Friedrich Wilhelm Nietzsche über Übel

  • Alles Entscheidende entsteht trotzdem.

Friedrich Wilhelm Nietzsche

deutscher Philosoph

* 15.10.1844 Röcken bei Lützen in Sachsen
† 25.08.1900 Weimar

Gedanken von Christa Schyboll zum Zitat

Angesichts der Behauptung von Friedrich Wilhelm Nietzsche »Alles Entscheidende entsteht trotzdem« darf man sich fragen, was Nietzsche mit diesem "trotzdem" meint. Trotz was denn genau? Trotz Protest aus irgendeiner Ecke? Trotz Geldmangel? Trotz Gesetzgebung, die dagegen steht? Die Frageliste wäre fortzuführen… Oder meint Nietzsche letztlich nichts von all diesen äußeren Bedingungen, die zum Entstehen des Entscheidenden beitragen?

Vielleicht spricht er von einer höheren Ordnung in allem? Einer natürlichen Ordnung, die sich über den egoistischen Willen des Menschen so oder so auch deswegen hinwegsetzt, weil sie stärker ist, das Ganze im Blick hat und universellen Gesetzmäßigkeiten folgt? In einem solchen Fall wäre dann auch die Frage des Schicksals von Relevanz. Sie würde bedeuten, dass der menschliche Wille, so stark er auch sein mag, nicht der alleinige Faktor ist, der mit Hilfe seiner äußeren Werkzeuge das, was entstehen muss und will, allein verhindern wird.

Der Mensch kann zum Entstehen im Bereich der äußeren Erscheinungen mit vielen Werkzeugen arbeiten. Diese können im materiellen, finanziellen, technischen, organisatorischen sozialen oder gesellschaftlichen Gefüge verortet sein. Hier gibt es einen großen und flexiblen Spielraum der Möglichkeiten, wenn es um das Entstehen geht. Dennoch sind trotz all dieser Gelegenheiten dem Menschen oft auch die Hände gebunden, wenn es um das Entstehen bestimmter Entwicklungen oder Ereignisse geht. Er hat eben nicht alles in der Hand. Die Komplexität, die beispielsweise gesellschaftliche Entwicklungen betrifft, übersteigen oftmals seinen Gestaltungswillen. Alles entgleitet – bestimmte Dinge passieren trotz aller Voraussicht oder Planung.

Was Nietzsche unter dem Begriff des "Entscheidenden" genau versteht, ist mir nicht bekannt. Entscheidendes ist vermutlich etwas Universelles an sich, selbst dann, wenn es sich zunächst nur lokal und nicht gleich global, gar universell bemerkbar macht.

Durch das Adverb "trotzdem" stellt, Nietzsche, der Gottlose, damit eine schöpferische Kraft in das Zentrum dieser Aussage, die sich über den Willen des Menschen erhebt. Vielleicht, weil er ahnte oder wusste, dass die Dynamik des Lebens sich nicht nur an den Wünschen egoistischer menschlicher Bedürfnisse orientiert, sondern Größeres in seinem Plan hat? Oder vielleicht auch deshalb, weil er durch genaue Beobachtung der Welt, wie er sie sah, selbst erfuhr, dass die Gesetzmäßigkeit von Entstehen und Vergehen eines wundervollen Zusammenspiels vieler Kräfte braucht? Inwieweit der Mensch selbst auch Spielball dieser Kräfte ist, hat ein jeder für sich selbst herauszufinden.

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