, was sie betrifft, gerne an den Storch glauben möchte! Und bei den anderen armen »sinnlichen« schwachen Wesen bleibt wohl immer noch das Blut »ein wunderlicher Saft«, der den Kopf angstvoll heiss macht, wenn er kühl sein sollte, um zu denken; der das Herz zwingt, in Sehnsucht zu schlagen, wenn es still sein sollte um Entschlüsse zu fassen; der die Nerven vor Unruhe vibrieren lässt, wenn sie gespannt sein sollten, um zu schaffen ...
Anmerkung: Man sehe in dieser Beziehung die Aussprüche in Adele Gerhards und Helene Simons bedeutungsvoller Arbeit »Mutterschaft und geistige Arbeit«. Sie enthält Aussagen vieler auf verschiedenen geistigen Gebieten wirkender Frauen, die fast alle gestehen, dass – im tieferen Sinne – der Konflikt zwischen ihrer geistigen Produktion und der Mutterschaft sich als unlösbar erwiesen habe.
Und im letzten Grunde ist es dieses Bewusstsein, das die neue Frau vor der Liebe zurückscheuen lässt, die sie ersehnt. Ein kleines Gefühl will sie nicht geben; das grosse würde alle Kräfte ihrer Seele verschlingen; und was würde dann aus ihrer Persönlichkeitsoffenbarung, aus dem Worte, das sie allein unter allen Wesen in sich trägt, dem Worte, das auszusprechen sie geboren ward?
Mona Lisas rätselvolles Lächeln – von Barres als »une clairvoyance sans tristesse« gedeutet – drückt, wie jemand gesagt hat, den weiblichen Individualismus der Renaissance aus. Es steht jedoch fest, dass der weibliche Individualismus der Gegenwart einen Klarblick hat, der zu Tode betrübt ist.
Niemals trug die Erde ein zusammengesetzteres und widerspruchsvolleres Wesen, als dieses schwermütige und sehnsüchtige, dieses kühle und gefühlvolle, dieses lebensdürstende und lebensüberdrüssige Weib. Das Blut hat in ihren Pulsen einen anderen Rhythmus, es singt in ihrem Ohre ein anderes Lied, als bei irgend einer anderen Frau seit den Zeiten aller Zeiten. Sie durchschaut den Mann und ist ihm fremd; seine Sehnsucht wirkt roh gegen ihre nuancierten und widerspruchsvollen Stimmungen: sie ist nicht gewonnen, auch wenn sie sich ergreifen lässt. Sie fürchtet das Kind, weil sie weiss, dass sie seine einfachsten Lebensansprüche nicht zu erfüllen vermag. Bei dem Versuche des Schicksals, diese spröden Wesen zu Volltönigkeit zu stimmen, brechen sie wie Harfensaiten unter einem starken Griffe. Nur partiell können sie leben – aber so finden sie das Leben nicht lebenswert!
Selbst wenn eine solche Frau dieses partielle Leben wählt und versucht, sich der Arbeit ganz hinzugeben, wird sie doch noch, auf dem Gebiete der persönlichen Selbstbehauptung, von dem Frauenwesen gestört werden, das sie im grossen Ganzen unterdrückt hat. Denn sie sieht sich oft vor die Wahl gestellt, überhaupt nicht zu siegen oder mit den Mitteln des Mannes zu siegen, die sie bei ihm verabscheut hat, bis sie sich selbst überzeugen muss, dass es der Kampf ums Dasein ist, der den Schnabel und die Klauen des Raubvogels ausbildet.
Sie ächzt unter der Wahl, rücksichtslos ihren eigenen Vorteil zu suchen oder zu scheitern; sie steht unter dem Zwange, Hammer oder Amboss zu sein, sich zu zersplittern, um zu geben, oder sich zu sammeln, um zu schaffen. Bevor die Frau in die hastende, jagende Konkurrenz der Öffentlichkeit eintrat, litt sie nicht unter dieser Notwendigkeit. So hatte sie – im buchstäblichen wie im geistigen Sinne – die Mittel, Zärtlichkeit, Mitgefühl, Güte auszubilden. Es ist darum eine traurige Wahrheit, die ausgesprochen wurde: dass das Frauenwesen, sowie es sich ferne vom Kampfe ums Dasein entwickelt hat, in tiefem Widerspruch zu den Bedingungen steht, die, unter den jetzt noch herrschenden ökonomischen und seelischen Zuständen, den Sieg in diesem Kampf ermöglichen, nämlich über andere hinwegzuschreiten.
