Jean Paul über Kindheit

  • Mit einer Kindheit voll Liebe aber kann man ein halbes Leben hindurch für die kalte Welt haushalten.

Jean Paul

deutscher Schriftsteller

* 21.03.1763 Wunsiedel
† 14.11.1825 Bayreuth

Gedanken von Christa Schyboll zum Zitat

Nicht jedem Kind dieser Welt ist eine glückliche Kindheit beschert. Nicht jedes Kind wird behütet, geliebt und erfährt die notwendigen stärkenden Prägungen, die sein Leben infolge stark beeinflussen werden. Solche Erfahrungen des Mangels am seelisch Existentiellen haben selbstverständlich völlig andere Folgen für den werdenden Menschen als der umgekehrte Fall, den Jean Paul in seinem Zitat anmerkt.

Kinder, die Warmherzigkeit, Liebe und Geborgenheit erfahren, erfahren damit auch ein Urvertrauen, das sie für diese Welt stark macht. Voraussetzung ist jedoch, dass hier der Begriff der Liebe nicht mit jener Verwöhntheit verwechselt wird, die so manche Eltern als Liebe ausgeben, aber ihr Kind damit schädigen.

Liebe und Verantwortung sind zwei tragende Säulen, die ein Kind beide erfahren sollte, um später all jenen Schwierigkeiten gewachsen zu sein, die auf die meisten Menschen früher oder später zukommen.

Dazu gehört neben der Geborgenheit auch als Ausdruck einer wahren Liebe die Förderung der kindlichen Talente. Forderung und Förderung sollten dabei niemals die ehrgeizigen Pläne der Eltern im Fokus haben, sondern die Entwicklung einer gesunden Persönlichkeit. Diese braucht neben einer Anforderung zugleich auch einen Freiraum. Das Kind muss so lange Kind bleiben dürfen, wie es sein persönliches Gedeihen erfordert.

Manch ein Kind verträgt beispielsweise schon etwas früher eine erste intellektuelle Anforderung als ein anderes. Bei vielen Kindern jedoch ist eine verfrühte Ansprache an den Intellekt in einem bestimmten Alter auch eine ungesunde Angelegenheit. Denn Kräfte für die die Aufnahme des geistigen Stoffes, der nun verstanden werden soll, stehen im heranwachsenden Kind in einer bestimmten Periode der Entwicklung nicht mehr für die Körperorgane zur Verfügung, die sich noch weiter ausbilden und stärken und auch nicht für sein noch zartes Seelenleben. Vor einer Verfrühung, die meist aus einer elterlichen Sorge heraus vorangetrieben wird, ist dringend zu warnen. Denn was zu gewissen Zeiten fehlt, kann nicht immer auch beliebig nachgeholt werden. Und es ist auch kein Zeichen von Liebe, wenn aus Sorge um die Zukunft eines Kindes ein früher Drill – mit was auch immer – beginnt, weil die Eltern einfach kein Vertrauen in die natürliche Entwicklung ihres eigenen Kindes haben.

Kinder brauchen Liebe und Geborgenheit. Sie brauchen Freiraum und Spiel. Sie brauchen auch im gesunden Maß Forderung und Förderung. Aber all das brauchen sie immer gemäß ihrer eigenen kindlichen Entwicklung. Hat man dieses kluge Fundament, gepaart mit Liebe und Geborgenheit bekommen, dann kann man persönlich und beruflich auch in späteren kalten Welten als Mensch gut bestehen.

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