Peter Rosegger über Kindheit

  • Ein Kind ist ein Buch, aus dem wir lesen und in das wir schreiben sollten.

Peter Rosegger

österreichischer Schriftsteller

* 31.07.1843 Alpl bei Krieglach, Obersteiermark (Österreich)
† 26.06.1918 Krieglach, Obersteiermark (Österreich)

Gedanken von Christa Schyboll zum Zitat

Der österreichische Schriftsteller und Poet Peter Rosegger wusste um die kindliche Seele und die Feinheiten, die wir als Erwachsene dann herauslesen können, wenn wir uns die Sinne für dieses Lesen und seelische Erlauschen behalten oder verfeinert haben.

Kindern ist vieles mit ihrer Geburt an Talenten und Schwächen schon eingeschrieben, dass sich auf den ersten Blick nicht unbedingt auch jedem schon kundtut. Hinter jedem Kind steckt eine Persönlichkeit, deren Individualität aber noch nicht klar hervortreten kann. Das braucht noch Reifungs- und Formungsprozesse. Die kindliche Persönlichkeit zu erkennen, ist die Kunst, die jeder gute Pädagoge erlernen sollte. Erkennt er ein Kind in seinem ursprünglichen Wesen, dann hat er das beste Handwerkszeug dafür an der Hand, es auch individuell zu fördern und zu leiten. Er wird dann auch erspüren, wo die Grenzen seiner Forderungen sind, wo das Kind sich überlastet fühlt oder wo es noch zu vielem bereit ist, wenn man seine Talenten und Stärken konstruktiv fördert.

Kinder wissen eine lange Zeit nicht um sich selbst. Selbstbewusstein vollzieht sich in unsäglich viele und meist auch unbemerkten Entwicklungsschritten. Für die meisten Menschen ist es ein lebenslanger Prozess, weil es doch immer wieder Neues zu entdecken gilt. Kinder träumen sich zunächst noch in die Welt hinein. Sie zu früh und auf die falsche Weise aus diesem Traum herauszuholen, kann zu großen Schädigungen der Seele, des Gemütes und auch der geistig-intellektuellen Entwicklung führen. Zu früh bedeutet beispielsweise, Kleinkinder zu früh an Technik heranzuführen, sie intellektuell damit zu überlasten und sie in eine nicht kindgerechte Welt von Gedanken einzuführen, die wichtige Schritte in der geistigen Entwicklung der Persönlichkeit überspringt.

Leider haben viele Eltern und teils auch Pädagogen keine oder noch zu wenig Ahnung von dieser Gefahr einer drohenden Fehlentwicklung, wenn man glaubt, die Dinge zur Unzeit forcieren zu müssen. Dann wird die zarte Pflanze, die ihrer Blüte entgegen strebt, zu früh im Wachstum gebremst.

Von der Gefahr einer unzeitgemäßen Entwicklung

Noch nie in der Menschheitsgeschichte war wohl die Gefahr für eine unzeitgemäße Entwicklung für Kinder so groß wie heute, weil die Bedingungen und Belastungen unserer modernen Zeit zwischen Technik und Hetze, Atemlosigkeit und Anforderung, unter denen viele Kinder aufwachsen, noch nicht in ihrer Brisanz voll erkannt werden.

Dabei sprechen die extremen Zunahmen von psychischen Störungen bei Kindern aller Altersstufen und auch bei Erwachsenen eine überdeutliche Sprache und müssten Warnung genug sein. Doch diese Warnungen werden letztlich noch immer in den Wind geschlagen und die kausalen Zusammenhänge von Verfrühungen, Überlastungen, Fehlentwicklungen nicht begriffen. Sie anzunehmen würde ja auch bedeuten: Es muss in so vielen Bereichen umgesteuert werden, was gesellschaftlich schon jetzt zu einem sehr schwierigen Prozess würde. Den traut sich kein Politiker zu. Wohlwissend, viele Bereiche von Wirtschaft stünden Kopf! Dann nimmt man doch lieber doch die steigenden Krankheitszahlen und psychischen Überlastungen in Kauf.

Gewiss, zu anderen Zeiten und Epochen waren es ganz andere bittere Umstände, die eine hohe Kindersterblichkeit oder schwerste Krankheiten auf der Körperebene verursachten. Diese Gefahren sind in den meisten Gegenden der Welt dank der medizinischen Forschung und Entwicklung weitgehend eingedämmt. Aber heute lauern eben ganz andere Gefahren durch unsere durch und durch technisierte Gesellschaft, die zwar auf den ersten Blick auch tatsächlich sehr viele Vorteile für alle Menschen bietet und die wir alle schätzen, aber auf den zweiten Blick für Kinder in ihrem ebenfalls vorhandenen Risiko nicht unterschätzt werden sollte – was sie aber wird.

Was aber sollen wir nach Peter Rosegger in die Kinder "einschreiben"…? Was will in diesem Buch, das schon so viel enthält, noch zusätzlich „eingetragen werden? Diese Frage ist auch unter dem Blickwinkel von Zeitepochen zu beantworten.

Ein paar Prämissen jedoch gelten vermutlich für alle Zeiten, alle Kinder und alle Kulturen: Was wir einschreiben sollten, ist Liebe. Und diese Liebe will nicht mit Worten, sondern mit ganz konkreten Taten verwirklicht werden. Sie bedeutet, dem Kind Zeit zu schenken und Vertrauen in sein Wesen - mag es sein, wie es ist. Es bedeutet Akzeptanz, Pflege, Schutz und Spiel, Freude und Lachen… um einige der wichtigsten zu nennen. Schreiben wir all das und mehr dem Buch des Lebens der Kinder ein, werden sich ihre natürlichen Anlagen entfalten und lebendig nach dem immer Besseren streben.

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