Der Lebensbaum eines Menschen ist ebensowenig wie der des Waldes nach einem Mass für die Länge der Äste, nach einem Muster für den Zuschnitt der Blätter gemacht. Seine Schönheit beruht auf der Freiheit der Äste, unberechenbare Biegungen zu beschreiben, auf der Lust der Blätter, ihre Formen ins Unendliche zu variieren. Nur wer den Baum nicht nach seinem eigenen inneren Gesetze wachsen lässt, sondern ihn nach dem der Gartenkunst beschneidet, kann sicher vor Überraschungen sein, sicher davor, dass hier ein Zweig unerwartet treibt, dort ein anderer unvermutet welkt. Niemand vermag für die Umwandlungen einzustehen, denen das Leben unser eigenes Wesen unterwerfen kann; für die Erschütterungen, die die Umwandlung im Wesen eines anderen in unserem eigenen Gefühle bewirken können. Man kann die vortrefflichsten Anlagen zur Treue haben, den redlichsten Willen, sich auf seine Liebe zu konzentrieren, sich um sie zusammenzuschliessen, »die Persönlichkeit rings um sie wachsen zu lassen, wie um ihren Kern« – es hängt doch nicht allein von diesem Willen ab, wenn der Kern zusammenschrumpft oder verdirbt.
Darum kann, darf, soll der Wille zur Treue nichts anderes bedeuten als den Willen, den tiefsten Forderungen seiner eigenen Persönlichkeit treu zu sein.
Auf anderen Gebieten als dem der Liebe geben die Menschen das bereitwillig zu. Niemand hält es für eine unabweisliche Pflicht, sogleich in der Jugend die Lebensanschauung oder die Arbeit zu finden, bei denen man dann sein ganzes Leben lang verbleiben kann. Wovor man die Jugend mit Recht warnt, das ist das planlose Umherirren zwischen verschiedenen Meinungen und verschiedenen Bestrebungen. Denn nur der Glaube oder die Arbeit, von denen und für die man ernstlich zu leben sucht, kann wirklich die Kräfte der Persönlichkeit zur Betätigung bringen und so seine Macht zeigen, sie zu steigern. Aber der tiefste Ernst vermag es nicht zu hindern, dass eine fortgesetzte Persönlichkeitsentwicklung den Menschen eines Tages zwingt, diesen Glauben, diese Arbeit aufzugeben. Es wird wohl keinem denkenden Geistlichen in den Sinn kommen, sich einem solchen Menschen gegenüber auf die Konfirmationsgelöbnisse zu berufen, keinem denkenden Vater einfallen, dem Sohne seine Berufswahl in jüngeren Jahren vorzuhalten.
Lebenslängliches Ausharren wurde in den Zeiten gefordert, wo man annahm, dass eine einzige Lehre, eine einzige Zunft das ganze Leben hindurch der persönlichen Entwicklung voll entsprechen könne. Das Verbrechen, davon abzuweichen, wurde damals folgerichtig mit Bann oder Bussen bestraft.
Diese tiefere Auffassung, zu der wir auf dem Gebiete des Glaubens und der Arbeit gelangt sind, muss auch auf dieses dritte Gebiet erstreckt werden. Wir müssen einsehen, dass unbedingte Treue gegen einen Menschen die Persönlichkeit ebenso zerstören kann wie unbedingtes Festhalten an einer Lehre, einem Beruf. Die, welche heut' das asketische Bussgewand mit ein paar Fetzen vom Purpurmantel des Persönlichkeitsbegriffes flicken wollen, verpfuschen beide. Man stelle entweder wie der Katholik die Forderung des Selbstverzichtes rein oder man gebe die Persönlichkeitsforderung voll zu. Unrein wird hingegen das ganze Problem gestellt, wenn man die »persönliche Liebe« zur sittlichen Grundlage der Ehe macht, aber dann so von dieser Liebe spricht, als handelte es sich nur darum, sich leicht und fröhlich zu einem Gesellschaftsspiel zu paaren, bei dem nichts gewöhnlicher ist, als dass jede Frau den rechten Mann findet und gewinnt, jeder Mann die richtige Frau – und damit ist alles in Ordnung! Wäre das Leben so leicht, dann hätte man Grund zu dem Anspruche, der jetzt von so grosser Flachheit ist: nämlich, dass nur der charakterlose Mensch, die haltlose Persönlichkeit ausserstande sei, Liebe für Lebenszeit zu versprechen und das Versprechen auch zu halten.
Anmerkung: Man sehe u. a. Johann von Müllers Buch über die Bestimmung der Frau.
Die Persönlichkeit, der einzig dastehende und eigengeartete Wert, wird wohl durch einen Teil ihres Wesens mit den von der Gesellschaft aufrecht erhaltenen Rechtsnormen verknüpft, aber sie wird doch niemals kongruent mit denselben.
