Astrid Lindgren über Familie

  • Ganz gewiß sollen Kinder Achtung vor ihren Eltern haben, aber ganz gewiß sollen auch Eltern Achtung vor ihren Kindern haben, und niemals dürfen sie ihre natürliche Überlegenheit mißbrauchen. Niemals Gewalt.

Astrid Lindgren

schwedische Schriftstellerin

* 14.11.1907 Vimmerby, Småland (Schweden)
† 28.01.2002 Stockholm (Schweden)

Gedanken von Christa Schyboll zum Zitat

Die berühmte Kinderbuchautorin Astrid Lindgren hatte schon immer einen tiefen Bezug zur kindlichen Seele und seinem feinen Wesen in seiner Zerbrechlichkeit. Deshalb ist die gegenseitige Achtung, die sie anmahnt, ein Ausdruck ihrer respektvollen Haltung auch eben Kindern gegenüber, an die so manch ein Erwachsener erinnert werden muss.

Ein kleines Kind ist gemäß seiner psychischen und geistigen Entwicklung beispielsweise noch nicht in der Lage, den Eltern schon in ganz jungen Jahren Ehrerbietung zu erweisen oder etwa Respekt und Achtung zu schenken. Dafür fehlen ihm zunächst noch Erkenntnis und Werkzeuge, die es jedoch kennen- und gebrauchen lernt durch das Nachahmen der Eltern. So, wie Eltern einem Kind begegnen, werden sie es letztlich auch fürs Leben mit formen. Gewalt ist ein Zeichen tiefster Ohnmacht und Schwäche. Konsequenz eine absolute Notwendigkeit, um auch Disziplinkräfte im Kind zu fördern, die es für seine Lebensmeisterung braucht.

Respekt und Achtung vor einem anderen Menschen fällt vor allen jenen Menschen im Leben später einmal leichter, die ihn selbst auch in positiver Weise früh erfahren haben. Kindern, denen mit Respekt begegnet wird, werden sich auf natürliche Weise in aller Regel später auch respektvoll anderen Menschen und Lebewesen gegenüber verhalten.

Kinder, die jedoch ohne das Erleben einer Achtung ihrer noch kleinen Persönlichkeit aufwachsen, geraten nicht selten unter eine seelische Verwilderung, aus der sie sich selbst oft nicht mehr retten können. Sie neigen später auch zu Sarkasmus und Ironie, wo andere früh geachtete und wertgeschätzte Mitmenschen lieber geschliffenen Witz, Esprit und warmherzigen Humor vorziehen.

Wie schwer eine Last einer falschen oder ungesund prägenden Erziehung in Sachen Achtung und Respekt zu tragen ist, zeigt sich ja oftmals erst viel später im Leben, wenn die Kinder dann erwachsen sind und die Formbarkeit des Charakters ganz anderen Gesetzen unterliegt.

Das Elternhaus jedoch ist in aller Regel der Ort, wo der entscheidende Ersteinfluss ausgeübt wird, der später tragend wird.

Das Erleben von Respektlosigkeit kann leicht auch zur Verachtung, Missachtung, Neid, Missgunst führen. Die zwischenmenschlichen Desaster sind in diesen Fällen vorgezeichnet. Es reicht schon aus, wenn Kindern niemals Ehrfurcht und Liebe entgegengebracht wurde. Sie erleiden einen Mangel, von dem sie nicht einmal wissen, dass er ihnen fehlt. Sie fühlen es später nur am Anderssein und der Trennung von jenen anderen Menschen, die mit diesen guten Erfahrungen prägend aufwuchsen.

Was man versäumt hat, kann man nicht alles auf leichte Weise nachholen. Dennoch gibt es, so lange man atmen, denken, fühlen, handeln kann, auch Möglichkeiten, Fehler oder auch Mängel aus der Vergangenheit bis zu einem gewissen Punkt wieder auszugleichen, wenn man erst einmal die Zusammenhänge versteht und sich entsprechend aus neuer Erkenntnis oder Überzeugung umorientiert.

Eltern, die ihren Kindern früh mit Achtung und Respekt begegnen, haben sehr gute Chancen, auch von ihren eigenen Kindern später einmal so behandelt zu werden.

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