Molière über Verantwortung
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Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.
Gedanken von Christa Schyboll zum Zitat
Zum Mensch sein gehört, Verantwortung für sein Handeln zu tragen bzw. sie tragen zu lernen. Verantwortliches Handeln steht dabei immer auch in Beziehung zur Umwelt, in der wir leben. Fasst man den Begriff jedoch noch weiter, so gehören auch schon die Gedanken und Gefühle, die man hegt oder pflegt, mit zum Begriff der Verantwortung, weil diese letztlich früher oder später unsere konkreten Handlungen bestimmen werden.
Was aber konkret übernommene Verantwortung für das Einzelwesen Mensch bedeutet, hängt davon ab, mit welchen Pflichten und Werten er dies auch schon füllen und persönlich tragen kann. Dort, wo gesetzliche Regelungen greifen, sind im Falle einer unzureichenden oder mangelhaften Verantwortung, welche zu Schäden oder Schädigungen führt, Strafe oder Wiedergutmachung angesagt. In solchen Fällen greift eine äußere staatliche oder religiöse Instanz beispielsweise ein und wird die negativen Konsequenzen, die aus der Verantwortungslosigkeit entstanden sind, ahnden.
Menschen übernehmen Verantwortung in sehr unterschiedlichen Maßen gern oder lehnen sie ab. Die Ablehnung kann jedoch auch selbst verantwortlich sein, wenn man fühlt, dass man mit der Verantwortung völlig überfordert ist, Kompetenzen oder andere Fähigkeiten fehlen. Andere Menschen wiederum scheuen die Verantwortungsübernahme weniger aus Kompetenzmangel als mehr Bequemlichkeit, Unlust, Phlegma oder Faulheit.
Denn derjenige, der Verantwortung übernimmt, macht sich im Falle eines Misslingens einer Sache angreifbar und muss für das Ergebnis geradestehen. Auch aufgrund dieses Risikos wird Verantwortung oft abgelehnt.
Interessant ist hierbei auch Moliéres Wendung, dass wir auch für unser Nichttun Verantwortung übernehmen müssen. Denn nicht nur eine Tat birgt eventuelle Risiken und Gefahren, sondern auch die Unterlassung einer Handlung. Man denke allein an die unterlassene Hilfeleistung bei Unfällen. Man hat nichts getan – und wird genau deswegen je nach den Umständen schuldig. Diese Schuld kann sowohl eine juristische wie aber auch eine moralische Schuld sein.
Verantwortung will geübt und erlernt werden
Ob und wann wir Schuld empfinden, hängt vom Bewusstsein für unsere Verantwortung ab. Hier gibt es keine einheitlichen Maßstäbe. Dies berührt den Bereich des eigenen Charakters und der Lebenshaltung. Wer das Wohl des Ganzen tief in seinem Blick hat, wird sich eher verantwortlich zeigen, als jemand, der mehr der eigenen egoistischen Natur folgt und im WIR-Denken eher noch wenig entwickelt ist.
Verantwortung tragen zu lernen ist ein lebenslanger Prozess. Sie wird uns nicht automatisch mit in die Wiege gelegt, sondern sie wird in aller Regel Schritt für Schritt von Kindesbeinen an geübt. Man muss lernen, Verantwortung für seinen Körper und seine Gesundheit zu übernehmen. Später kommen die Verantwortung fürs Lernen und mehr und mehr kleine und große Pflichten, die das Leben abverlangt, mit hinzu. Die Verantwortungsübernahme für einen anderen Menschen, ein Kind, einen Hilfsbedürftigen, fordert schon eine besondere Verantwortungsreife.