Das einzige, was ein psychologisch Denkender daher verlangen kann, ist, dass die Liebe in keiner Epoche der Entwicklung eines Menschen die Persönlichkeit zersplittere, sondern stets ein wirklicher Ausdruck derselben sei.
Aber nur jemand, der vom Begriffe der Persönlichkeit nichts weiss, kann glauben, dass das Verhältnis, in das ein Mensch mit 20 Jahren sein Gefühl ganz und rein einsetzt, dieser Persönlichkeit, so wie sie sich mit 30 oder 40 Jahren gestaltet, notwendigerweise entsprechen muss! Nur ein solcher Unwissender kann sich weismachen, dass das Schicksal unserer Liebe mit Naturnotwendigkeit unserer hohen Theorie von der Liebe, unserem reinen Willen zur Treue gleichen muss. Wenn schon unser eigener Wille wenig mit der Liebe zu schaffen hat, die wir fühlen, um wieviel weniger dann mit der, die wir empfangen oder verlieren!
Infolgedessen ist die Aufgabe der Treue nicht schon dadurch gelöst, dass man an sich selbst die Forderung der Treue stellt. Denn erstens sind es in der Liebe zwei, die dasselbe wollen müssen. Und zweitens ist jeder dieser beiden vielfältig.
Kein Mensch ist allein Herr seines Schicksals, wenn er es mit dem eines anderen vereint hat. Die Möglichkeit, durch die Liebe eine ganze Persönlichkeit zu werden, hängt zur Hälfte von dem ganzen und reinen Willen des anderen ab, seinerseits das Zusammenleben zu vertiefen.
Das vergessen die, welche so beredt »von der Treue als Ausdruck der Persönlichkeit« predigen. Und das macht ihre Behauptung von der Pflicht der lebenslänglichen Liebe ebenso sinnlos, als wollte man von der Pflicht der lebenslänglichen Gesundheit sprechen!
Es ist ein schönes Bild, wenn zwei Liebende den ganzen Lebenstag »der schweren Tränen Trauertrunk, der Feste Jubel« zusammen geniessen.
Es ist auch ein schöner Anblick, wenn das Leben gleich einer klaren Sonne am Horizonte versinkt, nicht gleich einem müden Flusse im Sande verebbt.
Aber schöne Schicksale sind Glücksschicksale, nicht Pflichtgebote.
Die Liebe, wie die Gesundheit, kann freilich vernachlässigt oder gepflegt werden, und durch gute Pflege lässt sich sowohl die mittlere Lebensdauer des Menschen wie die seiner Liebe erhöhen.
Aber die letzten Ursachen des Entstehens der Liebe und ihres Sterbens sind ebenso geheimnisvoll, wie die des Ursprungs und Untergangs des Lebens. Ein Mensch kann daher ebensowenig versprechen, zu lieben oder nicht zu lieben, wie er versprechen kann, alt zu werden. Was er versprechen kann, ist, sein Leben und seine Liebe wohl zu hüten.
Dieses letztere geschieht, wie schon oben dargelegt wurde, durch den bewussten Willen zur Treue, durch den festen Entschluss, die Liebe zu einem grossen Erlebnis zu machen.
Aber die Mehrzahl dürfte wohl bewusst noch wenig tun, um ihr Glück zu bewahren. Das Leben arbeitet in diesem Falle für sie, sowie Gott es seinen Dienern im Schlafe gibt.
Wenn je die Lehre von der Bedeutung des unendlich Kleinen zur Anwendung kommen kann, so ist es in bezug auf die Macht, zu vereinen oder zu trennen, die die Kleinigkeiten des Alltagslebens in der Ehe besitzen.
Es ist wahr, dass »die Ehe zwei psychisch-physisch neue Wesen schafft« (Ch. Albert). Sowie dies sie in einem Falle zur äussersten Grenze der Entwicklungsmöglichkeiten in aufsteigender Richtung führen kann, kann es sie im anderen an die Grenze des Untergangs und darüber hinaus bringen. Die letztere Möglichkeit kommt als allgemeine Wahrheit in all den Tragödien – und Tragikomödien – des »Liebeshasses« zum Ausdruck, die Strindberg der Gegenwart geschenkt hat.
Er hat all seine Stärke an die Bilder des Zusammenlebens verschwendet, das »die Eheleute lehrt, ineinander zu lesen«, gegenseitig ihre Gedanken und Absichten zu verurteilen, und ihnen so eine satanische Macht gibt, zu verwunden und »Verdienste in Fehler zu verwandeln«. Mit einem Worte, einander zu demaskieren, wird nach Strindberg der böse Wille der Ehegatten: also der Gegensatz zu Dehmels Überzeugung von ihrer glückbringenden Macht, einander von der Maske zu befreien!
