Kein Verhältnis zeigt besser als die Ehe, wie Sitten und Gefühle den Gesetzen, in deren Hut sie sich ausgebildet haben, um Jahrhunderte voraneilen können.

Viele Männer zeigen ihren Frauen gegenüber ein Feingefühl, sie geben ihnen eine Handlungsfreiheit, die es diesen glücklichen Gattinnen gar nicht zum Bewusstsein kommen lässt, dass sie dieselbe – rechtlich gesehen – nur von Gnaden des Mannes geniessen. Erst wenn die Verhältnisse nicht glücklich sind, empfindet die Frau, dass die ganze gesetzliche Macht in die Hand des Mannes gelegt ist, der folglich die Unterstützung des Gesetzes hat, wenn er diese Macht allein gebrauchen will, mit Ausschliessung der Frau, oder wenn er sie missbrauchen will, sogar zu ihrem und der Kinder Schaden.

Dass die Ehemänner trotz dieser Verhältnisse sich so oft freiwillig ihren Frauen hinsichtlich der Autorität im Hause und den Kindern gegenüber gleichstellen, ist der beste Beweis für die Macht der Gefühle, wesentliche Werte zu schützen! Und dass die Männer trotz dieser Ehegesetze immer rücksichtsvoller geworden sind, gereicht ihnen ebenso sehr zur Ehre, wie es fürstlichen Personen zur Ehre gereicht, wenn es ihnen – trotz aller Hindernisse – gelingt, Menschen zu werden! Sowie diese grössere Entschuldigungen als andere haben, wenn sie ihre Stellung missbrauchen, so gilt das gleiche von dem Ehemann, der sehr zartfühlend sein muss, wenn nicht ein Ich will das Schlussargument bei einer Meinungsverschiedenheit zwischen ihm und seiner Frau sein soll. Denn nicht einmal die zärtlichste Liebe kann das Herrschergefühl hindern, dem hartnäckigen Widerstande gegenüber aufzulodern.

Für die meisten Männer – und um so mehr, je tiefer sie im übrigen stehen – bildet jedoch das jetzige Ehegesetz noch immer das grosse Hindernis für die Entwicklung zu höherer Menschlichkeit. Frau und Kinder in seiner Gewalt zu haben, das macht den Schlechten zum Henker, den niedrig Gesinnten zum Schuft. Es liegt keine Übertreibung in Stuart Mills Worten: so lange die Familie auf Gesetzen aufgebaut ist, die den primitivsten Grundsätzen gesellschaftlichen Lebens widerstreiten, begünstigt das Gesetz das, was man durch die Erziehung und die Zivilisation auf anderen Gebieten bekämpft, nämlich das Recht der Stärke an Stelle des Rechts der Persönlichkeit. Überall – in der Moral wie in der Politik – macht man geltend, dass nicht das, was ein Mensch dadurch wurde, dass er in einem gewissen Stande oder Geschlechte geboren ist, über die Achtung, die er geniessen soll, entscheidet, sondern einzig und allein sein persönlicher Wert; dass nur sein Betragen und seine Verdienste der Ursprung seiner Macht und Autorität sein können. Aber die Ehe stellt diesen ganzen staatsrechtlichen Grundsatz auf den Kopf, und darum bleibt die gesellschaftliche Anwendung des Persönlichkeitsprinzips vorderhand nur auf der Oberfläche.

Anmerkung: Man sehe J. S. Mill: »Subjection of Women«.

Dass das Gesetz noch immer festhält, was die Wirklichkeit umzuwandeln begonnen hat, ist, wie gesagt, dort von verhältnismässig geringer Bedeutung, wo das Gesetz – im schönen Sinne des Wortes – ein toter Buchstabe ist. Aber die unmittelbare Gefahr für den Einzelnen und die mittelbare für die Gesellschaft wird um so grösser, je schlechter der Machthaber ist, der kein Gegengewicht hat, je weniger ideal das Zusammenleben, in dem diese Autorität entscheidend wird. Und auch wo das Verhältnis gut ist, empfindet die moderne Frau die Oberhoheit des Mannes um so schmerzlicher, je mehr sie sich bewusst wird, dass sie nur durch volle Gleichstellung ein inhaltreiches Zusammenwirken mit dem Manne nach allen Richtungen erreichen kann.

