Die Kritik gleicht einer Bürste. Bei allzu leichten Stoffen darf man sie nicht verwenden; denn sonst bliebe nichts mehr übrig.
Es gewährt selbst in den Punkten, wo man nicht glücklich war, eine besondere Befriedigung, mit Klarheit zu übersehen, was man zustande gebracht hat. Nichts ist schlimmer als Unklarheit über das eigene Handeln.
Betrachte dich zu jeder Frist! / Sieh, was du warst und was du bist / und was aus dir noch werden soll! / So hüt'st du dich vor Sünden wohl.
Der beste Beobachter und der tiefste Denker ist immer der mildeste Richter.
Die höhere Stellung der Kritik, ihr Lob und Tadel nach völliger Einsicht der Sache, hat auch an sich nichts, was unser Gefühl verletzt, sondern bekommt es erst dann, wenn der Kritiker sich plötzlich hervordrängt und in einem Ton spricht, als wenn alle die Weisheit, die ihm durch vollkommene Einsicht der Begebenheiten gekommen ist, sein eigenes Talent wäre.
Selbst der bescheidenste Mensch hält mehr von sich, als sein bester Freund von ihm hält.
Wenn die, die uns nachfolgten, uns nicht mehr erreichen können, schwören sie darauf, daß wir uns verirrt haben.
Wir sind leicht bereit, uns selbst zu tadeln. Unter der Bedingung, daß niemand einstimmt.
"Ich weiß, ich habe viel und große Mängel! " / Er spricht es nicht mit Scham, nein, mit Erdreisten / und denkt bei sich: Ein so famoser Bengel / wie ich kann sich ein Schock von Fehlern leisten.
Das ist klarste Kritik von der Welt, / wenn neben das, was ihm mißfällt, / einer was Eigenes, Besseres stellt.
Das Schlimme ist, daß man im Leben soviel durch falsche Tendenzen ist gehindert worden und daß man nie eine solche Tendenz erkannt, als bis man sich bereits davon frei gemacht.
Die Mängel erkennt nur der Lieblose. Deshalb, um sie einzusehen, muß man auch lieblos werden, aber nicht mehr, als hierzu nötig ist.
Es ist eine nicht genug gekannte und geübte Politik, daß jeder, der auf einigen Nachruhm Anspruch macht, seine Zeitgenossen zwingen soll, alles, was sie gegen ihn in petto haben, von sich zu geben. Den Eindruck davon vertilgt er durch Gegenwart, Leben und Wirken jederzeit wieder.
Halte dich nur im stillen rein / und laß es um dich wettern! / Je mehr du fühlst, ein Mensch zu sein, / desto ähnlicher bist du den Göttern.
Man kann die Erfahrung nicht früh genug machen, wie entbehrlich man in der Welt ist.
Mich freuen die vielen Guten und Tüchtgen, / obgleich so viele dazwischen belfen. / Die Deutschen wissen zu berichtgen, / aber sie verstehen nicht nachzuhelfen.
Unschuldig ist der Hoffnung Schmeichelei.
Wir reiten in die Kreuz und Quer / nach Freunden und Geschäften, / doch immer kläfft es hinterher / und billt aus allen Kräften. / So will der Spitz aus unserm Stall / uns immerfort begleiten, / und seines Bellens lauter Schall / beweist nur, daß wir reiten.
Wenn sich ein Mensch "Realist" zu nennen beginnt, kann man sicher sein, daß er etwas vorhat, dessen er sich insgeheim schämt.
Deine Tugenden halte für allgemeine des Menschen, / deine Fehler jedoch für dein besonderes Teil!
Den Schlechtesten selbst sollte man womöglich vor der Überzeugung schützen, daß er schlecht sei. Schon mancher ist schlecht geworden, weil er sich zu früh für schlecht hielt.
Es hat immer einen unendlichen Nutzen, sich so zu gewöhnen, daß man sich selbst zu einem beständigen Gegenstand seines Nachdenkens macht.
Es liegt etwas Niedriges darin, sich anders zu wünschen, als man ist.
Die Zucht, die der Mensch an sich selbst übt, kann nur durch den Frohsinn, der sie begleitet, verdienstlich und beispielhaft werden.
Die meisten Menschen legen den größten Wert auf die Meinung der anderen, obwohl ihnen diese doch als schmeichlerisch, unaufrichtig, neidisch und voreingenommen bekannt ist.
Ängstlich zu sinnen und zu denken, was man hätte tun können, ist das Übelste, was man tun kann.
