Bibel über Zorn

  • Lasset die Sonne nicht über eurem Zorn untergehn!

Bibel

Heilige Schrift der Christen

Gedanken von Tom Borg zum Zitat

Das Bibelwort »Lasset die Sonne nicht über eurem Zorn untergehn!« stammt aus einer Zeit, in der es außer Kerzen noch kein künstliches Licht gab. Bei Einbruch der Dämmerung wurde die Arbeit beendet und die Menschen gingen nach Hause; ein jeder in sein Haus. Damit gab es keine Möglichkeit mehr, den Streit zu bereinigen, sich am gleichen Tag noch zu versöhnen. Man trug den Streit nach Hause, brachte ihn gar ins eigene Haus, wenn der Streit auch im eigenen Heim noch ein Thema war.

Erst am nächsten Morgen gab es die Gelegenheit, sich mit dem oder den anderen auszusprechen. Doch bis dahin war eine lange Zeit vergangen: eine ganze Nacht, die jemand ob des Streits vielleicht schlaflos verbrachte, sich grämte oder bedauerte oder sich erst recht in seinen Zorn hineinsteigerte.

Eine Nacht kann eine lange Zeit sein, wenn man sich im Unrecht oder zu Unrecht angegangen fühlt. Was malt man sich nicht alles aus in diesen dunklen Stunden. Dutzende von Plänen und Strategien, wie man es dem anderen heimzahlen kann. Oder auch Stunden des Bedauerns, weil man sich selbst die Schuld an dem Streit gibt.

Diese Stunden nagen an der Seele, sie hinterlassen ihre Spuren. Vor allem wenn die in der Hitze des Streits ausgesprochenen Worte sich im Laufe der Nacht in Gram oder Erregung verhärten. Man wacht mit Zorn auf, beginnt den Tag mit einer ungesunden Portion Wut im Bauch - oder Traurigkeit, wenn an dem Streit eine Freundschaft zu zerbrechen droht.

Denn am nächsten Morgen ist nicht einfach aller Zorn verflogen. Vielleicht ist die erste Erregung abgeflacht. Doch das macht die Sache nur noch schlimmer, denn der Bodensatz des Streits lagert sich als eine Art Tatsache ab, wird zu einer Begründung und Rechtfertigung vor sich selbst für abenteuerlichste Fortsetzungen, die nun nicht mehr in der Hitze des Gefechts schnell ausgesprochen und auch wieder rasch vergessen werden.

Wenn aus Erregung Bosheit wird

Jetzt übernimmt der Verstand und verschießt Giftpfeile mit kalter Bosheit und Berechnung. Und jeder dieser Giftpfeile vergrößert die Wunde und erschwert eine Versöhnung. Der Zorn von gestern gräbt sich immer tiefer in die Seele und die Gefühle der Beteiligten, deren Kreis sich meist recht schnell ausweitet. Denn natürlich erzählt man seinen Freunden, Kollegen oder der Familie von dem Streit. Und je näher man sich steht, desto schwieriger ist es, Neutralität und vor allem Ruhe zu bewahren.

Schnell summieren sich gute Ratschläge und emotionale Beleidbekundungen, die das ganze eher verschärfen anstatt zu entspannen. Die Gräben werden noch tiefer. Auch wenn nicht immer das Umfeld in den Streit mit hineingezogen wird, erschweren die vielfältigen, sich oft widersprechenden, Ratschläge und Reaktionen die klare Sicht auf die meist sehr einfache Lösung.

Da hilft nur eines: einen kühlen Kopf bewahren. Doch das sagt sich so leicht - und ist so schwer zu tun. Und dennoch, meist ist der naheliegende Rat der beste: aufeinander zugehen und miteinander reden.

Doch warum erst eine lange Nacht warten? Warum nicht die Chance nutzen, den Streit beizulegen und den Zorn zu vertreiben, solange er sich noch nicht tief in Seele und Gedächtnis eingegraben hat?

Versöhnen kann schön sein, es kann eine Freundschaft stärken und gar neue Freundschaften anbahnen. Wenn nach dem ersten Zorn die Phase der Analyse folgt, der gemeinsame Versuch zu versehen, warum man sich eigentlich überhaupt gestritten hat, dann finden sich nicht selten viele Gemeinsamkeiten, die reichlich Stoff für weitere Gespräche liefern.

Doch manchmal findet man keine gemeinsame Basis, ist eine Versöhnung in der Sache einfach nicht möglich. Dann ist man gut beraten, die Sache rein sachlich zu klären und die Lösung zu akzeptieren, anstatt sie auf die menschliche Ebene zu erheben, wo das Gift des Zornes die zwischenmenschlichen Beziehungen so dauerhaft beschädigen kann, dass sich auch in anderen Fragen keine Einigung mehr findet, ja gar nicht erst gesucht wird.

Wer sich mit Wut im Bauch schlafen legt, wird zweifelsohne keinen ruhigen Schlaf finden. Dabei ist alleine das schöne Erlebnis einer Versöhnung doch ein Grund sich an das Bibelwort zu halten: Lasset die Sonne nicht über eurem Zorn untergehn!

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