Aber Strindbergs Ehetragödien weisen doch in einer Hinsicht in die rechte Richtung, nämlich, dass die sensitiveren und anspruchsvolleren Menschen der Gegenwart die jetzigen Formen der lebenslänglichen Ehe nicht mehr ertragen. Denn wenn man selbst zugibt, dass »das Leben Rücksicht und Nachgiebigkeit verlangt«, muss, meint er, der Mensch zur Furie werden, »wenn er mit Unterdrückung seiner inbrünstigsten Wünsche in einer Luft des Widerspruchs lebt«.
Dass geteilte Mühen und Erinnerungen, Freuden und Sorgen auch ohne die Fortdauer der Liebe Menschen miteinander verbinden; dass sie sich im tieferen Sinne des Wortes nicht trennen können, weil ein grosses Stück des Wesens des einen immer in dem des anderen bleibt – dies bildet das in Wahrheit bindende Band, aber nicht die klaren oder unklaren, festen oder freien Pflichtbegriffe, und es ist die Stärke von Geijerstams Eheschilderungen, dies zu zeigen. Wenn das eine Mal ein Zusammenleben die Gefühle beider in dem Grade ausgedorrt hat, dass ein Windstoss sie auseinanderwirbelt wie zwei welke Blätter, so kann es hingegen ein anderes Mal den Gefühlen so tiefe Wurzeln gegeben haben, dass wenn auch alle Blätter, die der Frühling schenkte, fortgerissen sind, wenn auch das Zusammenleben kalt und kahl erscheint wie winterlich nackte Zweige – es doch auf jeden Fall bestehen bleibt.
Weder Gesetze noch Pflichtbegriffe, noch Theorien sind im letzten und innersten Grunde das Zusammenhaltende, sondern nur das geheimnisvolle Zusammenwachsen der Wesen in dem Leben, das sie gemeinsam haben; das sie, ihnen selbst unmerklich, einander anpasst, so dass sie in tieferem Sinne als dem des Bibelwortes wirklich ein Fleisch werden.
Es ist eine physiologische und psychologische Tatsache, dass der Mann oder die Frau, die dem andern zum ersten Male die Lust der Sinne mitteilt, eine Macht über diesen erhalten kann, die niemals ganz aufhört. Man sagt sogar, dass die Frau noch lange nach dem Tode des Gatten einem anderen Manne Kinder gebären kann, die dem ersten gleichen. Da der erwähnte Einfluss bei der Frau ausgesprochener ist, ist ihre Treue auch aus diesem Grunde naturnotwendiger geworden als die des Mannes – obgleich dasselbe, wenn auch in schwächerem Grade, auch von ihm gilt. Selbst wenn keinerlei Gewissensbisse über das Leiden anderer sich in ein neues Glück mischen, so werden doch die beiden, die bei einander ihre Vergangenheit zu vergessen suchen, in mancher anderen Hinsicht vielleicht für immer einen Dritten zwischen sich finden.
Die Ehe hat mit einem Worte so sichere Bundesverwandte in den psychisch-physischen Lebensbedingungen des Menschen, dass man nicht zu befürchten braucht, dass die Freiheit der Scheidung gleichbedeutend mit Polygamie sein wird. Was diese Freiheit aufheben würde, wäre nur die Sklaverei auf Lebenszeit.
Jedem Denkenden ist es sonnenklar, dass echte geschlechtliche Sittlichkeit ohne frühe Ehen beinahe unmöglich ist. Denn die Jugend nur auf die Enthaltsamkeit als wirkliche Lösung des Problems zu verweisen, ist – wie schon früher dargelegt – ein Verbrechen an der Jugend und der Menschheit, ein Verbrechen, das die Urkraft der Natur, das Feuer des Lebens zu einem Erdbrand macht.
Aber die Folge der frühen Ehen muss die freie Scheidung sein.
Schon wenn man an die Aussenseite des Eheproblems herantritt, macht man die Erfahrung, dass R. L. Stevenson das Richtige getroffen haben dürfte, wenn er die meisten Ehen »eine Art von der Polizei anerkannte Freundschaft« nennt und die »Neigung«, die sie herbeiführt, mit der lebhaften Lust vergleicht, die man zuweilen für irgend eine bestimmte Frucht in einer Schale, die herumgereicht wird, empfindet!
Aber die Ursache, warum so viele Ehen aus so lauen Gefühlen geschlossen werden, dürfte wenigstens in den höheren Klassen die sein, die ein junger Schwede angab, als er bemerkte: er kenne fast keinen Mann, der seine grosse Liebe geheiratet habe. Denn wenn er diese erlebt, kann er nicht heiraten; wenn er es zwischen dreissig und vierzig kann, muss er meistens mit geringeren Gefühlen vorliebnehmen.
