Gotthold Ephraim Lessing über Bescheidenheit

  • Alle großen Männer sind bescheiden.

Gotthold Ephraim Lessing

deutscher Schriftsteller

* 22.01.1729 Kamenz, Oberlausitz
† 15.02.1781 Braunschweig

Gedanken von Christa Schyboll zum Zitat

Der bedeutende Dichter der deutschen Aufklärung und Dramatiker großer Bühnenwerke, Gotthold Ephraim Lessing, behauptete einst: "Alle großen Männer sind bescheiden." Wen mag er damit im Blick gehabt haben? Unter den historisch großen Männern sind durchaus eine ganze Reihe sehr unbescheidene Alpha-Tiere zu finden, die neben ihren äußeren Groß-Taten vor allem auch durch ihre Maßlosigkeit glänzten. Sie bauten Land- oder Finanzimperien auf, führten Kriege oder krönten sich zum Kaiser. Es waren historisch durchaus große Männer – aber mit der Bescheidenheit war es nicht weit her. Also muss Lessing eine andere Form von "Größe" im Blick gehabt haben als jene, die uns zunächst spontan in den Sinn kommt.

Zu vermuten ist, dass Lessing wohl vor allem – wenngleich nicht nur - eine innere Größe meinte, die ihn tief beindruckte. Diese Größe kann aber muss nicht automatisch auch an einen großartigen, bedeutenden Außenerfolg geknüpft sein. Hier wird der Begriff der Größe vor allem mit einer geistigen Haltung, gepaart mit Talenten und Können verbunden. Auch sie sind in der Geschichte der Menschheit namentlich zu finden. Man denke an Jesus, Gandhi, Martin Luther King – wie aber auch an Frauen wie Mutter Teresa oder Hildegard von Bingen, die trotz ihrer inneren Größe vor allem in der Tugend der Bescheidenheit aus der Masse der Menschen hervor stachen.

Bescheidenheit und Größe sind eine tief beeindruckende wie zugleich auch noch seltene Kombination vor allem auch dann, wenn diese Größe sowohl eine innere wie auch eine äußere ist. Sie geht immer auch einher mit einer persönlichen Mäßigung und verneint die Arroganz, den Hochmut und die Überheblichkeit. Es ist eine Frage des Bewusstseins, das diese Menschen nicht nur entwickelt haben, sondern auch glaubhaft leben und deshalb so vorbildhaft auf ihre Mitmenschen wirken. Wer wirkliche Größe besitzt, durchschaut die Fallen der Eitelkeit und wird sie auch leicht zu meiden wissen.

Fehlt aber diese Bescheidenheit, so wäre nach der Logik Lessings die wahre Größe des scheinbar Großen deshalb in Frage zu stellen, weil noch diese entscheidende Tugend unentwickelt ist.

Bescheidenheit ist eine Eigenschaft, die auch zur inneren Freiheit führt. Freie Menschen können Entscheidungen klarer treffen und selbstbestimmter handeln. Der Verzicht, den ein wahrer Bescheidener übt, obschon er alle Macht in der Hand hat, ist dann ein leichter, weil sein Bewusstsein die Fallen der Verführung klar erkennt und verneinen wird.

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