Diese tiefe Qual, welche der modernen Frau ihre Abhängigkeit bereitet, ist unter anderem die Ursache, dass viele Frauen, selbst wenn sie es nicht nötig haben, wünschen, auch nach der Ehe weiter selbst zu erwerben.

Der Arbeitsmarkt ist diesem ihrem Wunsche bisher günstig gewesen. Allein es kann nur eine Frage der Zeit sein, wann es den ledigen Frauen gelingen wird, die verheirateten – durch die für die ersteren günstigeren Konkurrenzbedingungen – hinauszudrängen, seitdem die Gesetzgebung anfängt, in die jetzigen Missverhältnisse einzugreifen, unter denen die Ehefrauen die Löhne der Männer, die Kinder die der Eltern drücken und die Folge die ist, dass die Häuslichkeiten verwahrlost werden und die Kinder physisch und moralisch entarten.

Anmerkung: Professor Liszt sagt über die Zunahme der jugendlichen Verbrecher ungefähr Folgendes: Unsere Zeit hat nicht mehr geborene Verbrecher oder durch äussere Einflüsse in ihrem Denken geschwächte Menschen. Aber die beklagenswerten Opfer schlechter oder gar keiner Erziehung nehmen zu. Denn heute wie allezeit ist das Verbrechertum der Jugend wesentlich ein Produkt der herrschenden Gesellschaftsordnung und der sozialen Erwerbsverhältnisse der Eltern.

Aber wenn die Arbeit der verheirateten Frauen durch gesetzlichen »Mutterschutz« eingeschränkt ist – besonders wenn dieser den Umfang erhält, wie hier oben vorgeschlagen – und wenn überdies Verheiratete wie Unverheiratete durch Festsetzung von Minimallöhnen, den achtstündigen Arbeitstag, das Verbot der Nachtarbeit sowie der Arbeit in gewissen gesundheitgefährlichen Betrieben geschützt sind, dann werden sich die Mütter – wenn die Kinder über das zarteste Alter hinaus sind – auch weiterhin verschiedenen Zweigen der Erwerbsarbeit widmen können. Dies wird in noch höherem Grade der Fall sein, wenn gemeinsame Wohnhäuser sie von der Mühe des Kochens befreien und eine gute gemeinschaftliche Beaufsichtigung der Kinder während der Abwesenheit der Mütter ermöglichen werden.

Aber das Zuträglichste für die Kinder – besonders wenn sie durch das Verbot der Heimarbeit dem Hause und der Schule zurückgewonnen werden – dürfte es doch sein, wenn die verheirateten Frauen durch die erhöhten Löhne der Männer von der äusseren Erwerbsarbeit befreit werden könnten, ihre häusliche Arbeit aber den Charakter der Selbstversorgung erhielte. Dies wäre im vollsten Sinne dadurch der Fall, dass den Müttern der oben erwähnte Gesellschaftslohn für die Erziehung der Kinder zuerkannt würde. In einer solchen staatlich anerkannten Kinderpflege würden wohl die meisten jene Übereinstimmung zwischen ihrer Tätigkeit und ihren Kräften finden, die die wirkliche Arbeitsfreude ausmacht. Denn es lässt sich kaum bezweifeln, dass die Frau sogar schon jetzt bei ihrer, wenn auch schweren häuslichen Arbeit in der Regel mehr Verwendung für ihre besonderen Anlagen – und folglich reichere Befriedigung – findet als der Mann, der sich oft nicht bei der Arbeit plagt, die er gewählt hat, sondern die er eben bekommen konnte.

Aber was dessenungeachtet die Frauen immer ungeneigter macht, häusliche Arbeiten zu verrichten, und sie immer häufiger veranlasst, dieselben für die äussere Berufsarbeit im Stich zu lassen, ist, dass sie diese häusliche Arbeit unter unwürdigen Bedingungen ausführen.

Zuerst und zuvörderst wollen die Frauen immer entschiedener jene Erleichterungen der häuslichen Arbeit haben, die bereits hier und da ins Werk gesetzt werden.

