Victor Hugo über Zukunft

  • Die Zukunft hat viele Namen. Für die Schwachen ist sie das Unerreichbare. Für die Furchtsamen ist sie das Unbekannte. Für die Tapferen ist sie die Chance.

Victor Hugo

französischer Schriftsteller

* 26.02.1802 Basançon (Frankreich)
† 22.05.1885 Paris (Frankreich)

Gedanken von Christa Schyboll zum Zitat

So lange Menschen leben, war ihre Zukunft unsicher. Kriege, Krankheiten, Armut, Naturkatastrophen, politische oder religiöse Wirren gaben sich oftmals allein schon in einem Menschenleben so oft die Türklinke in die Hand, dass man froh sein durfte, überhaupt einige Jahrzehnte auf der Erde zu überleben. In vielen Erdteilen finden diese ständigen Prozesse von Aufbau und Zerfall bis heute statt. Überall gab es historische gesehen auch immer wieder einmal längere Ruhezonen, wo es weniger gefährlich oder hektisch für die Menschen in bestimmten Regionen zuging. Dennoch sind bis heute eine große Anzahl von Völkern in vielen Ländern durch Krieg und Not der Gefahr eines frühen Todes ausgesetzt. Das macht vielen Angst und hat seine faktische Berechtigung.

Die Zukunft ist ein unwägbares Ding, das nur allien im Kraftpunkt der Gegenwart zu beherrschen ist. Doch für eine solche Handhabung der Wirklichkeit braucht es in der Seele des Menschen auch die entsprechend starke Haltung.

Der französische Schriftsteller Victor Hugo kategorisierte die Zukunftsbeherrschung durch das Verhalten bestimmter Charaktere. Dazu nahm er die Schwachen, für die die Zukunft das Unerreichbare deshalb darstellte, weil ihr Mut zu klein und die Phantasie für die eigenen noch ungenutzten oder unerkannten Talente viel zu armselig war, um aus dem ungeliebten Status quo der Schwäche endlich herauszutreten. Schwache Menschen glauben an fast nichts – und am allerwenigsten an sich selbst. Sie trauen ich nichts zu. Wie soll da Zukunft zu einem phantastischen Gebilde werden? Jeder Traum ist müßig, weil für sie nicht realisierbar.

Die Furchtsamen, die in die Zukunft schauen, haben in der Regel eine ganze Reihe von bösen Erinnerungen, die ihnen selbst oder anderen nahen Angehörigen schon widerfahren sind. Sie wissen zwar rein kognitiv, dass jegliches Leben irgendwann einmal tödlich enden wird, aber können mit diesem unverrückbaren Tatbestand nicht offen und konstruktiv umgehen. Dieser Fakt wird verdrängt.

Im Kopf die infernalische Gefahr des Lebens

In den Köpfen der Furchtsamen r ballen sich Probleme und Gefahren wie schwerste Gewitterwolken zu grauenvollen Vorstellungen zusammen. Sie sind bedrohlich und mächtig, dominieren das Gefühl der Angst und drohen sich jederzeit mit infernalischer Gewalt auf sie herabzustürzen. Und das Leben gibt ihnen in ihrer destruktiven Sichtweise auch noch häufig Recht, wenn sie dann von all den grausamen Neuigkeiten durch die Medien erfahren, was wie wo wann wieder alles an Entsetzlichem passierte. Zahllos dabei die Menschen, die wöchentlich Leben oder Hab und Gut verlieren. Die eigenen bitterbösen Vorstellungen von der Welt werden dann durch diese Tatsachen noch untermauert und genährt. Man wusste ja immer schon, wie schlimm das Leben sein kann und bekommt auch ständig einen Beweise dafür.

Vergessen wird bei dieser Grundhaltung dabei die Relation der Anzahl derer, die zugleich aber auch in Frieden und Harmonie lebten, schöne Dinge erschufen, glücklich waren oder schöpferisch tätig die Welt verbesserten. Der Blick der Furchtsamen und Schwachen geht immer nur ins halbleere Glas – weil das halbvolle einfach keinen Trost spendet. Bei nicht wenigen der Ängstlichen ist es vielleicht auch schon zum Automatismus des Grauens geworden, sich das eigene zukünftige Leben vor allen Dingen schwarz zu malen. Und erlebt man trotzdem etwas Gutes, so ist es doch nur kurz und vorübergehend, nicht dauerhaft zu halten, was ihre Welt sofort wieder düster werden lässt. Es gibt eben keine Garantien, aber die Furchtsamen hätten sie doch so gerne.

Heraustreten könnte diese Gruppe aus ihrem Dilemma, wenn sie es schaffen, die Blickrichtung zu wechseln. Zu all jenen Menschen hin, die ebenfalls in ihrer Umgebung leben, aber das Leben selbst ganz anders gestalten. Wenn sie nur genauer beobachten würden, warum in einer vergleichbaren Situation die gleiche Sachlage auch anders handhabbar ist, würden sie neue Impulse bekommen, die zu eigenen Verhaltensänderungen führt. Doch dazu braucht es auch die Liebe zur Veränderung, die die Furchtsamen ähnlich meiden, wie der Teufel das Weihwasser.

Die innere Haltung entscheidet über den wahren Reichtum

Für die Tapferen ist die Zukunft eine Plastik, die sie vor allem selbst gestalten. Sie wissen: Hier liegt die Chance für ein einzigartiges Kunstwerk, dass ich mit meinen Lebenskünsten individuell gestalten kann. Tod oder aller anderen Gefahren und Schwierigkeiten zum Trotz. Auch politische Wirren, Kriegen, Rebellionen oder der ganz persönliche Hunger können die wahren Künstler und Forscher des Lebens oftmals nicht aufhalten. Ihre Lebendigkeit und ihr Trieb zum schöpferischen Schaffen sind auch selbst in Zeiten der persönlichen Not ungebrochen stark.

Sie ahnen oder wissen, dass ihre Arbeit das Zünglein an der Waage ist, das zur Weiterentwicklung oder Stagnation von Geist und Kultur in der Menschheit beiträgt. Selbst Armut, Krankheit oder mangelnde Möglichkeiten, die durchaus auch starke Hemmnisse für die Tapferen des Lebens sein können, werden sie oftmals überwinden und sie werden das tun, was sie selbst für richtig und wichtig halten. Sie fragen oft auch nicht nach Gewinn oder Anerkennung, sondern empfinden sich als bildende Lebensgestalter. Vielen großen Künstlern blieb zu Lebzeiten oder auch auf immer jene Anerkennung der Mitmenschen versagt, die sie so sehr verdient hätten. Ihr oft selbstloser Dienst an der Sache steht über allem. Und es ist auch nicht immer die klassische Kunst, wo sich das Tapfere entscheidet, sondern es kann auch der Kampf einer alleinstehenden Mutter um die Förderung ihrer Kinder sein oder der politische Kampf um idealistische Ziele und vieles andere mehr.

Die Tapferen finden im Prinzip die gleichen oder ähnlichen Bedingungen in der Außenwelt vor, wie die zur gleichen Zeit lebenden Schwachen oder Furchtsamen. Es ist also nicht die Realität der Welt, sondern die eigene innere Einstellung zu den faktischen Tatsachen der Wirklichkeit, was sie unterscheidet. Ihr beseelter Geist, der nicht sich selbst mit seinen kleinen Ängsten und Minderwertigkeiten im Fokus hat, sondern eine höhere, dritte Sache, die dann auch Kräfte erwachsen lässt, von denen die anderen nicht einmal zu träumen wagen - und so aber auch viel von den reichen Möglichkeiten des Lebens verpassen.

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