Jean-Jacques Rousseau

212 Zitate, Sprüche & Aphorismen Autor

Der Reiz des Familienlebens ist das beste Gegengift gegen den Verfall der Sitten.

Der Schüler sieht im Lehrer nur noch den Aufpasser und den Quälgeist seiner Kinderjahre; der Lehrer erblickt dagegen im Schüler nur noch eine drückende Last, nach deren Abnahme er sich herzlich sehnt.

Der Wurf mag zuweilen nicht treffen, aber die Absicht verfehlt niemals ihr Ziel.

Der Zweifel an Dingen, deren Erkenntnis für uns wichtig ist, ist für den menschlichen Geist ein quälender Zustand. Er kann das nicht lange aushalten; er entscheidet sich so oder so, wohl oder übel. Lieber will er sich täuschen, als nichts glauben.

Die Anmut nutzt sich nicht so ab wie die Schönheit. Sie hat Leben, sie erneuert sich ohne Unterlass, und eine rechtschaffene Frau mit Anmut gefällt nach einer dreißig jährigen Ehe ihrem Mann noch genauso wie am ersten Tag.

Die Anzahl der Dinge, die zu wissen für den Menschen wichtig und deren Kenntnis zu seinem Glück notwendig ist, ist vielleicht sehr gering, aber so gering sie auch sein mag, sie ist ein Gut, das ihm gehört, das er, wo er es antrifft, ein Recht hat einzufordern.

Die Bühne allgemein ist ein Gemälde der menschlichen Leidenschaften, dessen Urbild in allen Herzen ist. Allein, suchte der Maler nicht diesen Leidenschaften zu schmeicheln, so würden die Zuschauer bald abgeschreckt werden, und sie würden sich nicht mehr in einem Bilde sehen wollen, das sie lehrt, sich selbst zu verachten.

Die Bäume, die Sträucher, die Pflanzen sind der Schmuck und das Gewand der Erde.

Die Ehre des Beifalls wird schließlich selten dem Würdigsten, meistens dem Geschicktesten zuteil.

Die Ehrsucht, der Geiz, die falsche Vorsicht der Väter, ihre Nachlässigkeit, ihre harte Unempfindlichkeit sind den Kindern hundertmal schädlicher als die blinde Zärtlichkeit der Mütter.

Die Einbildungskraft, die das verschönt, was man begehrt, verlässt es im Besitz.

Die erste Erziehung ist am wichtigsten, und diese erste Erziehung gebührt unstreitig den Frauen. Wenn der Schöpfer der Natur gewollt hätte, daß sie den Männern zukäme, würde er ihnen Milch zur Ernährung der Kinder gegeben haben.

Die erste Erziehung ist am wichtigsten, und diese erste Erziehung kommt unzweifelhaft den Frauen zu.

Die ersten Tränen der Kinder sind Bitten. Wenn man nicht Acht darauf gibt, so werden sie bald Befehle.

Die Familie ist die älteste aller Gemeinschaften und die einzige natürliche.

Die Frau hat mehr Geist, der Mann mehr Genie. Die Frau beobachtet, der Mann schließt.

Die Frauen mögen nur erst wieder Mütter werden, bald werden die Männer auch wieder Väter und Gatten sein.

Die gewöhnliche Kunst der Sophisten besteht darin, eine Menge Argumente anzuhäufen, um deren Schwäche zu verbergen.

Die guten bürgerlichen Satzungen sind diejenigen, welche am besten wissen, dem Menschen seine Natur auszuziehen, ihm sein absolutes Dasein zu nehmen, um ihm ein relatives zu geben.

Die guten sozialen Einrichtungen vermögen den Menschen am ehesten seiner Natur zu entkleiden, ihm seine absolute Existenz zu rauben, um ihm dafür eine relative zu geben, und das Ich in die allgemeine Einheit zu versetzen, so daß sich jeder einzelne nicht mehr für eine Einheit, sondern für einen Teil der Einheit hält.

Die Jugend ist die Zeit, Weisheit zu lernen. Das Alter ist die Zeit, sie auszuüben.

Die Jugend ist nicht das Alter der Rache und des Hasses, sondern das des Mitleidens, der Milde, der Großmut.

Die legislative Gewalt ist das Herz des Staates, die exekutive Gewalt ist sein Gehirn.

Die Mannigfaltigkeit der Begierden kommt von der Mannigfaltigkeit der Kenntnisse, und die ersten Vergnügungen, die man kennt, sind lange Zeit die einzigen, die man sucht.

Die Mißachtung der Religion führt zur Mißachtung der menschlichen Pflichten.

