Novalis über Sinn

  • »Wo gehn wir denn hin?«
    »Immer nach Hause.«

Novalis

deutscher Dichter

* 02.05.1772 Gut Oberwiederstedt, Mansfeld
† 25.03.1801 Weißenfels

Gedanken von Christa Schyboll zum Zitat

Der früh verstorbene Schriftsteller und Philosoph der Frühromantik, Georg Philipp Friedrich von Hardenberg, der sich unter dem Namen Novalis in die Weltliteratur einschrieb, hinterließ uns in seinem Werk "Heinrich von Ofterdingen" das Zitat mit der Frage, wohin unser Weg führt. Die Antwort lieferte er in seinem Romanfragment gleich mit. Doch was meint er damit? Seine Antwort löst in mir Assoziationen zum Begriff des "Zuhause" aus.

Für mich greift es zu kurz, nur allein jenes Zuhause zu meinen, in dem wir als Kinder aufwuchsen. Gemeint ist die Heimat unserer Kindheit, die uns vielleicht lieb und teuer war und die uns mit seiner häuslichen Umgebung und seinem mitmenschlichen Umfeld für unser ganzes Leben prägte. Eine Reihe von Menschen mögen sich im späteren Leben noch einmal auf diese Kindheitsspuren begeben, weil sie die schönen Erinnerungen daran neu heraufbeschwören möchten oder auch andere Gründe haben, sich nochmals in diese alte Kinderheimat gedanklich oder örtlich hineinzuversetzen.

Dennoch ist für viele Menschen das wahre Zuhause ein mehr metaphysischer Raum oder eine religiös-spirituelles Heimstatt. Eine innere Heimat, aus der Seele und Geist entspringen. Hier tritt der Begriff des Schöpfers oder der Schöpfung in den Mittelpunkt des Gedankens. Für viele ist dies zugleich ein Hineinfühlen an eine ewige Quelle. Manch einer assoziiert diese Quelle unserer Urheimat mit dem Gefühl des Friedens, des Geborgenseins, des Schutzes und der Harmonie. Und das wiederum hat eine direkte Korrespondenz für all jene Menschen, die eine unbelastete Kindheit erleben durften, wo sie geliebt, geschützt und geachtet wurden. Eine heile Welt, die vielen versagt ist, aber dennoch auch eine Reihe von Menschen erleben dürfen. Eine Welt, die für eine gewisse Zeit auch in der Realität des Alltags eine Wirklichkeit wurde, welche jedoch nur vorübergehend ist.

Wo also ist das Zuhause, das wir lebenslang auf unseren Wegen aufsuchen? Liegt es in unserer Vergangenheit, in der Kindheit, im Mutterleib oder in früheren Leben, die uns nicht zugänglich sind? Oder liegt es in der Zukunft, durchwandern wir ein Rund des Erlebens und der Entwicklung in Form einer gedachten Spirale, die uns höher und höher führt; zu immer mehr und tieferen Erkenntnissen und einem erweiterten Bewusstsein für die Dinge des Seins?

Vielleicht ist es zu eingegrenzt, dieses Zuhause als einen räumlich-zeitlichen Begriff zu denken. Vielleicht ist es mehr eine innere Urheimat einer Sehnsucht nach Harmonie und Liebe, die wir alle in der einen oder anderen Form in uns tragen?

Der Begriff des Zuhauses kann man vielleicht auch als eine Metapher verstehen, die die für die Vergangenheit und die Zukunft zugleich steht. Ein ewiges Rund unserer Seelenheimat. Ein Zustand des Friedens und der Wunschlosigkeit, der nur allein in der Kraft der Gegenwart zu erreichen ist, wenn wir unser Leben nur in der richtigen Weise mit Sinn erfüllen.

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