Anmerkung: Die bekannte sozialistische Schriftstellerin Lily Braun hat in einer kleinen Schrift »Frauenarbeit und Frauenwirtschaft« einen Plan in dieser Richtung entwickelt. Ein Versuch, ihn auch für die Mittelklassen zu verwirklichen, ist in der Nähe Berlins gedacht: 12–15 Villen nach dem verschiedenen Geschmack der Besitzer, jede mit einem Garten; ein grosser gemeinsamer Spielsaal im Hause und ein Spielplatz im Freien; gemeinsame Beaufsichtigung der Kinder; gemeinsame Küche, von der das Essen in die verschiedenen Wohnungen geholt wird; eine kleine Gasküche in jeder Wohnung für private Zwecke. Auch ist in Berlin eine Gesellschaft zur Errichtung von Wohnhäusern mit gemeinsamer Küche gegründet worden. Kopenhagen hat schon sein erstes Gemeinsamkeitshaus mit 25 voneinander getrennten Wohnungen, in die die Mahlzeiten mit Aufzügen transportiert werden. Das Essen wird in einer gemeinsamen Küche bereitet.

Dies dürfte jedoch nicht allgemein durchdringen, ehe nicht die Frauen selbst ernstlich anfangen, sich die zweckmässigsten und angenehmsten Methoden auszudenken, die arbeitersparendes Zusammenwirken ermöglichen und die häuslichen Arbeiten, die doch noch immer übrigbleiben, erleichtern. Und dies setzt wieder voraus, dass die Frauen sich zu wirklicher Sachkenntnis in den Fragen des Verbrauchs und in den übrigen Zweigen der modernen Haushaltung ausbilden.

Anmerkung: Eine Arbeit, die von Sachverständigen empfohlen wird, ist Helen Campell: Household Economics, 2 v.

Dies wird um so notwendiger sein, als die Dienstbotenfrage binnen kurzem so stehen wird, dass die Frauen aller Gesellschaftsklassen nur die Wahl zwischen eigener Arbeit im Hause oder Auflösung des Heims haben werden. Die häusliche Arbeit sowohl wie die Kinderpflege werden für sämtliche Frauen nur in dem Masse erleichtert werden, als die gebildeten sich einigen, neue und höhere Forderungen an die Wohnungseinrichtungen sowie an praktische und gefällige Arbeitsmittel zu stellen. Sie würden dadurch nicht nur ihre eigene Arbeit fördern, sondern auch eine höhere Kultur der schönen Zweckmässigkeit auf dem Gebiete der Architektur und der Industrie hervorrufen.

Aber dies ist nicht genug, damit die häusliche Arbeit ihre Würde wiedererlange.

Das geschieht erst, wenn die Gesellschaft der häuslichen Arbeit der Frau jene Wertung entgegenbringt, die ihr das Gefühl benimmt, vom Manne erhalten zu werden, um eine untergeordnete Arbeit zu verrichten, eine Arbeit, die nicht jene Schätzung erhält, die für die Gegenwart der unbedingte Massstab des ökonomischen Wertes geworden ist, die Schätzung des Geldlohns.

Die jetzige Eheordnung entstand, als die Frau ausserhalb des Heims kein wesentliches Versorgungsgebiet hatte, als die Einkünfte desselben hauptsächlich in natura eingingen und die Frau folglich für die Nutzbarmachung derselben unentbehrlich war. Ihr Haushaltungsfleiss bedeutete einen grossen nationalökonomischen Wert, und unter diesen Verhältnissen war das gemeinsame Eigentum natürlich. Die Hausmutter genoss ausser dem zu dieser Zeit – als Leiterin des Verbrauchs der Waren, die sie aus den Rohstoffen gewann – eine Handlungsfreiheit und eine Autorität, die ihr jetzt natürlicher Weise in ihren eigenen Augen wie in denen des Mannes fehlt. Es hilft nichts, dass sie den gesetzlichen Anspruch hat, vom Manne nach seinem Stande und seinen Verhältnissen erhalten zu werden. Denn wenn ihre Aufgabe oft nur darin besteht, Geld von ihm zu verlangen, und aufzuschreiben, wohin es in den Händen der Köchin und Schneiderin gekommen ist, dann fühlt sie sich mit Recht in demütigender Weise erhalten. Weder mittelbar noch unmittelbar kommt durch ihre Arbeit Essen auf den Tisch oder Kleider auf den Leib, da der Mann allein die Mittel verdient, mit denen sie haushält oder – nicht haushält!

