Wie kleine Gegenstände, dem Auge nahegehalten, unser Gesichtsfeld beschränkend, die Welt verdecken, so werden oft die Menschen und Dinge unserer nächsten Umgebung, so höchst unbedeutend und gleichgültig sie auch seien, unsere Aufmerksamkeit und Gedanken über die Gebühr beschäftigen.
Wie man das Gewicht seines eigenen Körpers trägt, ohne es, wie doch das jedes fremden, den man bewegen will, zu fühlen, so bemerkt man nicht die eigenen Fehler und Laster, sondern nur die der andern.
Wie man in der Regel keinen Freund dadurch verlieren wird, daß man ihm ein Darlehen abschlägt, aber sehr leicht dadurch, daß man es ihm gibt, ebenso nicht leicht einen durch stolzes und etwas vernachlässigendes Betragen, aber oft infolge zuvieler Freundlichkeit.
Wie man, auf einem Schiffe befindlich, sein Vorwärtskommen nur am Zurückweichen und demnach Kleinerwerden der Gegenstände auf dem Ufer bemerkt, so wird man sein Alt- und Älterwerden daran inne, daß Leute von immer höheren Jahren einem jung vorkommen.
Wie Papiergeld statt des Silbers so kursieren in der Welt statt der wahren Achtung und der wahren Freundschaft die äußerlichen Demonstrationen.
Wie selbst der kräftigste Arm, wenn er einen leichten Körper fortschleudert, ihm doch keine Bewegung erteilen kann, mit der er weit flöge und heftig träfe, sondern derselbe schon in der Nähe matt niederfällt, weil es ihm an eigenem materiellen Gehalte gefehlt hat, die fremde Kraft aufzunehmen, ebenso ergeht es schönen und großen Gedanken, ja den Meisterwerken des Genies, wenn sie aufzunehmen keine anderen als kleine, schwache oder schiefe Köpfe da sind.
Wie töricht, zu bedauern und zu beklagen, daß man in vergangener Zeit die Gelegenheit zu diesem oder jenem Glück oder Genuß hat unbenutzt gelassen! Was hätte man denn jetzt mehr davon? Die dürre Mumie einer Erinnerung.
Wie unser Leib auseinanderplatzen müßte, wenn der Druck der Atmosphäre von ihm genommen wäre, so würde, wenn der Druck der Not, Mühseligkeit, Widerwärtigkeit und Vereitelung der Bestrebungen vom Leben der Menschen weggenommen wäre, ihr Übermut sich steigern, wenn auch nicht bis zum Platzen, doch bis zu den Erscheinungen der zügellosesten Narrheit, ja Raserei.
Wie Vernachlässigung des Anzuges Geringschätzung der Gesellschaft, in die man tritt, verrät, so bezeugt flüchtiger, nachlässiger, schlechter Stil eine beleidigende Geringschätzung des Lesers.
Will man den Grad von Schuld, mit dem unser Dasein selbst behaftet ist, ermessen, so blicke man auf das Leiden, welches mit demselben verknüpft ist. Jeder große Schmerz, sei er leiblich oder geistig, sagt aus, was wir verdienen: Denn er könnte nicht an uns kommen, wenn wir ihn nicht verdienten.
Wir gleichen den Lämmern, die auf der Wiese spielen, während der Metzger schon eines und das andere von ihnen mit den Augen auswählt; denn wir wissen nicht, in unseren guten Tagen, welches Unheil eben jetzt das Schicksal uns bereitet.
Wir sollten das, was wir besitzen, bisweilen so anzusehen uns bemühen, wie es uns vorschweben würde, nachdem wir es verloren hätten, und zwar jedes, was es auch sei: Eigentum, Gesundheit, Freunde, Geliebte, Weib, Kind, Pferd und Hund. Meistens belehrt erst der Verlust uns über den Wert der Dinge.
Wir sollten einander vielmehr uns gegenwärtig erhalten, daß die gewöhnliche Höflichkeit nur eine grinsende Maske ist: Dann würden wir nicht Zeter schreien, wenn sie einmal sich etwas verschiebt oder auf einen Augenblick abgenommen wird.
Wohl aber ist die Tugend der Bescheidenheit eine erkleckliche Empfindung für die Lumpe, da ihr gemäß jeder von sich zu reden hat, als wäre er auch ein solcher, welches herrlich nivelliert, indem es dann so herauskommt, als gäbe es überhaupt nichts als Lumpe.