Aber selbst wenn man einmal dahin gelangt, dass die frühen Liebesehen die Regel werden, so steht man auch bei diesen bis auf weiteres noch vor der Ordnung, die noch in den oberen Klassen herrscht: dass die Ehe die Liebenden bindet, ehe noch die Liebe sich erfüllt hat. Es liegt darum eine beachtenswerte Wahrheit in den Worten der Brüder Margueritte bei ihrer Verteidigung der freien Scheidung: da das junge Mädchen das nicht erlebt hat, wozu sie sich bei der Trauung verpflichtet, beginnen die meisten Scheidungen schon in der Hochzeitsnacht.
Freie Scheidung ist darum eine unbedingte Forderung jener jungen Menschen, die wissen, dass auf dem Gebiete der Seele wie der Sinne unberechenbare Umwandlungen sich vollziehen können, und die infolgedessen jetzt oft in dem geheimen Besitzrecht der Liebe Schutz vor einer Übereilung suchen, die das gesetzliche Eheband unwiderruflich machen kann.
Wenn irgend jemand, so fühlt es die Jugend, dass keine Form der Liebe schöner ist, als wenn zwei junge Menschen einander so früh finden, dass sie gar nicht wissen, wann ihr Gefühl entstanden ist, und sich dann durch alle Schicksale folgen, ja zuweilen in den Tod – denn manchmal gönnt das Leben den Menschen ein solches Übermass an Glück. Es gibt keine grössere Möglichkeit für das Glück des einzelnen wie des neuen Geschlechtes, als eine Liebe, in der beide sich in dem Alter begegnen, wo sie in gemeinsamer Entwicklung zusammenwachsen können; wo beide alle Erinnerungen der Jugend und alle Ziele der Zukunft gemein haben; wo niemals der Schatten eines Dritten über den Lebensweg eines von ihnen fiel und ihre Kinder ihrerseits dann von der grossen Liebe träumen, die sie von den Eltern ausstrahlen sahen.
Wäre diese wunderbare Liebe wirklich die erste und einzige, die jedem jungen Manne oder Mädchen begegnete, und wäre es allen möglich, sie zur rechten Zeit zu verwirklichen – dann gäbe es weder eine Sittlichkeits- noch eine Scheidungsfrage!
Aber die Jugend von heute weiss, dass diese Liebe nicht allen zuteil wird. Sie hat aus der Literatur, aus dem Leben, aus ihrer eigenen Seele so viel von den Wandlungen der Liebe gelernt, dass man sich versucht fühlt, dieser Jugend den romantischen Glauben ihrer Väter und Mütter an die Ewigkeit einer Liebe zu wünschen, die – ebenso leicht erlosch wie die von heute! Der Unterschied ist nur der, dass man, wo man sich früher mit verkohlter Glut begnügte, jetzt noch immer Feuer haben will.
Die Gegenwart weiss, dass, wenn auch die Jugendliebe die sicherste Grundlage der Ehe sein kann, sie häufiger das Gegenteil ist. Hier ist, wenn je, ein Tummelplatz des Zufalls. Der Mann, mit dem man aufgewachsen ist; das junge Mädchen oder der Jüngling, mit dem man zusammenkommt, wenn gerade das erotische Leben erwacht; der Mann, vor dem man befangen war, von dem man hörte, er sei »in einen verliebt«; der, mit dem man zusammentrifft, wenn das Liebesglück anderer die Luft mit Sehnsucht erfüllt – diese und ähnliche Zufälligkeiten, aber keine persönliche Wahl, entscheiden oft die Jugendliebe.
Dann beginnt die Phantasie ihre schaffende Tätigkeit, um die Wirklichkeit nach dem Idealbild umzuformen, das man sich – auch dies oft durch einen zufälligen Einfluss – geschaffen hat! Es ist darum nicht zu verwundern, dass die meisten, wenn sie nach zehn Jahren den Gegenstand ihrer ersten Liebe wiedersehen, einen dankbaren Stossseufzer zum Schicksal emporschicken, das diese Liebe »unglücklich« machte!
Wenn sie dies nicht im gewöhnlichen Sinne des Wortes wurde, ist dies für einen von beiden oft viel trauriger. Und gerade die Jugend, die ohne Zögern ihre Liebe im Glauben an ihre Beständigkeit verwirklicht, wird durch die Zwangsehe oft ein Opfer ihres reinen Willens, ihres frischen Mutes, ihres glühenden Idealismus.
Denn je jünger ein Mensch im reichsten Sinne des Wortes ist, desto gewisser hat er die Dichtergabe, die die Wirklichkeit nach dem Traume umwandelt. Die feine Kurve eines Lippenpaars erneut das Wunder des Märchens: jede Kröte, die darüber gleitet, verwandelt sich in eine Rose. Mag auch eine unklare Ahnung erwachen, wenn jeder ernste Gedanke, jedes innige Gefühl schweigender Leere oder leerer Redseligkeit begegnet, so überzeugt doch die Phantasie leicht den Instinkt, dass das Schweigen »Inhaltsreichtum« oder die Rede »Unmittelbarkeit« verrät. In jedem Alter, aber namentlich in diesem, ist die Liebe ein grosser Aberglaube. Sicher wie Schlafwandler in Lebensgefahr stürzen sich diese Anbetungswürdigen in die Entscheidung. Und diesen Wagemut der Unschuld belegt der jetzige Sittlichkeitsbegriff mit lebenslänglichen Strafen. Die Vorsichtigen finden hingegen oft mit der Zeit die grossen Werte – dank ihrem eigenen geringeren Wert!