Darum sind die Frauen immer mehr von dem Wunsche beseelt, persönlich zu erwerben. Sie sehen, wie sich die Männer durch Hingabe an eine Arbeitsaufgabe entwickeln, durch die Ausdauer, die Sammlung und Kraftanspannung, die das erfordert. Und nur die Fachausbildung, meint nun die Frau, kann Ihr dieselbe Energie geben, nur das unmittelbare Einkommen dieselbe Überzeugung von ihrer Arbeitstüchtigkeit beibringen.

Aber es gibt eine andere Hilfe, die diese Vorteile brächte, ohne doch die Frauen aus dem Heim zu treiben, nämlich, dass ihre Fachbildung für die Gebiete des Haushalts und der Kinderpflege und ihre Betätigung auf denselben ebenso ernst genommen würde wie in jedem anderen Beruf. Erst in dem Gefühl des neuen Wertes ihrer häuslichen Arbeit könnte die Frau fordern, dass dieselbe ökonomisch so wie jede andere taugliche Arbeit bewertet werde.

Wenn die Frauen von der Demütigung sprechen, ihren Unterhalt vom Manne zu empfangen – nachdem sie sich als Mädchen selbst versorgt haben – werden die Männer immer tief idealistisch. Sie sprechen schön von der bedeutungsvollen Aufgabe der Gattin, von der ausgleichenden Macht der Liebe, bis man irgend einen bestimmten Mann fragt, ob irgend eine Liebe es für ihn angenehm machen könnte, anstatt seine eignen Einkünfte zu beziehen, gezwungen zu sein, sich von der Frau zu erbitten, was sie für ihren gemeinsamen oder seinen persönlichen Verbrauch für nötig ansehen würde? Oder ob ihm die Liebe den Verlust seiner Vermögensverwaltung, seines Bürgerrechts, seines Namens ersetzen könnte? Die Männer fangen dann an, vom »Unterschied« zu sprechen. Und dieser war wirklich vorhanden, er aber verwischt sich immer mehr, je mehr Freiheit die unverheiratete Frau erlangt.

Trotz des Bewusstseins, selbst Reichtum mitgebracht zu haben, oder trotz der Überzeugung, eine grosse Arbeitsleistung im Hause zu vollbringen, ist das Geldverlangen die unerträgliche Qual der modernen Gattin. Denn der Mann hat oft im tiefsten Innern dasselbe Gefühl wie sie: dass Arbeit nunmehr Erwerb ausser dem Hause bedeutet, weil die Einkommenverwaltung – trotz ihrer ungeheuren Bedeutung für die Stärke, Gesundheit und Behaglichkeit der Arbeitenden und dadurch mittelbar für den ganzen Volkshaushalt – immer weniger Beachtung findet. Zum Teil kommt diese Auffassung des Mannes daher, dass die Frauen – wie schon oben erwähnt – eben nicht jene neue Art von Häuslichkeit erworben haben, die notwendig wäre, den Verbrauch richtig zu leiten, und dass der Mann folglich oft mit Recht meint, dass die Frau weder arbeitet noch spart, sondern nur verschwendet.

All dieses »meinen« sammelt sich dann als Explosivstoff bei den stets wiederkehrenden Geldfragen, die selbst in der schönsten Liebesharmonie unvermeidlich sind und eine satanische Macht haben, diese Harmonie zu stören!

Wie rührend idealistisch die Jungfrau auch vor der Ehe in dieser Frage sein mag; wie vertrauensvoll sie auch den Mann mit ihrem Vermögen schalten und walten lässt – nach einigen Jahren der Ehe hat die Erfahrung sie zu einer Realistin gemacht! Wie glücklich sie auch im übrigen gewesen ist, erinnert sie sich doch mehr als einer Stunde, in der sie bitter die Handlungsfreiheit vermisst hat, die ein eigenes Einkommen gibt; zum Beispiel, wenn der Mann es ihr abschlug, die Mittel, die sie doch oft selbst mitgebracht hat, dem einen oder anderen idealen Zwecke zuzuwenden; und oft hat dies die erste wirkliche Scheidewand zwischen ihnen aufgerichtet. Unzählige liebende Männer haben bei solchen Auftritten die selbst vermögende Frau dahin gebracht, ihre Heirat zu bereuen, und der Frau, die kein Vermögen hatte, das demütigende Gefühl eingeflösst, als Bettlerin auftreten zu müssen. Ein Mann mag über diese »empfindlichen« Gefühle der Frau lachen oder sich ärgern: sie sind nun einmal ihre Gefühle und im grossen und ganzen immer feiner und zarter als die seinen! Diese Gefühle werden nun – nach einigen Jahren der Ehe – bei den meisten Frauen so stark, dass sie in keiner Weise ausgeredet, sondern nur durch eine neue Ordnung befriedigt werden können. Denn die Frau weiss, dass nur die Witzblätter ihre Freude an den Auftritten haben, bei denen sie sich den neuen Sommerhut im ersten Jahre erschmeichelt, im zweiten erweint, im dritten erzankt!

