Lao-Tse über Wahrheit

  • Die Wahrheit kommt mit wenigen Worten aus.

Lao-Tse

chinesischer Philosoph und religiöser Reformer

* um 340 vChr

Gedanken von Christa Schyboll zum Zitat

Will man zu irgendetwas eine Erklärung abgeben, braucht man oft viele Worte. Manchmal braucht man auch lange Essays oder umfangreiche Bücher, um beispielsweise ein Problem oder Ereignis zu beschreiben. Die Kunst der Reduzierung auf wenige Worte ist schwierig, obschon doch die Wahrheit laut Lao Tse doch mit wenigen Worten auskommen sollte.

Warum also benutzen wir so viele Worte, wenn es doch mit wenigen auch sagbar ist? Gleich mehrere Gründe oder Motive kommen hier in Frage. Zum einen die Gefahr des Missverständnisses, wenn man versucht, einen komplexen Zusammenhang in wenigen Worten zusammenzufassen. Will man etwas ganz knapp erklären, besteht die Gefahr einer falschen Interpretation, wenn man dies mit wenigen Worten versucht. Denn das, was man sagen möchte, erzeugt unter Umständen im anderen Gesprächspartner ein ganz anderes Bild. Das gilt nicht nur für sachliche Informationen an sich, sondern auch für das, was man "Wahrheit" nennt. Denn das Wahrheitsempfinden ist durchaus an den eigenen Grad eines schon differenzierten Bewusstseins angebunden. Wahrheit kann sich als subjektiv und objektiv herausstellen, je nachdem, wie man in die Tiefe einer Wahrheitsfindung einsteigt.

Sprechen wir unsere subjektiv empfundene Wahrheit mit wenigen Worten aus, so fehlt dem Ansprechpartner aber unter Umständen ein wertvoller, informeller Kontext, der die Komplexität innerhalb der schlichten Wahrheitsaussage mit offenbart. Umgekehrt besteht die Gefahr, dass durch den Gebrauch zu vieler Worte, der Kern der Wahrheit verloren gehen kann und der Ursprungsgedanke hinter einer dicken Farbschicht von Absichten oder zur Vermeidung von Missverständnissen verschwand.

Ein anderes Motiv für die Wahl vieler Worte in Bezug auf das Aussprechen einer eventuell unangenehmen Wahrheit könnte auch eine Form von Rücksichtnahme sein. Zumal unverlangte, nicht erwünschte persönliche Statements, die man selbst als Wahrheit empfindet und die den anderen Menschen tief bis ins Mark treffen können, brauchen auch das Element der Zeitqualität, um als schlichte Wahrheit mit wenigen Worten trotz Härte dennoch positiv zu wirken. Nicht selten werden Wahrheiten aber auch aus reiner Boshaftigkeit ausgesprochen oder als Waffe eingesetzt. Wahrheit und Lauterkeit müssen nicht unbedingt eine automatische Einheit bilden.

Manchmal braucht man eine schlichte, knappe Wahrheit als Ohrfeige fürs eigene Bewusstsein, das an irgendeiner Stelle des Lebens allzu tief und auch zu lange "schlief" – die Wirklichkeit verdrängte.

Die Wahrheit selbst, um mit Lao Tse zu sprechen, kommt zumeist mit sehr wenigen Worten aus. Aber der Mensch, den es betrifft, oftmals nicht. Dieser wichtige Unterschied ist zu beachten.

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