Was ist wohl die schlechteste und welches ist die schönste Tat, die du in deinem Leben nach deinem Urteil begangen hast?
Sich selbst bekämpfen ist der allerschwerste Krieg. / Sich selbst besiegen ist der allerschönste Sieg.
Die Welt schändet immer, was man loben soll, und lobt, was man schänden soll.
Diejenigen, die nicht mit Aufmerksamkeit den Bewegungen ihrer eigenen Seele folgen, geraten notwendig ins Unglück.
Kein Mensch kann sich ohne sein Einverständnis wohl fühlen.
In dem Maße, wie der Wille und die Fähigkeit zur Selbstkritik steigen, hebt sich auch das Niveau der Kritik am andern.
Je ernster ein Kritiker seine Kritik nimmt, desto kritischer wird er seinen Ernst nehmen.
Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den andern, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.
Sei mit dir nie zufrieden, außer etwa episodisch, so daß deine Zufriedenheit nur dazu dient, dich zu neuer Unzufriedenheit zu stärken.
Du mußt jeden Tag auch deinen Feldzug gegen dich selber führen.
Es ist mehr Vernunft in deinem Leibe als in deiner besten Weisheit.
Jedes Ich zerteilt sich nämlich in einen Lehrer und in dessen Schüler oder zerspällt sich in den Lehrstuhl und in die Schulbank.
Strenge, wie mein Gewissen bemerkst du, wo ich gefehlet: / Darum hab' ich dich stets wie mein Gewissen geliebt.
Es ist nämlich eine triviale und nur zu häufig bestätigte Wahrheit, daß wir oft törichter sind, als wir glauben. Hingegen ist, daß wir oft weiser sind, als wir selbst vermeinen, eine Entdeckung, welche nur die, so in dem Fall gewesen, und selbst dann erst spät, machen. Es gibt etwas Weiseres in uns, als der Kopf ist. Wir handeln nämlich bei den großen Zügen, den Hauptschritten unseres Lebenslaufens, nicht sowohl nach deutlicher Erkenntnis des Rechtes, als nach einem inneren Impuls, man möchte sagen Instinkt, der aus dem tiefsten Grunde unseres Wesens kommt, und bemäkeln nachher unser Tun nach deutlichen, aber auch dürftigen, erworbenen, ja erborgten Begriffen.
Wer andere bekrittelt, arbeitet an seiner Selbstbesserung. Also die, welche die Neigung und Gewohnheit haben, das äußerliche Benehmen, überhaupt das Tun und Lassen der andern im Stillen, bei sich selbst, einer aufmerksamen und scharfen Kritik zu unterwerfen, arbeiten dadurch an ihrer eigenen Besserung und Vervollkommnung; denn sie werden entweder Gerechtigkeit oder doch Stolz und Eitelkeit genug besitzen, selbst zu vermeiden, was sie so oft strenge tadeln. Von den Toleranten gilt das Umgekehrte.
Man muß sich täglich Rechenschaft ablegen.
Was ist schöner als die Gewohnheit, seinen Tag einer genauen Prüfung zu unterwerfen? Welch ein Schlaf folgt auf diese Selbstbetrachtung, wie ruhig und unbeschwert!
Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das von sich eine schlechte Meinung hat.
Den Raben verzeiht, die Tauben plagt die Kritik.
Ich stelle täglich drei Fragen an mich selbst: War ich in dem, was ich für andere tat, auch wirklich gewissenhaft? War ich meinen Freunden gegenüber vollkommen aufrichtig? Habe ich alle Lehren, die mir zuteil wurden, auch tatsächlich befolgt?
Doch schienen mir, Ihr Athener, den gleichen Fehl wie jene Dichter auch die Meister des Handwerks zu haben: Weil sie so trefflich ihre Kunst ausübten, beanspruchte jeder von ihnen, auch sonst in den größten Dingen weise zu sein.
Zu welchen aber gehöre ich? Zu denen, die sich gerne widerlegen lassen, wenn sie etwas Falsches sagen.
Suche selbst deine Fehler zu erkennen; denn die Wohlwollenden machen dich nicht darauf aufmerksam, um dir nicht weh zu tun, die Feindseligen nicht, weil sie sich über diese Fehler freuen.
Konsalik muß ein glücklicher Mann sein, weil er keine Art von Selbstzweifeln zu kennen scheint. Damit ist er einer der wenigen Schriftsteller, die ich beneide.