Die Abhängigkeit der Frau kann nur dadurch aufgehoben werden, dass ihre häusliche Arbeit ökonomisch bewertet wird.

Anmerkung: Diese Meinung wurde schon nicht nur von Frauen ausgesprochen – wie Elna Tenow in einem »Offenen Brief an August Strindberg« und Anna Bugge-Wicksell in »Die rechtliche Stellung der Ehefrau« (mit einem Vorwort von Björnson) – sondern auch von einer so hervorragenden juristischen Autorität wie dem dänischen Professor Goos (man sehe die Zeitschrift »Das neunzehnte Jahrhundert« 1876).

Diese Bewertung ist leicht, wenn sie um der häuslichen Pflichten willen eine entlohnte Arbeit aufgibt, denn man muss doch die Erfüllung derselben wenigstens für so viel wert ansehen, wie ihr Selbsterwerb ihr früher einbrachte. Ist kein derartiger Wertmesser vorhanden, dann muss sie dieselbe Summe erhalten, die eine fremde Hausvorsteherin unter den entsprechenden Verhältnissen an Lohn erhalten und an Unterhalt kosten würde.

Damit müsste die Frau ihre persönlichen Ausgaben bestreiten, ihren Teil am gemeinsamen Haushalte und am Unterhalt der Kinder, wenn der Gesellschaftsbeitrag für diese Zwecke aufhörte und die Gatten sich darüber geeinigt hätten, dass die Arbeit der Frau im Hause so viel wert sei, dass sie lieber daran festhalten, als einen Arbeitsverdienst ausser dem Haus suchen solle.

Bei der Ausführung dürfte die Einrichtung keine Erschütterung der jetzigen Verhältnisse hervorrufen. Die Frau würde nach wie vor die Haushaltungskasse, welche aus den vereinbarten Haushaltungsbeiträgen beider bestände, verwalten, aber sie würde die Aufgabe, damit für alle Ausgaben auszukommen, wahrscheinlich besser lösen. Die unmittelbare ökonomische Schätzung ihrer häuslichen Arbeit würde die Achtung des Mannes und ihre eigene für dieselbe steigern und damit den Frauen einerseits ein Selbständigkeitsgefühl geben, das selbst den Gewissenhaften heute noch fehlt, andrerseits ein Pflichtgefühl, das bei den weniger Gewissenhaften wohl der Hebung bedarf. Denn die herkömmliche Ordnung begünstigt nicht allein die Hausherrschaft der Männer, sondern auch die Untüchtigkeit mancher Frauen. Aber dass eine kleine Gruppe von Frauen der oberen Klassen im Hause gar nicht arbeitet, dass eine Menge anderer schlecht arbeitet, dies darf nicht die Tatsache verhüllen, dass zahllose Frauen noch immer im Hause grosse Summen von Arbeitskraft aufwenden, ohne rechtlichen Anspruch auf irgend ein ihrer Arbeit entsprechendes eigenes Einkommen erheben zu können. Dies gilt nicht nur von den Frauen, sondern auch von den Haustöchtern, die sich oft vom Morgen bis zum Abend rackern, und doch alles, was sie persönlich brauchen, als Geschenk der Eltern empfangen müssen, und folglich die Mittel zu allem entbehren, was die Eltern als unnötig ansehen. Dasselbe gilt von der Frau dem Manne gegenüber. Als Mädchen hatte sie – ob sie nun Staatsbeamtin oder Dienstmädchen, Fabrikarbeiterin oder Kontoristin war – die Möglichkeit, in irgend einem Masse ihre eigenen Interessen wahrzunehmen. Als Frau muss jedes Geschenk, das sie macht, jeder Beitrag, den sie für einen gemeinnützigen Zweck gibt, jedes Buch, das sie kauft, jedes Vergnügen, das sie sich bereitet, vom Gelde des Mannes genommen werden. Die Frau, die z. B. im Heim des Landwirts vielleicht Tausende erspart – sowohl durch Fürsorge wie durch unmittelbare Arbeitsleistung – hat dort oft nicht eine Krone zu ihrer Verfügung!