Es trifft mehr in einem Menschenleben ein als die Hochzeit und schliesslich der Tod. Vieles kann sich in einer Menschenseele zwischen der Hochzeit und dem Tode begeben. Die gangbare Annahme, dass alles, was einen Gatten vom anderen entfernt, das Böse ist, was überwunden werden muss, alles, was sie aneinander bindet, das Gute, was gefördert werden muss – gehört zu jener das Leben vereinfachenden Weisheit, die wohlfeil und darum am meisten im Schwange ist.
Denn eine höhere Weisheit bedingt einen höheren Preis.
Nichts ist, besonders bei der Frau, die erst durch die Ehe die Erotik erlebt, häufiger, als dass sie die Liebe geliebt hat, nicht den Mann. Oft erfährt sie, was eine junge Schriftstellerin kürzlich geschildert hat: dass, wenn die Ehe den roten Nebel zerteilt hat, wenn die Unruhe des Blutes gestillt ist, sie mit frierender und dürstender Seele vor einem Mann steht, mit dem keine einzige Fiber der Sympathie sie verbindet.
Anmerkung: Man sehe Grete Meisel-Hess: »Fanny Roth« – wo gefordert wird, dass die Frau die Ehe versucht haben soll, ehe sie davon gebunden wird.
Aber häufiger als durch ihre Sinne wird die Frau durch den Morgentau der Gefühlsinnigkeit betrogen, den Jugend und Liebe auch über die trockensten männlichen Seelen zu breiten vermögen, ein Tau, der mit dem Morgen verschwindet. Ein anderer Sinnentrug, der in diesen Zeiten des Verkehrs viele erotische Irrtümer verursacht, ist die Eigenart einer fremden Nationalität, die als persönliche Originalität wirkt – bis sie sich allgemach als nur eine andere Art von Alltäglichkeit entpuppt als die, an welche man gewöhnt war.
In anderen Fällen wieder ist der Mann alles, was sie in ihm sah. Aber die junge Frau macht in der ersten Hälfte der Zwanzig selbst oft eine so durchgreifende Umgestaltung der Denk- und Fühlweise durch, dass sie nach einigen Jahren der Ehe die Empfindung hat, vor einem ihr vollständig fremden Manne zu stehen.
Dieser Zeit der Trugbilder in der ersten Jugend entspricht eine andere am Ende der Jugend. Hat eine Frau bis dahin die Liebe nicht erlebt, dann ist dies der psychologische Augenblick, in dem fast jede Illusion möglich wird. Da hat eine nun allseitige Liebesforderung, die Sehnsucht eines gereiften Frauenwesens zahllose Male ein herrliches Weib dahin gebracht, ihre Perlen – nicht gerade buchstäblich nach dem biblischen Bilde – aber doch wenigstens in eine Leere zu werfen, wo sie sicherlich ebensowenig geschätzt werden.
Für die Männer gibt es andere oder entsprechende Möglichkeiten dafür, dass die frühe Ehe auf Selbstbetrug gegründet wird.
Aber selbst wenn die Liebe wirklich und wohlbegründet war, so entstehen aus dem oben dargelegten Zauber der Gegensätze noch zahllose Anlässe zu unheilbarer Disharmonie.
So gibt es Naturen, so einfach, dass sie gleichsam lahm, so unzusammengesetzt, dass sie einfältig, so einheitlich, dass sie schwerfällig wirken. Diese sind es, die gewöhnlich ein für allemal lieben, mit vollkommener Hingebung. Aber besonders wenn es Frauen sind, gilt von ihnen oft Goethes Wort: dass es das grösste Unglück für eine Frau ist, nicht liebenswürdig zu sein, wenn sie liebt. Erst die volle Sicherheit gibt diesen Naturen jene Ruhe des Gleichgewichts, jene Freimütigkeit des Selbstvertrauens, die »das innere Lächeln des Glücks« hervorruft, durch das auch sie einnehmend werden. Aber diese Wesen, von allen des Glückes am meisten wert, kommen meistens mit einem beständig in Seelenwandlungen auf- und niederwogenden Stimmungsmenschen zusammen, der äusserst sensitiv auf jeden Eindruck reagiert, aber niemals tief lieben kann und darum bald die Einheitlichkeit und den Ernst auf Leben und Tod, der ihn zuerst durch seine Gegensätzlichkeit bezauberte, nicht zu ertragen vermag.