Geht es um Sicherheitsaspekte für Menschengruppen, dann ist die Frage der Beantwortung auch deshalb besonders sensibel, weil sie zumeist von einer Einzelpersönlichkeit gar nicht übernommen wird – und oft auch nicht übernommen werden kann. Dennoch muss man sich vor Augen führen, dass hier eine besondere Verantwortungspflicht mit teils schwerwiegenden Auswirkungen fürs Volk, das Land, eine Nation zur Disposition steht. Sei es in Punkto Gesetze, Sicherheitsbereiche, Noterlasse oder was auch immer. Hier sind besondere Zuverlässigkeit, Kompetenz und Flexibilität Voraussetzung – oder sollten es zumindest sein.
Doch der Verantwortung für die äußeren Gegebenheiten des Lebens und all seiner Risiken steht auch eine innerlich gefühlte Verantwortung gegenüber, die sich aus der eigenen Lebensgrundhaltung speist. Man denke beispielsweise an die Verantwortung des Einzelnen bei Wahlentscheidung, also für politische Weichenstellungen. Regierungen können diktatorisch oder demokratisch sein, weise oder in tödlichem Terror enden. Insofern ist auch die Welt der Gedanken, die einer persönlichen Wahlentscheidung vorgeschaltet sind, eine ganz entscheidende Instanz dafür, wie die Verantwortung im Außen bereits im Vorfeld einer Handlung beeinflusst wird.
Kollektive Verantwortung und die persönliche Ohnmacht
Jede kollektive Verantwortung sprengt den Rahmen des Einzelnen. Man denke beispielsweise an die weltweite Umweltvergiftung, an die Kriege, Elend, Hunger, Not. Die Liste ist lang. Hier stehen Staaten, Regime, Großkonzerne, Vorstände oder auch religiöse Gruppen in der Verantwortung für die Konsequenzen aus einem Beschluss oder einer Tat. In ihrem Namen kann geraubt, gebranntschatzt, gemordet und vergiftetes Land hinterlassen werden – aber auch Hunger und Not gelindert, Menschen gerettet und Wiederaufbau begonnen werden.
Der kollektiven Verantwortung fühlen sich die Menschen zumeist ohnmächtig gegenübergestellt. Dennoch sind sie es nur bedingt in vielen Fällen. Denn überall dort, wo Freiheiten möglich sind, sind auch Wahlen oder Proteste möglich und oft nötig, die die kollektiv "Verantwortlichen" korrigieren, abstrafen und aus ihren Ämtern jagen könnten.
Wer kollektive Verantwortung fürs Ganze der Welt in sich verspürt, wird sich zumeist in irgendeiner Form engagieren, weil er weiß, dass eine Verbesserung einer Lage eben auch Menschen braucht, die es tun. Möglichkeiten gibt es zuhauf. Wer dies im Blick hat und adäquat handelt, wird auch nicht zu jenen "Tätern" zählen, die durch Nichtstun und "Schleifen lassen" sich an schlechten Lebensbedingungen mit schuldig machen. Auch daran erinnert uns Moliére mit seinem Zitat.
Ob uns die Lust an der Verantwortung reizt oder nicht und ob wir diese gern trotz mancher Unwägbarkeiten und Risiken übernehmen, hängt unter anderem auch stark vom Selbstbewusstsein eines Menschen ab. Je sicherer, kompetenter, selbstbewusster und in sich ruhender ist, ist Verantwortungsübernahme für ihn eine geringere Last als für den, der von zu vielen Bedenken, Ängsten und negativen Fantasien geplagt und dominiert wird.
Verantwortung zu übernehmen setzt eine Handlungsfreiheit voraus. Wo ich nicht frei bin und mein Tun nicht selbst steuern kann, ist eine Verantwortungsübernahme nicht möglich. Auch ohne Vernunft ist Verantwortung nicht denkbar. Die Reife für die zugrundeliegende Ethik einer Verantwortungsübernahme muss von jedem Individuum selbst errungen werden. Und das bleibt eine lebenslange Aufgabe für jeden Einzelnen, die jeden auch mit der Schönheit einer weiteren Persönlichkeitsreifung belohnt.