Jean-Baptiste Massillon über Dank

  • Dankbarkeit ist das Gedächtnis des Herzens.

Jean-Baptiste Massillon

französischer Prediger, Theologe, Bischof und Kanzelredner

Bischof von Clermont

* 24.06.1663 Hyères
† 18.09.1742 Beauregard

Gedanken von Christa Schyboll zum Zitat

Erfahren wir Dankbarkeit für dieses oder jenes, was wir im Leben anderen Menschen taten oder schenkten, so wird es uns warm ums Herz. Der Dank, der uns der andere entgegenbringt, wird uns unmittelbar zur Freude, zum Geschenk und zum Lohn. Danken ist eine der schönsten und wertvollsten Eigenschaften, die wir im Zwischenmenschlichen kennen. Groß ist ihre Bedeutung in allen Weltreligionen, die nicht müde werden, auch über die Dankbarkeit zu sprechen und auf sie und ihre Bedeutung hinzuweisen.

Überschneidung mit der Dankesschuld macht die Sache jedoch manchmal auch kritisch. Denn hier tritt das Gefühl ein, dass man sich nun auch verpflichtet fühlt, entsprechend der empfangenen Hilfe etwas an den Gebenden zurückzugeben. Sei es materiell, emotional oder zeitlich. Die Dankbarkeit, die auch hierbei empfunden wird, wird unter Umständen aber durch die Last der gleichzeitig empfundenen ein wenig gedämpft sein. Umso mehr, als des dem Empfänger vielleicht auch schwer fällt oder gar unmöglich erscheint, dass er eine angemessene Rückvergütung für das großzügig Erhaltene zu leisten vermag.

Wer Dankbarkeit durch sein Schenken oder seine Großherzigkeit erfährt, hat oft das Bedürfnis, dieses schöne Gefühl auch gerne zu wiederholen. Hier stellt sich bei Menschen durch die erlebte Erfahrung oft eine soziale Veränderung ein, die dazu motiviert, sein eigenes Schenken und Geben zu verstärken, um die Dankbarkeitserfahrung der anderen an ihn zu wiederholen. Wir kennen dieses Verhalten auch in der Bibel durch den Spruch "Geben ist seliger denn Nehmen." Und mit selig ist hier ein emotionales Wohlempfinden gemeint, welches der Seele gut tut und dem Menschen mehr Kraft gibt.

Umgekehrt kann aber auch die Dankbarkeit, die man erweist, dazu führen, dass man Menschen und gute Taten anzieht. Das erlebt man beispielsweise vor allem in Dienstleistungsbereichen, wo jene Menschen öfter und reichhaltiger mit Trinkgeld bedacht werden, die diese Geste auf ehrliche und liebenswürdige Weise ruhig zu honorieren wissen. Hier gibt man gerne, öfter und mehr.

Dankbarkeit als Motor für emotionale Wärme unter den Menschen

Menschen, welchen Glaubens auch immer, die einen Zugang zur Spiritualität haben, sind auch deshalb besonders gern und bewusst dankbar, weil sie fühlen, dass diese wertvolle menschliche Neigung in ihnen selbst sich Ausdruck sucht. Sie sind dankbar für das Leben an sich, für ihre Existenz, für die Bedingungen, unter denen sie leben und sich weiterentwickeln dürfen. Ob diese Dankbarkeit an einen Gott oder die Schöpfung gerichtet ist, ist nicht so entscheidend wie die Tatsache, dass sie als lebendige Kraft erlebt wird. Was und wem man warum dankt ist sekundär gegenüber der Tatsache, dass man überhaupt schon diese Seelenregung in sich findet und sie pflegt.

In der christlichen Tradition sagt man auch, dass die Dankbarkeit eine wesentliche christliche Haltung, ja das Herz des Evangeliums überhaupt sei. Dankbarkeit wird hier nicht nur zum privaten Gefühl, sondern zu einer Tugend erhoben, die nicht im Lippenbekenntnis stecken bleibt, sondern die Tat als Auslöser braucht. Auch die Liebe zu Menschen und Dingen kann durch die Kraft einer empfundenen Dankbarkeit gestärkt werden.

Früh ist in der Erziehung der Kinder darauf zu achten, dass Dankbarkeit auch zum realen Alltagserlebnis wird. Sich fürs Helfen zu bedanken oder für ein Geschenk sind kleine, aber wichtige Zeichen, dass die Dankbarkeit im Herzen auch angelegt und bewusst ergriffen wird.

Wie traurig muten uns all die Gelegenheiten im Leben an, wo wir "Undank" erfahren, weil es nur eine Nimm-Kultur in so mancher Familie gibt. Wie achtlos werden manchmal Geschenke entgegengenommen, ohne jede Würdigung, die die Schenkenden verdient haben. Nicht immer können wir ermessen, welche Gedanken oder Ausgaben und Bemühungen hinter einem Geschenk stehen, das uns ein anderer macht …. Oder umgekehrt, wie wir uns fühlen, wenn wir uns selbst um dies oder jenes sehr bemühten, das später achtlos zur Seite gelegt wird, als sei es nichts wert. Spätestens an diesen realerlebten Situationen erfahren wir die Qualität einer Dankbarkeit – sowohl im Geben wie auch im Nehmen.

Je feiner man seine Empfindungen hier ausbildet, umso leichter und schöner wird es uns fallen, selbst Dankbarkeit auch im Außen zu zeigen, die wir im Inneren erleben. Dankbarkeit unter den Menschen bringt Wärme und Kraft in die Beziehung, die ein gegenseitiges Wohlergehen fördert.

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