Solche Menschen sind oft Dichter, Künstler, Denker, die von der Liebe nur immerwährende Anregungen wollen. Für sie bedeutet lieben »am Morgen mit neuen Worten auf den Lippen erwachen«, und ihre erotischen Schicksale haben daher eine Rotationsgeschwindigkeit, die mit der der Monde um den Mars vergleichbar ist. Sowie für manche Naturen eine im Anfang leichtsinnige Verbindung von Lebensdauer werden kann, durch die Tiefe des Gefühls zusammengehalten, wird hingegen für diese Art Naturen – infolge der Oberflächlichkeit ihres Gefühls – keine Verbindung ernst.
Nicht selten sind gerade die, welche ihre seelenvollen Stimmungen, ihre auserlesenen Gefühle am feinsten schildern, in den Handlungen ihrer Liebe kleinlich, selbstsüchtig oder rücksichtslos hart. Denn die Vorratskammer der Intelligenz an Kultureindrücken bestimmt ihr bewusstes und sprechendes Wesen: ihr unbewusstes Ich wird hingegen beim Handeln entscheidend. Und dieses letztere Ich steht oft um Jahrhunderte hinter ihrem kulturellen zurück! Der im Reden Knappe und Herbe oder im Wesen Dürftige und Linkische kann hingegen oft im Innersten eine Feinheit besitzen, die er nur im Handeln zu zeigen vermag, wie die anderen nur in Worten. Aber in unserer Zeit sind leider die Gelegenheiten zum Reden zahlreich, die zum Handeln selten – und so gehen die Frauen an den letzteren vorbei zu den ersteren. Wie manche Frau hat sich nicht später – vor einer der Handlungen des Redenden – gefragt, wie es möglich war, dass sie je diesen Mann lieben konnte? Wie manche hat nicht vor den Handlungen des Schweigenden geseufzt: wie schade, dass ich ihn nicht zu lieben vermochte!
Aber in dem einen wie im anderen Falle wurde sie – durch das Gesetz der Gegensätze – mit ihm vereint und fühlt in dieser Vereinigung die besten Möglichkeiten ihres Wesens sterben oder hinsiechen!
Die am meisten irreleitenden Illusionen sind jedoch diejenigen, welche durch die Handlungen genährt werden, die die Liebe hervorruft. Denn nicht diese bestimmen den Gehalt einer Persönlichkeit. Solange die Liebe um ihr Glück kämpft, kann sie nämlich einen gewöhnlichen Menschen in etwas Höheres als er sonst ist umwandeln, ebenso wie auch in etwas Niedrigeres. Wenn die Spannung aufgehört hat, zeigt es sich, dass die Liebe im ersteren Falle – besonders beim Manne, es vermochte
to unmake him from a common man
But not complete him to an uncommon one ...
Es war kein organisches Wachstum der Persönlichkeit, sondern nur eine Überanstrengung, hervorgerufen durch die Liebe.
Aber diejenige, welche ihn geliebt hat, wird sich dann die Augen nach dem aussehen, was sie einstmals sah!
Die solche in dem einen oder anderen Sinn Unzulängliche geliebt haben, lernen durch sie die am teuersten erkaufte Wahrheit der Menschenkenntnis, eine Wahrheit, von der das Herz sich so lange als möglich abwendet: dass, wenn wir auch für einen Menschen unser eigenes Blut in Strömen vergiessen – wir doch ihm selbst dadurch nicht einen Tropfen reicheres oder edleres Blut geben können als das, welches durch sein eigenes Herz fliesst!
Dieses Geheimnis lernte so mancher in jenen Ehen, wo die sichere Freundschaft, die treue Kameradschaftlichkeit vollauf vorhanden war, also gerade jene Gefühle, die als das unfehlbare Mittel gegen die Irrtümer der Liebe anempfohlen werden!
Denn wie oft fand nicht einer von diesen, für und miteinander tätigen Gatten, dass sie einander niemals in geistige Tätigkeit versetzen, dass die Seele des einen niemals das Innerste des anderen erreichte? Aussenstehende finden, dass sie zueinander passen wie »die Hand zum Handschuh«. Das Bild ist bezeichnend, denn der Handschuh ist leer und zwecklos, wenn er nicht eine Hand umschliesst. Aber wie Hand zu Hand passen sie nicht! Und darum geschieht es nicht selten, dass die eine eines Tages von der leidenschaftlichen Sehnsucht gepackt wird, eine andere Hand zu finden, die sich stark und still in die ihre legt und so ihre Kraft verdoppelt; dass die Stimme, die stets in eine Leere hinausgesprochen – aus der unfehlbar ein treues Echo kam – schliesslich vor Sehnsucht verstummt, von einer anderen Stimme Antwort zu empfangen, von einer tiefen, dunklen, die niemals gehörte Worte spricht!