Anmerkung: Gabor Falk: »Die Frau in der Kunst«.
Dieser Konflikt beginnt oft auf dem Gebiete, wo die Frau sich dem Verhältnis zur Mutterschaft nicht entziehen kann, nämlich als Tochter. Sie hat auch in dieser Eigenschaft Entscheidungen zu treffen: Leiden zuzufügen oder Leiden zu ertragen.
Wenn man so die moderne Frau zwischen nach jeder Richtung hin unlösbare – oder wenn gelöst, herzzerreissende – Konflikte gestellt sieht, dann fühlt man sich nicht mehr versucht, in das Dichterwort einzustimmen, dass der Name des Weibes Schwachheit sei. Denn mit jeder Fiber fühlt man es: ihr Name ist Schmerz.
Die Männer, welche aus der Beobachtung, dass die Berufs- und Gehirnarbeit der Frau in umgekehrtem Verhältnisse zu ihrer Fruchtbarkeit zu stehen scheint, die Schlussfolgerung gezogen haben: dass die Frau »zur Natur zurückkehren«, ihr Hirn ungebraucht lassen und ausschliesslich Kinder gebären müsse, diese Männer sind leicht widerlegt. Es existiert kein vollgültiger Beweis dafür, dass die geistige Arbeit an und für sich der leichten und glücklichen Mutterschaft der Frau schaden müsse. In der Tierwelt wie im Wildheitszustand der Menschheit tragen die Frauen mit Leichtigkeit die Mutterschaft neben anderen grossen Lasten. In den Kulturstaaten hingegen sind einerseits durch eine zu schwer physisch arbeitende Unterklasse, andrerseits durch eine zu angestrengt geistig arbeitende – oder überhaupt nicht arbeitende – Oberklasse die physischen Beschwerden der Mutterschaft entstanden. Dass die grössten weiblichen Genies der Welt wenige oder gar keine Kinder gehabt haben, befindet sich in voller Übereinstimmung mit den grossen männlichen Genies – während diese Männer in der Regel begabte und bedeutende Mütter hatten, eine Erfahrung, die allein ein genügender Beweis dafür ist, dass der »Schwachsinn« des Weibes nicht gerade der für die Steigerung der Generation günstigste Seelenzustand sein dürfte! Kein vollgültiger Beweis lässt sich dagegen anführen, dass die Gehirnarbeit, wenn sie massvoll ist und mit vernünftiger Gesundheitspflege Hand in Hand geht, auch auf die Frau gute Wirkungen ausübt. Dasselbe gilt von der körperlichen Arbeit. Aber so wie beides jetzt betrieben wird, konnte die Frau ebenso wenig wie der Mann innerhalb der Grenzen ihrer Kräfte bleiben. Darum birgt bis auf weiteres das Frauenstudium und die Berufsarbeit Gefahren, die durch den Sporn des Gleichheitsdogmas gesteigert wurden, unter dessen Stachel die Frauen vorwärts stürmten, um zu beweisen, dass sie alles ertragen können, was der Mann ertragen hat – nämlich das, was weder Mann noch Frau aushalten kann!
Aber sobald die Studien und die Arbeit anders organisiert werden, schliessen sie an und für sich nichts ein, wodurch die unverheiratete Frau weniger wertvoll als Mutter der neuen Generation gemacht würde; hingegen viel, was sie in dieser Beziehung wertvoller machen kann. Also nicht für die unverheiratete Frau tritt der Konflikt in Form einer Wahl ein, die sie nötigt – schon um der ungewissen Möglichkeit der Mutterschaft willen – auf ihre Ausbildung oder den Gebrauch ihrer rein menschlichen Kräfte zu verzichten. Und wenn in der Frage des geschlechtlichen Lebens schon von Kindheit an volle Ehrlichkeit zwischen den Geschlechtern gebräuchlich wird, dann wird es den Frauen auch möglich sein, bei Arbeit, Studien und Sport jene Rücksichten auf die Gesundheit zu beobachten, die die Schamhaftigkeit sie bis jetzt veranlasste zu vernachlässigen. Dadurch, nicht durch die Tätigkeit selbst, hat so manche Frau die Fähigkeit zur Mutterschaft eingebüsst.
Der ernstliche Konflikt tritt also erst in der Ehe ein. Und für die Ausnahmebegabungen dürfte er, wie gesagt, tragisch bleiben. Für die Mehrzahl wird er es erst, wenn die Frau zugleich ausserhalb des Hauses einem Erwerb nachgehen muss und doch innerhalb desselben ihre Mutteraufgabe voll erfüllen will; oder wenn sie wünscht, persönlich wirksam zu sein, und von einer grossen Kinderschar daran behindert wird.