Woran sollte man sich von der endlosen Verstellung, Falschheit und Heimtücke der Menschen erholen, wenn die Hunde nicht wären, in deren ehrliches Gesicht man ohne Mißtrauen schauen kann?
Wundern darf es mich nicht, daß manche die Hunde verleumden; / denn es beschämt zu oft leider den Menschen der Hund.
Überhaupt aber tragen glänzende, rauschende Feste und Lustbarkeiten stets eine Leere, wohl gar einen Mißton im Innern; schon weil sie dem Elend und der Dürftigkeit unseres Daseins laut widersprechen.
Überhaupt aber zeigt der, welcher bei allen Unfällen gelassen bleibt, daß er weiß, wie kolossal und tausendfältig die möglichen Übel des Lebens sind; weshalb er das jetzt eingetretene ansieht als einen sehr kleinen Teil dessen, was kommen könnte.
Überhaupt ist der Pantheismus nur ein höflicher Atheismus.
Überhaupt ist es geratener, seinen Verstand durch das, was man verschweigt, an den Tag zu legen, als durch das, was man sagt.
Überhaupt wirkt das Beispiel als ein Beförderungsmittel der guten und schlechten Charaktereigenschaften: Aber es schafft sie nicht.
Überlegenheit im Umgang erwächst allein daraus, daß man den andern in keiner Art und Weise bedarf und dies sehn läßt.
Übrigens ist es in der Gelehrtenrepublik wie in anderen Republiken: man liebt einen schlichten Mann, der still vor sich hingeht und nicht klüger sein will als die anderen.
Übrigens sind sie, vom ersten bis zum letzten Atemzuge Geschäftsleute, die geborenen Lastträger des Lebens. Ihre Genüsse sind alle sinnlich; für andere haben sie keine Empfänglichkeit. Man soll mit ihnen in Geschäften reden, sonst nicht. Geselligkeit mit ihnen ist Degradation, recht eigentliches Sichgemeinmachen.
Zorn oder Haß in Worten oder Mienen blicken zu lassen, ist unnütz, ist gefährlich, ist unklug, ist lächerlich, ist gemein. Man darf also Zorn oder Haß nie anders zeigen als in Taten. Letzteres wird man umso vollkommener können, als man ersteres vollkommener vermieden hat. Die kaltblütigen Tiere allein sind die giftigen.
Zu diesem Ende nun ist die Ehrenmaxime des ganzen weiblichen Geschlechts, daß dem männlichen jeder uneheliche Beischlaf durchaus versagt bleibe, damit jeder einzelne zur Ehe, als welche eine Art von Kapitulation ist, gezwungen und dadurch das ganze weibliche Geschlecht versorgt werde.
Zu Pflegerinnen und Erzieherinnen unserer ersten Kindheit eignen die Weiber sich gerade dadurch, daß sie selbst kindisch, läppisch und kurzsichtig, mit einem Worte, zeitlebens große Kinder sind: Eine Art Mittelstufe zwischendem Kinde und dem Manne, als welcher der eigentliche Mensch ist.
Zu unserer Besserung bedürfen wir eines Spiegels.
Zu verlangen, daß einer alles, was er je gelesen, behalten hätte, ist wie verlangen, daß er alles, was er je gegessen hätte, noch in sich trüge. Er hat von diesem leiblich, von jenem geistig gelebt und ist dadurch geworden, was er ist.
Zum Leitstern seiner Bestrebungen soll man nicht Bilder der Phantasie nehmen, sondern deutlich gedachte Begriffe.
Zum Maßstab eines Genies soll man nicht die Fehler in seinen Produktionen oder die schwächeren seiner vielen Werke nehmen, um es dann danach tief zu stellen, sondern bloß sein Vortrefflichstes.
Zunächst ist die Wirksamkeit eines Schriftstellers dadurch bedingt, daß er den Ruf erlangt, man müsse ihn lesen.
Zur Logik verhält sich die Grammatik wie das Kleid zum Leibe.
Zur Philosophie verhält sich die Poesie, wie die Erfahrung sich zur empirischen Wissenschaft verhält.
Zwei so verschiedenen Herren wie der Welt und der Wahrheit, die nichts als den Anfangsbuchstaben gemein haben, läßt sich zugleich nicht dienen.
Zwischen beiden ist der Unterschied, dass Sklaven ihren Ursprung der Gewalt, Arme der List zuzuschreiben haben.
Zwischen dem Genie und dem Wahnsinnigen ist die Ähnlichkeit, daß sie in einer andern Welt leben als der für alle vorhandenen.