In nicht wenigen Ehen findet man Männer, die über die Frau so feine Gedanken gedacht, so holde Träume von ihr geträumt haben, dass sie ihre Sinne nur durch ihre Seele gewinnen wollten und es verschmähten, ihr etwas anderes zu bieten als ihr Bestes, den reichsten Inhalt ihrer Persönlichkeit. Aber ein solcher Mann bekam vielleicht eine Frau, die nur den Erwerb versteht und nur Verliebtheit will. Wenn er alle Herrlichkeiten seiner Seele ausbreitet, ahnt sie nicht einmal, wann eine Stimmung auf ihrer Höhe ist; für sie kann die Stille niemals beredt sein; sie vermag nicht auf den Gedanken eines anderen zu warten; sie kann das Schwerfassbare nicht ertragen und wird stets dem Seltenen mit mürrischem Unverständnis oder heiterer Überlegenheit begegnen.
Unter seinen plastischen Werken aus der Tragödie des Weibes und des Mannes hat der grosse norwegische Bildhauer Gustav Vigeland besonders in einem eine Stärke des Ausdrucks erreicht, die durch ihre Schlichtheit unheimlich wirkt: ein Mann und ein Weib, einander so nahe, dass die Schulter des einen die des anderen berührt. Aber Antlitz und Blicke eines jeden nach entgegengesetzten Seiten gerichtet: wie die beiden Glieder eines Winkelmasses sind sie im Ausgangspunkt vereint – aber die Linien, die von diesem fortführen, müssen zum Schluss in die Unendlichkeit divergieren!
Die Entfernung begann sich vielleicht zwischen ihnen aufzutun, als der eine die Abwesenheit des anderen empfand, während er selbst ganz gegenwärtig war. Oder als der eine die Körper zwischen den Seelen stehen fühlte, der andere die Seelen zwischen den Körpern. Oder als der eine unter der geistigen oder sinnlichen Übermacht des anderen Unfreiheit empfand. Oder als der eine merkte, dass er nie sein innerstes Wesen enthüllen konnte, ohne dass dies verstimmend auf den anderen wirkte. So können zwei Schuldlose einander im selben Bette und am selben Tische tief einsam machen. Keiner empfängt von dem anderen das, was seine innerste Natur braucht – und was der eine gibt, wird für die Natur des anderen nur ein Zwang. Nicht ein Ton in der Seele des einen ist zu Zusammenklang mit der des anderen gestimmt; nicht eine Regung im Blute des einen vermag das des anderen in Wallung zu versetzen. Bald sind es unleidliche Verschiedenheiten, bald unleidliche Ähnlichkeiten, die die Qual hervorrufen; jeder findet bei dem anderen »alle Tugenden, die er verabscheut, aber keinen einzigen der Fehler, die er liebt«. Dabei kann vollständiger äusserer Friede herrschen, ja in gewissem Sinne Achtung und Zuneigung. Dass dies das Schicksal zahlloser Ehen ist, übersieht man im allgemeinen, weil die Ehe gewöhnlich fortgeführt wird – falls nicht ein Dritter kommt! Gerade weil kein Dritter kommt, ist Karl Larsens Doppelbuch »Warum aber siehst du den Splitter?« eine typische Schilderung einer unglücklichen Ehe ohne äussere Geschichte. Jeder der Gatten erzählt seine Erfahrung, und beide sagen die Wahrheit, soweit sie sie sehen. Keiner weiss vom andern irgendwelche niedrige Züge zu erzählen; beide sind brave Menschen ohne böse Neigungen, nur mit gewissen leeren Räumen. Jeder steht hoch genug über dem Durchschnitt, um den anderen nicht mit den lächerlichen Torheiten des Alltagsmenschen zu quälen; keiner zerreisst das Leben durch die Leidenschaften der Ausnahmenatur. In innerer Beziehung sind sie anfangs von denselben Anschauungen und Interessen bestimmt; in äusserer gehören sie derselben Sphäre an. Keine das Innere plötzlich offenbarenden oder das Äussere plötzlich umwandelnden Ereignisse stossen hinzu: alles fällt in den Umkreis der guten Menschen, der bevorzugten Schicksale.
Aber diese Menschen, die in der Jugend mit gegenseitiger Liebe und dem guten Willen, sie zu bewahren, beginnen, enden doch mit der Gewissheit, in zwei getrennten Welten zu leben.
Anmerkung: Es gibt mehrere Berührungspunkte zwischen Karl Larsens Buch und der mit Recht berühmten Novelle »Marie-Elisa« der deutschen Schriftstellerin Emmy von Egidy. In der letzteren findet man ebensowenig äussere Konflikte oder Fehler: nur eine, wie es scheint, ebenso ausgesprochene Unvereinbarkeit zwischen den beiden Gatten. Aber hier hat die junge Frau das, was ihr in Karl Larsens Buch fehlt, das Genie zur Liebe und die mit dem Genie Hand in Hand gehende Schaffenskraft. Da ist sie, was der Mann in Karl Larsens Buch von seiner Braut erhoffte: die neue Frau, die Frau, in der die Kultur Gedankenleben, Herzensleben, Sinnesleben vertieft und verfeinert hat, ohne sie zu schwächen. Und darum sehen wir in »Marie-Elisa«, wie die Gestalten der jungen Menschen, die sich zuerst von dem Grau eines trüben Frühlingsmorgens abzeichnen, schliesslich vom Lichte eines sonnigen Sommermorgens umflossen dastehen, während in Karl Larsens Buch triste Novembernebel das schon alternde Paar einhüllen.