Die Mütter haben Augen wie ihre Töchter und überdies Erfahrung.

Die Mütter mögen geruhen, ihre Kinder selbst zu stillen, so werden die Sitten von selber sich bessern, und die Regungen der Natur werden in aller Herzen wieder erwachsen.

Die Mäßigkeit und die Arbeit sind die beiden wahren Ärzte des Menschen; die Arbeit schärft seine Esslust, und die Mäßigkeit hindert ihn, dass er sie missbraucht.

Die Physiognomie zeigt sich nicht in den großen Zügen und der Charakter nicht in großen Handlungen; es sind die Kleinigkeiten, wo sich das Naturell enthüllt.

Die Protestanten sind im allgemeinen viel unterrichteter als die Katholiken, und das erklärt sich dadurch, daß die Lehre der einen die kritische Besprechung verlangt, die Lehre der anderen hingegen blinde Unterwerfung fordert.

Die Reichen, die Großen, die Könige sind alle nichts weiter als Kinder, welche, da sie sehen, daß sich jeder bemüht, auch die kleinste Unannehmlichkeit von ihnen fernzuhalten, dadurch allmählich wahrhaft kindisch eitel werden und die förmlich stolz auf Dienstleistungen sind, die man ihnen, wenn sie echte Männer wären, nimmermehr erweisen würde.

Die Sklaven verlieren in ihren Ketten alles, sogar den Wunsch, sie abzuschütteln; sie lieben ihre Knechtschaft wie die Genossen des Odysseus ihre Tiergestalt.

Die Tugend, sagt man, ist Liebe zur Ordnung.

Die Unabhängigkeit und Freiheit der Menschen beruht weniger auf der Kraft der Arme als auf der Mäßigung der Herzen. Wer wenig begehrt, hängt von wenigem ab.

Die Unwissenheit schadet weder der Redlichkeit noch den Sitten; sie fördert sie oft sogar.

Die wahre Höflichkeit besteht darin, daß man einander mit Wohlwollen entgegenkommt. Sobald es uns an diesem nicht gebricht, tritt sie ohne Mühe hervor.

Diese Massen von Eintagswerken, die täglich entstehen, sind nur gemacht, um die Frauen zu unterhalten, haben weder Kraft noch Tiefe und fliegen alle vom Ankleidezimmer auf den Ladentisch. Auf diese Weise schreibt man immer wieder dieselben Bücher und macht sie immer wieder neu.

Du bist arm, ohne frei zu sein. Dies ist der elendste Zustand, in den ein Mensch geraten kann.

Edel denken ist sehr schwer, wenn man nur denkt, um Brot zu gewinnen.

Ein jedes Alter hat seine Triebfedern, die es in Bewegung setzen; der Mensch aber ist allezeit derselbe. Mit zehn Jahren wird er durch Kuchen, mit zwanzig Jahren durch eine Liebste, mit dreißig durch die Vergnügungen, mit vierzig durch den Ehrgeiz, mit fünfzig durch den Geiz geleitet: Wann folgt er nur der Weisheit?

Ein Reicher will überall den Herrn spielen und befindet sich nirgends wohl, wo er es nicht ist.

Ein schwacher Körper schwächt die Seele.

Ein wenig Sonne oder Schnee oder nur der Mangel einiger überflüssiger Dinge genügt, um in wenigen Tagen unsere beste Armee aufzureiben.

Eine echte Demokratie hat es nie gegeben und wird es sie auch niemals geben, denn es verstößt gegen die natürliche Ordnung, daß die Mehrheit regiert und die Minderheit regiert wird. Es ist nicht denkbar, dass das Volk unaufhörlich versammelt bleibe, um sich den Regierungsgeschäften zu widmen, und es ist leicht ersichtlich, dass es hierzu keine Ausschlüsse einsetzen kann, ohne die Form der Verwaltung zu ändern.

Eine einzige offenkundige Lüge des Lehrers gegen seinen Zögling kann den ganzen Ertrag der Erziehung zunichtemachen.

Eine so zärtliche, so wahre Liebe muss den Begierden gebieten können.

Eines rechtschaffenen Mannes Beredsamkeit kann die Tyrannei mitten in all ihrer Macht in Schrecken versetzen.

Erobern ist leichter als regieren.

Es gibt bei uns kaum eine mechanische Bewegung, deren Ursache wir nicht in unserem Herzen finden könnten, verstünden wir es nur recht, sie darin zu suchen.

Es gibt ein Alter, in dem man Erfahrungen sammelt, ein anderes für die Erinnerung. Die Empfindung vergeht am Ende, die empfindsame Seele aber bleibt bestehen.

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