Joachim Gauck über Reichtum
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Ich finde es nicht unmoralisch, reich zu sein. Ich finde es unmoralisch, unmoralisch reich zu sein.
Gedanken von Christa Schyboll zum Zitat
Feinsinnig unterscheidet Joachim Gauck mit nur zwei Sätzen Moral und Reichtum im Zusammenhang mit dem persönlichen Handeln. Und natürlich hat er Recht, mit dem was er da aussagt. Doch wo zieht man die Grenze sowohl bei Armut und Reichtum, wie auch die Grenze zwischen Moral und Unmoral? Hier wird es nämlich spannend für fast jedermann.
Aus dem Blickwinkel all der Hunderten von Millionen Menschen aus den armen und den Schwellenländern sind deutsche Normalbürger reich. Aus dem Blick deutscher Normalbürger, fühlen diese sich aber nicht reich, sondern durchschnittlich… normal eben. Reiche nach unseren Maßstäben leben ganz anders. Sie haben nicht ein Auto oder einen Zweitwagen, sondern sie besitzen einen beeindruckenden Fuhrpark, vielleicht auch noch dazu einen Jet und eine Yacht. Auch besitzen sie nicht bloß ein Einfamilienhaus, sondern sie besitzen über die persönliche Villa hinaus auch noch einen Straßenzug in Düsseldorf oder München, Eigentümer in Hawaii oder Tahiti.
Aus diesen kleinen Beispielen allein ersieht man, dass die Sache mit dem Reichtum und der Armut schnell relativ wird. Selbst wenn man sich auf die Faustformel einigt, dass man dann nicht mehr arm ist, wenn man kleine Luxusgüter (wie sein Smartphone, Fernseher, Computer, Auto) über seine Existenzsicherung hinaus besitzt, ist der Begriff im Zusammenhang mit moralischem Handeln immer noch schwierig. Denn die letztgenannte Personengruppe, die vermutlich schon die meisten Europäer in 28 Staaten erfasst, kann trotz dieser Aufzählung „arm“ sein, wenn ihr dann über diese Existenzsicherung hinaus monatlich kein weiterer Cent mehr für die Alterssicherung zur Verfügung steht.
Nur die, die "richtig" reich nach dem Gefühl der Mehrheit sind, sind also demnach in der moralischen Pflicht zu spenden und großherzig zu sein? "Richtig" reich meint dann wohl gefühlt, eine Million Vermögen und mehr?! Auch davon gibt es noch viele in Europa. Ob und wie großherzig sie mit ihrem erarbeiteten oder ererbten Reichtum umgehen, verrät uns keine Statistik. Wohl aber wissen wir von genügend Beispielen, wie Menschen aus sehr bescheidenen Verhältnissen wieder und wieder ihr Herz sprechen lassen, wenn es darum geht, mit Notleidenden etwas zu teilen. Und sei es vom Geringsten, das sie noch selbst besitzen.
Vielleicht ist Reichtum und Armut also gar nicht unbedingt eine Frage der Summe, sondern eine Frage der Herzensgröße, die in jedem Menschen als Möglichkeit angelegt ist. Und dann ist es eben auch nicht die Höhe der Summe, die darüber entscheidet, ob und wie jemand moralisch mit dem eigenen Eigentum umgeht oder nicht, sondern allein die Geisteshaltung mitsamt der tätigen Geste. Wie prosperierend die Welt vor unser aller Augen aber da stände, wenn die gut gesicherten bis hin zu den Superreichen, wennschon keine Spenden, so aber doch wenigstens ihre Steuern bezahlen würde, können wir uns nur erträumen. Denn selbst davon sind wir noch weit entfernt, wie die jüngsten Enthüllungen durch die Panama-Papers zeigen.