Für die Begriffe der Kirche befreite die Ungeeignetheit des einen Teiles zur Ehe den anderen von der Pflicht der Treue. Für die seelenvollere Anschauung der Zukunft wird es ebenso selbstverständlich sein, dass die Menschen dasselbe Recht haben, die Ehe, die im geistigen Sinn unvollzogen ist, aufzulösen. Und es kann ebenso viele Möglichkeiten des Unvermögens, die geistigen Anforderungen der Ehe zu erfüllen, geben, als es Menschen gibt; folglich auch ebenso viele Scheidungsgründe. Es ist nicht mehr genug, dass man – nach Kierkegaards Ausdruck – »das Allgemeine realisieren« kann, seit die Menschen einsehen, dass Liebe im physischen wie im psychischen Sinne das im höchsten Grade Individuelle bedeutet!
Im Vorhergehenden wurden nur gewisse typische Unglücksschicksale angedeutet. Die vielen tragischen Ausnahmeschicksale werden hier ganz unberücksichtigt gelassen. Ebenso jene Ursachen der Scheidung, die die Monogamieprediger als wirkliches Unglück ansehen: Trunksucht, körperliche Misshandlung u. dgl. Denn mit dem gewöhnlichen Realismus des »Idealismus« geben sie zu, dass dies gültige Motive für eine Trennung sind. Die Qualen, die eine Seele leidet, können ihrer Ansicht nach mit Gottes Beistand ertragen werden, während er leider nicht dazwischenzutreten pflegt, wenn – Männer ihre Frauen prügeln! Und je länger eine Seele gelitten hat, desto überzeugter sind sie, dass sie auch fortfahren kann zu leiden.
Sie sehen auch nicht ein, dass ein Verhältnis gut erschienen – ja, vielleicht sogar gewesen sein kann – bis nach Jahrzehnten eine Stunde gekommen ist, die die Seele des einen nackt dastehen liess, zuweilen in ihrer ganzen Hoheit, häufiger in ihrer ganzen Erbärmlichkeit. War das letztere der Fall, dann wird das früher Mögliche von diesem Augenblick an das Undenkbare.
Ein Künstler kann im Masse von Sekunden das offenbaren, wonach die Worte schwerfällig tappen.
Eine solche Offenbarung gibt Agnes Sorma als »Nora« im letzten Akt. Zuerst dem Manne mit grossen, wilden, nichts sehenden Augen lauschend, mit halboffenem, ausdruckslosem, beinahe dummem Mund; dann mit voll sehenden, ja weit wachen Blicken, die aus ihrem Dunkel Funken der Verachtung sprühen, während die Lippen vor Ekel zittern; schliesslich mit Augen, die nach innen blicken, schwarz und tot wie Quellen nach dem Sonnenuntergang, die Lippen erstarrt in der Kälte des Unwiderruflichen. Wer sie so gesehen hat, weiss mit unerschütterlicher Gewissheit: so haben Tausende von Frauen vor der Wirklichkeit gestanden, in einem jener Augenblicke, die unwiderruflicher scheiden als der Tod. Aber sie haben nicht gehen können – und überall im Leben begegnet man dann diesen geschiedenen Frauen an der Seite ihrer Männer! Noch häufiger lebt ein seelenvoller Mann oder eine seelenvolle Frau neben einer Frau oder einem Manne von so fehlerloser Vortrefflichkeit, dass sie das Heim mit Eisnadeln erfüllt. Eines Tages stürzt der Mann oder die Frau fort, weil die Luft so dünn geworden ist, dass man darin nicht atmen konnte. Die allgemeine Meinung bedauert – den vortrefflichen Mann oder die vortreffliche Frau!
Dass die Seele vor einem Entweder-Oder auf Tod und Leben stehen kann, will man mit einem Worte nicht zugeben. Die Seele ist »ein Geist«, ein »unsichtbares und unvergängliches Wesen«! Dass ihre Lebensbedingungen ebenso wechselvoll und zusammengesetzt sind wie die des Organismus, will dieser »Idealismus« nicht verstehen: Mit Gottes Hilfe kann jeder seine Seele erlösen. Aber diese Hilfe ist in dieser Art Not ebenso unsicher, wie in Seenot – und auch in diesem Falle findet man, wie Nietzsche sagt, nicht die Votivtafeln der Gescheiterten, sondern nur die der Geretteten in den Tempeln.