Ludwig Feuerbach über Meinung

  • Niemand urteilt schärfer als der Ungebildete. Er kennt weder Gründe noch Gegengründe und glaubt sich immer im Recht.

Ludwig Feuerbach

deutscher Philosoph

* 28.07.1804 Landshut
† 13.09.1872 Rechenberg bei Nürnberg

Gedanken von Christa Schyboll zum Zitat

Dem bedeutenden Philosophen Ludwig Feuerbach war es offenbar zuwider, wenn der Ungebildete ein scharfes Urteil zu einer Sachlage fällte. Hintergrund dürften sein Wissen und seine Erfahrung sein, wie schnell Menschen sich in Vorurteilen verfangen und diese selbst nicht durchschauen. Wer sein eigenes Denken nicht kritisch hinterfragt und die Sache mit dem Urteilen ohne eigene Kompetenz angeht, wird viel schneller zu einer scharfen Verurteilung kommen als jemand, der es gewohnt ist, die Sachlage des Für und Wider fein abzuwägen.

Um dies zu können, müssen oftmals viele Details bekannt sein. Was dabei alles zu erwägen ist, was als scheinbarer Nebeneffekt plötzlich mit ins Zentrum der Betrachtungen führen kann und welche Umstände im Außen auch immer wieder unterschiedlich mit zu berücksichtigen sind, wird der ungebildete Mensch meist nicht näher untersuchen wollen oder können. Er urteilt meist aus einer spontanen Haltung von Sympathie oder Antipathie zu einer Sache, einem Menschen oder einem Ereignis heraus. Er lässt sich oftmals allein von seinen so genannten Bauchgefühlen leiten, die zwar für ihn selbst authentisch sein mögen, aber dennoch eine Urteilsbefähigung vermissen lassen.

Und natürlich glaubt er sich im Recht. Je weniger differenziert ein Mensch Dinge betrachten gelernt hat, umso eher wird die Sache mit der Rechthaberei zu einem echten Problem, das zumeist jedoch nicht einmal mit ihm diskutiert werden kann. Denn der Ungebildete redet nicht lang drum herum, weil die Welt für ihn zwischen schwarz und weiß oder gut und böse stattfindet. Die Fronten sind meist klar. Trifft ein solcher Typus auf einen ausgewiesenen Denker, der es gewohnt ist, alles nach einer feinen Analyse ergebnisoffen zuzuordnen, ist der Eklat in der Regel vorprogrammiert. Denn der Ungebildete lässt sich nicht gern etwas sagen. Ob er dem, was es zu sagen gäbe, dazu aber auch inhaltlich folgen könnte, ist noch eine andere Frage.

Was zählen ihm Gründe und Gegengründe, wenn die Sachlage zwischen gut und böse für ihn eindeutig ist? Nichts! Die Kluft zwischen diesen beiden Menschentypen wird noch lange tief sein, vielleicht ist sie unüberbrückbar. Doch die Chance, dass der Ungebildete sich irgendwann doch einmal einen kritischen Geist aneignet, ihn trainiert und fördert, ist gegeben und könnte zum Band einer neuen Verständigung über die Sache des Urteilens werden.

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