Sprichwort über Wort
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Gute Wort ohne Gunst
ist ein Stück von Judas' Kunst.
Gedanken zum Zitat
Das Sprichwort »Gute Wort ohne Gunst ist ein Stück von Judas’ Kunst« bringt in eindringlicher Sprache ein altes und tiefgreifendes Misstrauen gegenüber unehrlicher Freundlichkeit zum Ausdruck. Es warnt davor, sich von wohlklingenden Worten blenden zu lassen, wenn dahinter keine echte Zuneigung, kein guter Wille und keine wahre Absicht stehen. Worte allein, so lehrt diese Redensart, sind bedeutungslos oder sogar gefährlich, wenn sie nicht von aufrichtiger Gesinnung begleitet werden. Ja, sie können sogar als Verrat verstanden werden, wenn sie nur zur Täuschung dienen.
Die Figur des Judas Iskariot, auf die sich das Sprichwort bezieht, steht in der christlich-abendländischen Kultur als Inbegriff des Verräters. Der Kuss, mit dem Judas Jesus im Garten Gethsemane identifizierte, war ein Zeichen äußerer Zuneigung , doch zugleich war er Ausdruck des innersten Verrats. Genau darin liegt der Kern des Sprichworts: Wenn Worte oder Gesten der Freundlichkeit nicht von echter Gunst, also von Wohlwollen oder Zuneigung, getragen sind, gleichen sie Judas’ Handlungsweise. Sie sind trügerisch, falsch und womöglich sogar gefährlich.
Mit dem Ausdruck »gute Wort ohne Gunst« ist also eine Form scheinbarer Höflichkeit gemeint, die nicht ehrlich gemeint ist. Es sind leere Phrasen, schmeichelhafte Reden oder oberflächliche Nettigkeiten, die vielleicht beeindrucken, aber in Wirklichkeit manipulativ, berechnend oder sogar heuchlerisch sind. Wer so spricht, benutzt Sprache nicht als Ausdruck der Seele oder des Herzens, sondern als Mittel zum Zweck, sei es zur Täuschung, zur Einflussnahme oder zur Absicherung eigener Vorteile.
Das Sprichwort fordert somit zu Achtsamkeit und Unterscheidungsvermögen auf. Es ruft dazu auf, nicht nur auf den Klang der Worte zu hören, sondern ihre Quelle zu prüfen: Kommen sie aus echtem Wohlwollen, oder dienen sie der Tarnung eines eigennützigen oder hinterhältigen Ziels? Wer gute Worte gebraucht, aber keine Gunst dahinter trägt, spricht wie Judas: höflich im Ton, verräterisch im Sinn.
Gleichzeitig ist der Spruch auch eine Mahnung zur Aufrichtigkeit: Wer spricht, soll es aus innerer Überzeugung und mit ehrlicher Gesinnung tun. Freundlichkeit, die nur gespielt ist, wird früher oder später entlarvt. Und wenn sie entlarvt ist, schadet sie nicht nur dem Sprecher, sondern zerstört auch Vertrauen, das oft mühsam aufgebaut wurde.
In unserer heutigen Welt der schnellen Kommunikation, der politischen Rhetorik, der sozialen Medien und der oberflächlichen Netzwerke ist das Sprichwort von ungebrochener Aktualität. Es erinnert uns daran, dass nicht alles, was schön klingt, auch gut gemeint ist, und dass Worte nur dann Gewicht haben, wenn sie von wahrer innerer Haltung getragen werden. Freundliche Worte sind wertvoll , aber freundliche Worte ohne Gunst sind nicht nur leer, sie sind gefährlich. Sie sind, wie das Sprichwort drastisch warnt, ein Stück von Judas’ Kunst.