Heinrich von Kleist über Entschlossenheit

  • Die Überlegung findet ihren Zeitpunkt weit schicklicher nach als vor der Tat. Wenn sie vorher oder in dem Augenblick der Entscheidung selbst ins Spiel tritt, so scheint sie nur die zum Handeln nötige Kraft, die aus dem herrlichen Gefühl quillt, zu verwirren, zu hemmen und zu unterdrücken; dagegen sich nachher, wenn die Handlung abgetan ist, der Gebrauch von ihr machen läßt, zu welchem sie dem Menschen eigentlich gegeben ist, nämlich sich dessen, was in dem Verfahren fehlerhaft und gebrechlich war, bewußt zu werden und das Gefühl für andere künftige Fälle zu regulieren. Das Leben selbst ist ein Kampf mit dem Schicksal, und es verhält sich auch mit dem Handeln wie mit dem Ringen. Der Athlet kann in dem Augenblick, da er seinen Gegner umfaßt hält, schlechthin nach keiner andern Rücksicht als nach bloßen augenblicklichen Eingebungen verfahren, und derjenige, der berechnen wollte, welche Muskeln er anstrengen und welche Glieder er in Bewegung setzen soll, um zu überwinden, würde unfehlbar den kürzern ziehn und unterliegen.

Heinrich von Kleist

deutscher Schriftsteller

* 18.10.1777 Frankfurt an der Oder
† 21.11.1811 Wannsee bei Potsdam

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