Es gilt folglich für die Mehrzahl: entweder die Erwerbsarbeit aufgeben zu können oder die Kinderzahl einzuschränken.
Die erstere Möglichkeit wird später behandelt werden. Was die zweite betrifft, so ist sie es eben, um die der Hauptkampf tobt.
Aus nationalem Gesichtspunkt flehen die Männer die Frauen an, »zur Natur zurückzukehren«; aus dem Gesichtspunkte der Kultur sagen die Frauen der Natur den Gehorsam auf.
Der beste Einsatz, der von weiblicher Seite in der Frage gemacht worden ist, ist der Oda Olbergs. Sie hebt sehr richtig hervor, dass »die Natur« das missbrauchteste aller Worte ist; dass die Natur tatsächlich die Kultur einschliesst, da diese unablässig die Natur in sich aufnimmt und umwandelt. Aber um einen festen Ausgangspunkt zu erlangen, gibt sie zu, dass man, wenn die Umwandlungen der Natur die Lebensfähigkeit der Generation vermindern, von einer durch die Kultur entarteten Natur sprechen kann; wenn diese Umwandlungen hingegen die Lebensfähigkeit steigern, ist die Kultur »natürlich«. Sie zeigt dann, dass, sowie die Kultur die Aufgabe erleichtert hat, die bei der grossen – auf dem Geschlechtsunterschied begründeten – Arbeitsteilung dem Manne zufiel, nämlich die Nahrungsbeschaffung, sie auch den Teil der Frau leichter gemacht hat, nämlich das Gebären und Aufziehen der Nachkommenschaft.
Denn durch eine steigende Kultur werden die Menschenleben besser bewahrt, und darum brauchen auch immer weniger Kinder zur Welt zu kommen, während einer grossen Verschwendung von Leben eine grosse Fruchtbarkeit entspricht. Diese wird darum im umgekehrten Verhältnis zur Kulturentwicklung stehen, nicht nur wegen der gelegentlichen Entartungen, die sie mit sich bringen kann, sondern auch weil die Kinderanzahl sich dann nach den Kräften des einzelnen bestimmen lässt, während man zugleich einer geringeren Anzahl von Kindern bessere Lebensbedingungen und einsichtsvollere Pflege bieten kann. Der grössere Wert dieser Kinder hebt die Generation mehr als eine grössere Anzahl schlechter Entwickelter. Eine vernünftige Einschränkung der Fruchtbarkeit wird also die Voraussetzung einer allgemeinen Lebenssteigerung sein. Und aus diesem Gesichtspunkt kann die Frau der Menschheit ihren Tribut an neuen Leben geben und zugleich ihren Wert als Menschenwesen, ihr Glück als Kulturwesen bewahren, indem sie selbst aus dem Reichtum der Kultur schöpft und ihn persönlich vermehrt ...
Anmerkung: Das Weib und der Intellektualismus.« Oda Olberg hat den deutschen Doktorgrad, aber ist in Italien verheiratet. Nicht nur als Gattin, sondern auch als Mutter hat sie das Recht der Erfahrung, gehört zu werden.
Und es dürfte nicht viele moderne Menschen geben, die nicht mit dem Grundgedanken übereinstimmen. Nichts ist – auch aus nationalem Gesichtspunkt – berechtigter, als die Ungeneigtheit der Frau, Kinder zu Dutzenden zu produzieren. Der frühere Gattinnenverbrauch eines Mannes zwischen fünfzig und sechzig betrug selten weniger als drei Ehefrauen hintereinander, und von den Kindern einer jeden starb in der Regel die Hälfte. Wenn diese Berechnung schon von der höchsten Klasse gilt, um wie viel mehr dann von den übrigen! Die Einschränkung der Kinderzahl hat – von allen anderen gesellschaftlichen Gesichtspunkten abgesehen – vor allem die Bedeutung, dass viele minderwertige Kinder die Summe von Arbeitskraft und die anderen Ausgaben, die ihre Erziehung mit sich bringt, schlecht verzinsen, während eine geringere Anzahl vollwertiger Kinder durch grössere Arbeitskraft hohe Zinsen tragen, wie Frankreichs Wohlstand zur Genüge zeigt!
