Georg Christoph Lichtenberg

372 Zitate, Sprüche & Aphorismen Autor

Du sollst Deinen Nächsten seines Glaubens wegen nicht braten, zumal du ihn nicht essen kannst!

Ehe man tadelt, sollte man immer erst versuchen, ob man nicht entschuldigen kann.

Ein etwas vorschnippischer Philosoph, ich glaube, Hamlet, Prinz von Dänemark, hat gesagt, es gäbe eine Menge Dinge im Himmel und auf der Erde, wovon nichts in unsern Kompendien stände. Hat der einfältige Mensch, der bekanntlich nicht recht bei Troste war, damit auf die Kompendien der Physik gestichelt, so kann man ihm getrost antworten: Gut, dafür stehen auch wieder eine Menge von Dingen in unseren Kompendien, wovon weder im Himmel noch auf der Erde etwas vorkommt.

Ein Gelübde zu tun ist eine größere Sünde, als es zu brechen.

Ein gewisser Freund, den ich kannte, pflegte seinen Leib in drei Etagen zu teilen, den Kopf, die Brust und den Unterleib, und er wünschte öfters, daß sich die Hausleute der obersten und untersten Etage besser vertrügen.

Ein Grab ist doch immer die beste Befestigung wider die Stürme des Schicksals.

Ein guter Ausdruck ist so viel wert wie ein guter Gedanke, weil es fast unmöglich ist, sich gut auszudrücken, ohne das Ausgedrückte von einer guten Seite zu zeigen.

Ein gutes Gedächtnis ist eine gute Gabe Gottes, Vergessenkönnen ist oft eine noch bessere Gabe Gottes.

Ein König lässt befehlen, dass man bei Lebensstrafe einen Stein für einen Demant halten soll.

Ein langes Glück verliert schon allein durch seine Dauer.

Ein Lehrer auf Schulen und Universitäten kann keine Individuen erziehen. Er erzieht bloß Gattungen.

Ein Mädchen sollte imstande sein, mit ihren Reizen einem Manne seine Ruhe zu rauben, daß kein anderes Vergnügen mehr Geschmack für ihn hätte, und es stehe nicht in seiner Gewalt, sich diesem Zug zu widersetzen, dem Manne, der Armut, Hunger, Verachtung seines Verdienstes ertragen, ja seiner Ehre wegen in den Tod gehen kann? Das glaube ich ewig nicht. Dem Gecken wohl, dem weichlichen Schwachen, der nie in irgendetwas Widerstand versucht hat, oder dem Wollüstling. der höhere Vergnügen des Geistes nicht kennt.

Ein Mädchen, kaum zwölf Moden alt.

Ein Schriftsteller, der noch von der Nachwelt gelesen sein will, muß es sich nicht verdrießen lassen, Winke zu ganzen Büchern, Gedanken zu Disputationen in irgendeinen Winkel eines Kapitels hinzuwerfen, daß man glauben muß, er habe sie zu Tausenden wegzuwerfen.

Ein sicheres Zeichen von einem guten Buche ist, wenn es einem immer besser gefällt, je älter man wird.

Ein Starker weiß mit seiner Kraft hauszuhalten, nur der Schwache will über seine Kraft hinaus wirken.

Ein Unverschämter kann bescheiden aussehen, wenn er will, aber kein Bescheidener unverschämt.

Eine Ehe ohne die Würze kleiner Mißhelligkeiten wäre fast so etwas wie ein Gedicht ohne "r".

Eine Republik zu bauen aus den Materialien einer niedergerissenen Monarchie ist freilich ein schweres Problem. Es geht nicht, ohne bis erst jeder Stein anders gehauen ist, und dazu gehört Zeit.

Eine Sache den Augenblick anfangen und nicht eine Minute, viel weniger eine Stunde oder einen Tag aufschieben, ist ebenfalls ein Mittel, die Zeit zu strecken.

Eine schädliche Folge des allzu vielen Lesens ist, daß sich die Bedeutung der Wörter abnutzt.

Einer erzeugt den Gedanken, der andere hebt ihn aus der Taufe, der dritte zeugt Kinder mit ihm, der vierte besucht ihn am Sterbebette, und der fünfte begräbt ihn.

Er handelte mit anderer Leute Meinungen. Er war Professor der Philosophie.

Er hatte ein paar Stückchen auf der Metaphysik spielen gelernt.

