Friedrich Schiller über Demokratie

  • Was ist die Mehrheit? Mehrheit ist der Unsinn.
    Verstand ist stets bei wenigen nur gewesen.
    Bekümmert sich ums Ganze, wer nichts hat?
    Hat der Bettler eine Freiheit, eine Wahl?
    Er muß dem Mächtigen, der ihn bezahlt,
    um Brot und Stiefel seine Stimm' verkaufen.
    Man soll die Stimmen wägen und nicht zählen.
    Der Staat muß untergehn, früh oder spät,
    wo Mehrheit siegt und Unverstand entscheidet.

Friedrich Schiller

deutscher Schriftsteller

* 10.11.1759 Marbach am Neckar
† 09.05.1805 Weimar

Gedanken von Christa Schyboll zum Zitat

Was aus der Mehrheit heraus kommt, ist auch heutzutage häufig noch ein Unsinn, der schwer zu ertragen ist. Warum sollte dieser Umstand heute auch besser geworden sein, als er es zu Schillers Zeiten und früher schon war? Die Mehrheit der Menschen droht einerseits an Informationsfluten unterzugehen, weil alles das, was uns ständig angeboten wird, nicht mehr zu verarbeiten ist, während sich zugleich der ehemals gesunde Menschenverstand auf die Flucht begeben hat. Flucht wohin? Zum St. Nimmerleinstag, ist zu vermuten. Warum? Weil er sich einsam fühlte unter dem Schwachsinn der Mehrheit, die bis heute den Lauf der Dinge und Ereignisse bestimmt, weil sie die Macht hat. Vertreten durch die Obrigkeit in einer Demokratie.

Schon immer litten die Klugen unter der Macht der Dummen. Das zeigt sich in allen Kulturen zu allen Zeiten und ist in vielen historischen Klagen über die Zustände belegt. Und immer hatten die Klugen das gleiche Pech: Die Dummen stellten halt die Mehrheit und bestimmten, wo’s lang ging. Diese faktische Tatsache hielt die Evolution des Geistes massiv auf, weshalb wir heute noch vielfach in einer Reihe von Staaten Zustände wie in der Steinzeit zu beklagen haben.

Gleichzeitig aber verlief ein anderer Strom der geistigen Entwicklung mit großem Erfolg: die Entwicklung der technischen Intelligenz. Hier wurden in wenigen Jahrzehnten Höchstleistungen mittels des menschlichen Gehirns erbracht. Diese Leistungen wurden zu einem gigantischen Schub, der die alte Welt aus den Angeln hob und der Erde ein neues Gesicht verpasste. Kein menschliches Gehirn kann heute im Zusammenhang mit technisch vergleichbarer Leistung auch nur noch mit einem Minichip im eigenen Smartphone mithalten.

Computer können zum Glück (noch) nicht alles, aber schicken sich an, mit Hilfe der Menschheit dies rasch zu ändern. Und hier kommt Schillers Mehrheitsproblem ins Spiel. Die Mehrheit macht diese Entwicklung nicht nur mit, sondern begleitet all dies so unkritisch, wie sie es nur vermag.

Schillers Not mit der Dummheit der Mehrheit

Warum? Weil die Mehrheit ihren Blick in aller Regel auf die eigenen Vorteile legt, statt auf die Frage nach dem Sinn fürs Ganze und die nachfolgenden Entwicklungen. Und lenkt dann eine nachdenkliche und prüfende Minderheit den Blick auf die wichtigen, kritischen Fragen und Gefahren, wird sie als Minderheit des Miesmachens und des Spielverderbs bezichtigt.

Und da es ja nur eine Minderheit ist, die ihre Bedenken vorträgt, kommt sie bei der Mehrheit nicht durch, da diese davon überzeugt ist, dass sie sich in ihrer Masse nicht irren kann. So viele Leute können nicht falsch denken… also werden die Gedanken der Minderheit als absurd verworfen.

Schillers Not in der Vergangenheit mit der Dummheit der Mehrheit, ist leider nicht nur die Not der Gegenwart, sondern vermutlich auch noch lange Zeit eine Not der Zukunft. Solange die Mehrheit sich im Recht darin glaubt, weil sie Qualität und Quantität nicht zu qualifizieren weiß, dauert die Sache mit der Entwicklung von Vernunft und der Klugheit noch lange an.

Die Vernunft hat noch immer keinen festen Meeresboden, in den sie ihren Anker werfen kann. Dennoch ist die Sache nicht aussichtslos. Wichtig ist es, an den Argumenten zu arbeiten, wo immer man im Leben auch steht. Je schärfer sie sind und je unwiderlegbarer, umso größer die Chance, dass die Minderheit doch mehr Individuen aus der Mehrheit mit guten Argumenten überzeugen kann.

Geistesklarheit und kritisches Denken sind Fähigkeiten, die wir in aller Regel nicht von Geburt an besitzen, sondern uns nach und nach im Leben durch Erfahrungen erwerben müssen. Dass es gelingen kann, zeigen ja auch kleine Fortschritte. Wie zäh es jedoch ist, wie lange es dauert, zeigen die Beispiele aus der Gegenwart, die teilweise unverändert auf Jahrtausende des gleichen Schwachsinns zurückschauen können, ohne sich je angeschickt zu haben, sich endlich zu verändern. Wir müssen einfach nur in viel größeren Zeiträumen hoffen und hoffen und sollten uns nicht nur auf ein paar lächerliche Jahrtausende in der Menschheitsentwicklung stützen… Dann wird das schon im Sinne Schillers noch etwas werden.!

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