Aber wenn dann die Frage auftaucht, wo für das Volk wie für die einzelnen die Grenze der Ungefährlichkeit ist, dann steht noch Meinung so scharf gegen Meinung, dass es jeder vorurteilslosen Prüfung übereilt erscheinen muss, schon jetzt zu behaupten, dass die Entwicklung der Frauenfrage mit der Einschränkung der Kinderzahl zusammenfallen müsse.
Anmerkung: Karl Jentsch (»Sexualethik, Sexualjustiz, Sexualpolizei«) und sein Gesinnungsgenosse Siebert (»Moral und sexuelle Hygiene«) sollen der Ansicht sein, dass nur in übervölkerten Ländern – und unter der Voraussetzung, dass die Nachbarvölker das Gleiche tun – eine Einschränkung der Fruchtbarkeit nützlich sein kann. Hingegen soll z. B. der berühmte deutsche Nationalökonom Prof. A. Wagner (Agrar- und Industriestaat) ein Anhänger des Zweikindersystems sein. Ein anderer Schriftsteller (Hans Ferdy) schreibt über »Beschränkung der Kinderzahl als sittliche Pflicht«, während Dr. W. Hellpach in Heidelberg behauptet, dass die Schutzmittel dem Manne und der Frau durch ihre physischen, wie durch ihre psychischen Wirkungen schaden, dass Enthaltsamkeit für ein gesundes Ehepaar ebenso schädlich ist und dass also – unabhängig von ethischen und religiösen Gründen, die er gar nicht betont – auch jene Einschränkung, die mit dem Wohl der Nation vereinbar ist, nämlich die auf vier Kinder, nicht mit der Wohlfahrt des Einzelnen übereinstimmt. Dr. I. Urbans Schrift »Die Stimme eines Rufenden in der Wüste« soll die strengsten Forderungen an die eheliche Enthaltsamkeit stellen. Der in Deutschland bekannte sozialwissenschaftliche Schriftsteller Prof. Werner Sombart erklärt – aus Anlass von Lily Brauns ausgezeichneter Arbeit »Die Frauenfrage« – dass ihre optimistische Auffassung, die Frau könne zugleich Arbeitsmensch, Mutter und einnehmendes Weib sein, aller Wahrscheinlichkeit widerspreche. Denn die Fortpflanzung der Gattung verlange, dass alle verheirateten Frauen zwischen 20 und 40 jedes zweite Jahr ein Kind bekommen; die intellektuell-aktive Tätigkeit der Frau schadet ausserdem, meint er mit Möbius, dem gefühlvoll-passiven Zustande bei ihr, der das beste Erdreich für die neue Generation ist; ihre Berufsarbeit wird schliesslich für ihre Macht, zu bezaubern, ebenso gefährlich wie die Mutterschaft. Er hält also den Konflikt zwischen der Frau als Geschlechtswesen, als menschlicher Persönlichkeit und als Schönheitsschöpfung für unlösbar. Der Deutsche Dr. Brehmer und der Finnländer Prof. Pippingsköld haben beide gefunden, dass beim siebenten, oft schon beim fünften Kind die Abnahme der produktiven Kraft der Eltern beginnt, die Empfänglichkeit für Tuberkulose grösser wird usw. So kommen Schlag auf Schlag Schriften für und gegen die Einschränkung der Kinderzahl, je nach den verschiedenen medizinischen, ethischen und nationalökonomischen Gesichtspunkten. Während der eine z. B. Frankreichs baldigen Untergang durch das Zweikindersystem prophezeit, weist der andere auf seinen Reichtum, seine Arbeitskraft und seine geringe Emigration als die glücklichen Folgen dieses Systems hin. Jeder weiss, wie tief diese Frage Frankreich selbst beschäftigt, und Zolas »Fécondité« ist nur eine unter den vielen Schriften, die diese Frage dort hervorgerufen hat. In anderem Sinne, als in dem George Sand die Worte gebrauchte, ist, wie Guyeau sagt, »die Ehe zur Prostitution geworden: indem sie nämlich unfruchtbar ist wie diese«.
Selbst wenn man schliesslich darüber einig wird, dass das Wohl einer Nation nur verlangt, dass die Frauen, die Mütter werden sollen und können, drei bis vier Kinder gebären, so ist damit noch nicht entschieden, ob auf diese Weise die Hebung des Menschengeschlechtes genügend berücksichtigt wird.
Anmerkung: Havelock Ellis hat – als Resultat einer Untersuchung über die geistigen Grössen Grossbritanniens – herausgefunden, dass die meisten dieser grossen Männer aus Familien mit zahlreichen Kindern hervorgegangen sind und dass die Mütter der meisten über vierzig Jahre waren, als sie das Genie unter ihren Kindern zur Welt brachten. Dagegen spricht wieder Prof. Axenfelds Untersuchung, die ergab, dass drei Fünftel aller Genies Erstgeborene waren.
