Karl Kraus

91 Zitate, Sprüche & Aphorismen Autor

Eine merkwürdige Art Mensch ist der Beamte eines magistratischen Bezirksamtes. Erledige ich eine Angelegenheit schriftlich, so lädt er mich vor. Gehe ich das andere Mal gleich selbst hin, so fordert er mich auf, eine Eingabe zu machen. Ich muss rein auf die Vermutung kommen, dass er das eine Mal mich kennen lernen und das andere Mal ein Autogramm von mir haben wollte.

Eine Notlüge ist immer verzeihlich. Wer aber ohne Zwang die Wahrheit sagt, verdient keine Nachsicht.

Eine umfassende Bildung ist eine gut dotierte Hausapotheke. Aber es besteht keine Sicherheit, daß nicht für Schnupfen Zyankali gereicht wird.

Einen Aphorismus kann man in keine Schreibmaschine diktieren. Es würde zu lange dauern.

Einen Aphorismus zu schreiben, wenn man es kann, ist oft schwer. Viel leichter ist es, einen Aphorismus zu schreiben, wenn man es nicht kann.

Einer, der Aphorismen schreiben kann, sollte sich nicht in Aufsätzen zersplittern.

Enthaltsamkeit rächt sich immer. Bei dem einen erzeugt sie Pusteln, beim andern Sexualgesetze.

Erotik ist Überwindung von Hindernissen. Das verlockendste und populärste Hindernis ist die Moral.

Es gibt keine Wollust, die an das Hochgefühl geistiger Zeugung heranreicht.

Es gibt nur eine Möglichkeit, sich vor der Maschine zu retten. Das ist, sie zu benützen. Nur mit dem Auto kommt man zu sich.

Es ist nicht wahr, daß man ohne eine Frau nicht leben kann. Man kann bloß ohne eine Frau nicht gelebt haben.

Es kommt bei einer Frau nicht nur auf Äußerlichkeiten an. Auch die Dessous sind wichtig.

Gedanken sind zollfrei. Aber man hat doch Scherereien.

In zweifelhaften Fällen entscheide man sich für das Richtige.

Kein Zweifel, der Hund ist treu. Aber sollen wir uns deshalb ein Beispiel an ihm nehmen? Er ist doch dem Menschen treu und nicht dem Hund.

Keine Grenze verlockt mehr zum Schummeln als die Altersgrenze.

Keinen Gedanken haben und ihn ausdrücken können: Das macht den Journalisten.

Krieg ist zuerst die Hoffnung, daß es einem besser gehen wird, hierauf die Erwartung, daß es dem anderen schlechter gehen wird, dann die Genugtuung, daß es dem anderen auch nicht besser geht, und hernach die Überraschung, daß es beiden schlechter geht.

Kunst ist etwas, was so klar ist, daß es niemand versteht.

Künstler ist nur einer, der aus der Lösung ein Rätsel machen kann.

Liebe und Kunst umarmen nicht was schön ist, sondern was eben dadurch schön wird.

Moderne Architektur ist das aus der richtigen Erkenntnis einer fehlenden Notwendigkeit erschaffene Überflüssige.

Nichts wird dem deutschen Humoristen zum größeren Erlebnis als die Vorgänge der Verdauung.

Polemik soll den Gegner um seine Seelenruhe bringen, nicht ihn belästigen.

Psychoanalyse ist mehr eine Leidenschaft als eine Wissenschaft.

Psychologie ist der Omnibus, der ein Luftschiff begleitet.

Satiren, die der Zensor versteht, werden mit Recht verboten.

Satiren, die der Zensor versteht, werden mit Recht verboten.

Schönheit vergeht, weil Tugend besteht.

Sexuelle Aufklärung ist insoweit berechtigt, als die Mädchen nicht früh genug erfahren können, wie die Kinder nicht zur Welt kommen.

Sie ist mit einer Lüge in die Ehe getreten. Sie war eine Jungfrau und hat es Ihm nicht gesagt.

Sie sagte sich: Mit ihm schlafen, ja - aber nur keine Intimität!

Tugend und Laster sind verwandt wie Kohle und Diamant.

Tänzerinnen haben die Sexualität in den Beinen, Tenöre im Kehlkopf. Darum täuschen sich die Frauen in den Tenören und die Männer in den Tänzerinnen.

Und wenn wir Deutschen Gott und sonst nichts in der Welt fürchten, so respektieren wir selbst ihn nicht um seiner Persönlichkeit willen, sondern wegen des Geräusches seiner Donner.

Vieles, was bei Tisch geschmacklos ist, ist im Bett eine Würze. Und umgekehrt. Die meisten Verbindungen sind darum so unglücklich, weil diese Trennung von Tisch und Bett nicht vorgenommen wird.

Vielleicht ginge es besser, wenn die Menschen Maulkörbe und die Hunde Gesetze bekämen, wenn die Menschen an der Leine und die Hunde an der Religion geführt würden. Die Hundswut könnte in gleichem Maße abnehmen wie die Politik.

Was sind alle Orgien des Bacchus gegen die Räusche dessen, der sich zügellos der Enthaltsamkeit ergibt!

Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten.

Wohltätige Frauen sind oft solche, denen es nicht mehr gegeben ist, wohlzutun.

Zum Teufel mit dem Geschwätz über die sexuelle Aufklärung der Jugend! Sie erfolgt noch immer besser durch den Mitschüler, der im Lesebuch das Wort »Horen« anstreicht, als durch den Lehrer, der die Sache als eine staatliche Einrichtung erklärt, die so wichtig sei und so kompliziert wie das Steuerzahlen.

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