Er hatte seine Bibliothek verwachsen, so wie man eine Weste verwächst. Bibliotheken können überhaupt der Seele zu enge und zu weit werden.

Er hing noch auf der dortigen Universität wie ein schöner Kronleuchter, auf dem aber seit zwanzig Jahren kein Licht mehr gebrannt hatte.

Er kann die Tinte nicht halten, und wenn es ihm ankommt, jemand zu besudeln, so besudelt er sich gemeiniglich am meisten.

Er war einer von denen, die alles besser machen wollten, als man es verlangt. Dieses ist eine abscheuliche Eigenschaft an einem Bedienten.

Er war nicht sowohl Eigentümer als Pächter der Wissenschaften, die er vortrug. Denn es gehörte ihm nicht ein Fleckchen davon.

Es erleichtert die Korrespondenz, wenn man weiß, daß der Korrespondent eine schöne Frau hat.

Es gibt allemal einen Narren mehr, als jeder glaubt.

Es gibt eine Art von leerem Geschwätz, dem man durch Neuigkeit des Ausdrucks und unerwartete Metaphern das Ansehen von Fülle gibt.

Es gibt eine Art, das Leben zu verlängern, die ganz in unserer Macht steht: Früh aufstehen, zweckmäßiger Gebrauch der Zeit, Wählung der besten Mittel zum Endzweck und, wenn sie gewählt sind, muntere Ausführung.

Es gibt eine gewisse Jungfernschaft der Seele bei Mädchen und eine moralische Entjungferung. Diese findet bei vielen schon sehr frühzeitig statt.

Es gibt Gesichter in der Welt, wider die man schlechterdings nicht "du" sagen kann.

Es gibt hundert Witzige gegen einen, der Verstand hat.

Es gibt in Rücksicht auf den Körper gewiß wo nicht mehr, doch ebenso viele Kranke in der Einbildung als wirklich Kranke, in Rücksicht auf den Verstand ebenso viele, wo nicht sehr viel mehr Gesunde in der Einbildung als wirklich Gesunde.

Es gibt kein größeres Hindernis des Fortgangs in den Wissenschaften als das Verlangen, den Erfolg davon zu früh verspüren zu wollen.

Es gibt Leute, die meinen, alles wäre vernünftig, was man mit einem ernsthaften Gesicht tut.

Es gibt Leute, die so wenig Herz haben, etwas zu behaupten, daß sie sich nicht getrauen zu sagen, es wehe ein kalter Wind, so sehr sie ihn auch fühlen möchten, wenn sie nicht vorher gehört haben, daß es andre Leute gesagt haben.

Es gibt Leute, die zu keinem Entschluß kommen können, sie müssen sich denn erst über die Sache beschlafen haben. Das ist ganz gut; nur kann es Fälle geben, wo man riskiert, mitsamt der Bettlade gefangen zu werden.

Es gibt Menschen die reden soviel, daß sie sich auch selbst noch ins Wort fallen.

Es gibt schlechterdings keine bessere Art, Gott zu verehren, als die Erfüllung seiner Pflichten und das Handeln nach Gesetzen, die die Vernunft gegeben hat.

Es gibt Schärmer ohne Fähigkeit. Das sind die wirklich gefährlichen Leute.

Es gibt sehr viele Menschen, die bloß lesen, damit sie nicht zu denken brauchen.

Es gibt sehr viele Menschen, die unglücklicher sind als du. Das zu wissen, gewährt zwar kein Dach, darunter zu wohnen. Allein sich bei einem Schauer darunter zu retirieren, ist das Sätzchen gut genug.

Es ist ein Fehler, den der bloß witzige Schriftsteller mit dem ganz schlechten gemein hat, daß er gemeiniglich seinen Gegenstand eigentlich nicht erleuchtet sondern ihn nur dazu braucht, sich selbst zu zeigen.

Es ist ein großer Rednerkunstgriff, die Leute zuweilen bloß zu überreden, wo man sie überzeugen könnte; sie halten sich alsdann oft dafür überzeugt, wo man sie bloß überreden kann.

Es ist ein großer Verlust für den Menschen, wenn er die Überzeugung von einem weisen, die Welt lenkenden Wesen verloren hat.

Es ist eine Bemerkung, die ich durch vielfältige Erfahrung bestätigt gefunden habe, daß unter den Gelehrten diejenigen fast allezeit die verständigsten sind, die nebenher mit einer Kunst sich beschäftigen.

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