Jean Giraudoux über Militär

  • Am Vorabend eines Krieges pflegen zwei führende Staatsmänner von zwei im Streit befindlichen Völkern allein in einem harmlosen Dorf, auf einer Terrasse am Ufer eines Sees oder in der Ecke eines Gartens zusammenzutreffen. Ab und zu weht eine leichte Brise. Sie sind einer Meinung, daß der Krieg die ärgste Geißel auf der Welt ist. Und beide, während sie die Reflexe auf den Fluten betrachten, während Magnolienblätter auf ihre Schultern fallen, sind friedlich, bescheiden, loyal. Sie beobachten einander. Sie sehen sich an. Von der Sonne durchwärmt, von dem hellen Landwein weich gestimmt, entdeckt keiner in dem Gesicht vor ihm einen einzigen Zug, der hassenswert, einen einzigen, der nicht liebenswert wäre! Nichts Unverträgliches in ihren Sprachen, in ihrer Art, sich die Nase zu reiben oder zu trinken. Sie sind vom Frieden wie von den Friedenswünschen wirklich erfüllt. Sie scheiden mit einem Händedruck und fühlen sich als Brüder. In ihren Wagen noch drehen sie sich um, um sich anzulächeln. Und am nächsten Tag bricht dennoch der Krieg aus.

Jean Giraudoux

französischer Diplomat und Schriftsteller

* 29.10.1882 Bellac
† 31.01.1944 Paris (Frankreich)

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