Ausserdem will die befreite Frau von heute nicht drei bis vier Kinder haben, sondern höchstens zwei.
Abgesehen von der – in diesem Falle unbestreitbaren – Gefahr aus dem Gesichtspunkte des Volkes und der möglichen aus dem Gesichtspunkte der Gattung, liegt darin eine grosse Gefahr für die Kinder selbst. Ihre Kindheitsfreude verlangt einen Geschwisterkreis, und wenn möglich auch, dass der Altersunterschied zwischen den Kindern höchstens zwei Jahre betrage. Aber nicht nur ihre Fröhlichkeit, auch ihre Entwicklung hat Vorteil davon. Die Stellung als einziges Kind oder als einziger Sohn, einzige Tochter ruft gewöhnlich in der Kindheit grosse Selbstsucht hervor, in späteren Jahren hingegen oft eine schwere Pflichtenlast, und so in beiden Fällen Gefahren für eine harmonische Entwicklung.
Ein oder zwei Kinder haben eine ärmere und auch gefährlichere Kindheit als solche, die in einem Geschwisterkreise den Wert der gegenseitigen Rücksichtnahme, der geteilten Freuden und Sorgen kennen lernen. So können, ohne die Eigenart zu gefährden, Kanten abgeschliffen und Empfindlichkeiten abgehärtet werden, die sonst im Leben grosse Kraftverluste verursachen würden. Denn ein Kameradenkreis vermag nur unvollkommen die erste Erziehung der Kinderstube zum Gesellschaftsmenschen zu ersetzen.
Ausserdem kann es ja leicht vorkommen, dass Eltern ein einziges Kind oder den einzigen Sohn, die einzige Tochter verlieren.
Vielleicht aus dem Gesichtspunkt der Völker, immer aus dem der Kinder selbst, und meistens aus dem der Eltern muss also das Normale für die Mehrzahl der gesunden sorgenfreien Eltern sein: dass die Anzahl der Kinder zum mindesten nicht weniger beträgt als drei bis vier.
Aber dann muss auch eine Mutter damit rechnen, dass die Kinder ungefähr zehn Jahre ihres Lebens in Anspruch nehmen werden, wenn sie ihnen selbst die Nahrung und Pflege geben will, die sie voll lebenstauglich machen soll. Und in diesen Jahren darf sie sich – wenn ihre Leistung nicht in irgend einer Richtung minderwertig sein soll – weder durch Erwerbsarbeit noch durch andauernde öffentliche Tätigkeit zersplittern. Sie kann in diesen Jahren an ihrer eigenen allseitigen Entwicklung weiter arbeiten; sie kann gelegentlich an gemeinnütziger Arbeit teilnehmen; hie und da Zeit für ihre geistige Produktion finden. Aber jede anhaltende oder anstrengende nach aussen gerichtete Arbeit wird, wenigstens mittelbar, ihre eigene Lebenskraft und die der Kinder verringern und auch ihren Einfluss als Erzieherin.
So entgeht die Mehrzahl der Frauen niemals einem mehrjährigen Konflikt zwischen der Erneuerung des Geschlechtes und ihrer eigenen Selbstbehauptung nach aussen, in welcher Richtung diese sich auch bewegen mag, ebensowenig wie zwischen der den Frauen jetzt immer häufiger auferlegten doppelten Bürde, der Nahrungssorgen und der Mutterschaft.
Wenn zu alledem noch das Bedürfnis der Frau und des Mannes nach Gedankenaustausch mit einander kommt, und schliesslich noch die Führung des Haushalts, dann muss jeder Denkende einsehen, dass die Frau – und mit ihr die Gesellschaft – hier vor einem Entweder – Oder, nicht einem Sowohl – Als auch steht!
Nur dadurch dass die Gesellschaft die Nahrungssorgen jener Frauen auf sich nimmt, die durch gut erfüllte Mutterpflichten den höchsten Gesellschaftswert hervorbringen, kann die Frage der Erwerbsarbeit der verheirateten Frau gelöst werden.
Und nur dadurch, dass die Frauen während der ersten Lebensjahre der Kinder ihre persönliche Schaffenslust für ihre Mutteraufgabe einsetzen, wird das Problem der Selbstbehauptung der Frau zugleich mit ihrer Hingabe an die Geschlechtsaufgabe gelöst.