Diese Abhängigkeit treibt nun wie gesagt die Frauen und Töchter aus dem Heim zu Berufsarbeiten, die oft ökonomisch dem Verlust ihrer Arbeit im Heim durchaus nicht entsprechen. Aber sie ertragen es ganz einfach nicht, das persönliche Einkommen zu entbehren, das für sie ein immer bedeutungsvollerer Wert geworden ist, je mehr ihre Bewegungsfreiheit im übrigen, ihre Bedürfnisse nach den verschiedensten Richtungen sich erhöht haben – vor allem durch ihre erhöhte Bildung und ihre gesteigerten Gesellschaftsinteressen.

Die jetzige unentlohnte Stellung der Frau zur häuslichen Arbeit ist ein veraltetes Überbleibsel aus früheren Haushaltungs- und Produktionsbedingungen, sowie aus der kirchlichen Lehre, dass die Frau zur Gehilfin des Mannes und er zu ihrem Oberhaupte geschaffen sei!

Die Frauen haben auf diese Weise oft schlechtere Köpfe erhalten, als die Natur ihnen gegeben, und der Mann eine wertlosere Hilfe, als das Leben ihm zugedacht hat!

Erst wenn ein unbestechlicher Realismus auch in der Familie den Grundsatz aufstellt: dass jeder seinen eigenen Kopf für sich behält und dass jeder Arbeiter seines Lohnes wert ist, erst dann wird der Idealismus auf dem weiten und schönen Gebiete des ungezwungenen Gebens, der feinen Freiwilligkeit der gegenseitigen Hilfe vollen Spielraum haben.

Während das oben Gesagte von allen Frauen gilt, die im Hause arbeiten wollen, braucht es ja nicht von denen zu gelten, die durch mitgebrachtes Vermögen ihre Ausgaben für den Haushalt wie für die Kinder bestreiten können und dafür von den Arbeitsmühen im Hause befreit sein wollen.

Jede Art von Vermittlungsversuch in bezug auf das Eigentumsrecht der verheirateten Frau – wie obligatorischer Kontrakt und dergleichen mehr – verwickelt die Frage nur bis ins unendliche. Einfach und klar wird sie erst, wenn die Frau – wie in Russland schon seit der Zeit Katharinas der Zweiten – ganz einfach ihr Vermögen behält. Das Gesetz muss den grossen Grundsatz zum Ausdruck bringen: dass jeder Ehegatte sein Eigentum besitzt, während diejenigen, die eine andere Ordnung einführen wollen, den Grad ihrer Gemeinsamkeit erst kontraktlich bestimmen müssen.

Nur die als Grundsatz durchgeführte Eigentumstrennung kann die neuen und klaren Rechtsbegriffe schaffen, die die Gegenwart verlangt. Das Sondereigentum stellt zwei Individuen neben einander, die mit jener Freiheit zusammenwirken, wie sie etwa Bruder und Schwester oder zwei Freunde haben. Beide Gatten wahren sich volles Entschliessungsrecht und volle Verantwortung. Jeder überlässt dem anderen das Handeln nur in dem Masse, in dem der eine durch seine Eigenschaften das Vertrauen des anderen errungen hat. Beide zeigen einander gegenseitige Rücksichten bei der Planung gemeinsamer Unternehmungen, und keiner kann ohne eigene Prüfung in solche verwickelt werden. Das Recht eines Jeden wird in diesem Verhältnis ebenso geschützt, wie wenn Geschwister oder Freunde zusammenwirken und zusammenwohnen. Denn die wechselseitigen Transaktionen der Ehegatten müssen zu diesem Zweck dieselbe Öffentlichkeit erhalten wie alle anderen derartigen zwischen Geschäftkompagnons. Man braucht keine weiteren Worte zu verschwenden, um zu beweisen, wie unverhältnismässig ethisch überlegen solche vermögensrechtliche Bestimmungen den jetzigen sind, die allerdings »für die Gläubiger des Mannes von besonderem Interesse sein mögen« (Anna Wicksell), aber im übrigen wohl keinen einzigen denkenden Verteidiger finden dürften!

 Top