Arthur Schopenhauer

387 Zitate, Sprüche & Aphorismen Autor

Im Alter gibt es keinen schöneren Trost, als daß man die ganze Kraft seiner Jugend Werken einverleibt hat, die nicht mit altern.

Im Alter versteht man besser, die Unglücksfälle zu verhüten, in der Jugend, sie zu ertragen.

Im gleichen ließe sich sagen, daß jeder von ihnen nur ein kleiner Bruch der Idee der Menschheit sei, daher er vieler Ergänzung durch andere bedarf, damit einigermaßen ein volles menschliches Bewußtsein herauskomme. Hingegen wer ein ganzer Mensch ist, ein ausgezeichneter Mensch, der stellt eine Einheit und keinen Bruch dar, hat daher an sich selbst genug. Man kann in diesem Sinne die gewöhnliche Geslleschaft jener russischen Hornmusik vergleichen, bei der jedes Horn nur einen Ton hat und bloß durch das pünktliche Zusammentreffen aller eine Musik herauskommt.

Im Tode geht allerdings das Bewusstsein unter; hingegen keineswegs das, was bis dahin dasselbe hervorgebracht hatte.

Im Umgang zieht jeder den ihm Ähnlichen entschieden vor; so daß einem Dummkopf die Gesellschaft eines anderen Dummkopfes ungleich lieber ist als die aller großen Geister.

Im Upanischad des Veda wird die natürliche Lebensdauer auf 100 Jahre angegeben. Ich glaube mit Recht, weil ich bemerkt habe, daß nur die. welche das 90. Jahr überschritten haben, der Euthanasie teilhaft werden, d. h. ohne alle Krankheit, auch ohne Apoplexie, ohne Zuckung, ohne Röcheln, ja bisweilen ohne zu erblassen, meistens sitzend, und zwar nach dem Essen, sterben oder vielmehr gar nicht sterben, sondern nur zu leben aufhören. In jedem früheren Alter stirbt man bloß an Krankheiten, also vorzeitig.

In allem, was unser Wohl und Wehe betrifft, sollen wir die Phantasie im Zügel halten, also zuvörderst keine Luftschlösser bauen, weil diese zu kostspielig sind, indem wir gleich darauf sie unter Seufzern wieder einzureißen haben! Aber noch mehr sollen wir uns hüten, durch das Ausmalen bloß möglicher Unglücksfälle unser Herz zu ängstigen.

In den niedrigen, arbeitenden, zumal das Land bestellenden Klassen sind die heitern und zufriedenen Gesichter, in den reichen und vornehmen die verdrießlichen zu Hause.

In der christlichen Glaubenslehre finden wir das Dogma von der Prädestination infolge der Gnadenwahl und Ungnadenwahl (Römer 9, 11/24) offenbar aus der Einsicht entsprungen, daß der Mensch sich nicht ändert, sondern sein Leben und Wandel, d. h. sein empirischer Charakter nur die Entfaltung des intelligibeln ist, die Entwicklung verschiedener, schon im Kinde erkennbarer, unveränderlicher Anlagen; daher gleichsam schon bei seiner Geburt sein Wandel fest bestimmt ist und sich bis ans Ende im wesentlichen gleichbleibt.

In der Einsamkeit fühlt der Jämmerliche seine ganze Jämmerlichkeit, der große Geist seine ganze Größe.

In der Einsamkeit, wo jeder auf sich selbst zurückgewiesen ist, da zeigt sich, was er an sich selber hat: Da seufzt der Tropf im Purpur unter der unabwälzbaren Last seiner armseligen Individualität, während der Hochbegabte die ödeste Umgebung mit seinen Gedanken bevölkert und belebt.

In der Jugend herrscht die Anschauung, im Alter das Denken vor. Daher ist jede die Zeit für Poesie, dieses mehr für Philosophie.

In der Regel werden Leute von sehr großen Fähigkeiten sich mit den äußerst beschränkten Köpfen besser vertragen als mit den gewöhnlichen: Aus demselben Grunde, weshalb der Despot und der Plebs, die Großeltern und die Enkel natürliche Alliierte sind.

In der Regel wird man finden, daß diejenigen, welche schon mit der eigentlichen Not und dem Mangel handgemein gewesen sind, diese ungleich weniger fürchten und daher zur Verschwendung geeigneter sind als die, welche solche nur vom Hörensagen kennen. Zu den ersteren gehören alle, die durch Glücksfälle irgend einer Art oder durch besondere Talente, gleichviel welcher Gattung, ziemlich schnell aus der Armut in den Wohlstand gelangt sind. Die andern hingegen sind die, welche im Wohlstand geboren und geblieben sind.

In Hinsicht auf die Schätzung der Größe eines Menschen gilt für die geistige das umgekehrte Gesetz der physischen: Diese wird durch die Ferne verkleinert, jene vergrößert.

In unserem monogamischen Weltteile heißt heiraten seine Rechte halbieren und seine Pflichten verdoppeln.

Indessen sieht der eigentliche, simple Gelehrte das Genie an ungefähr wie wir den Hasen, als welcher erst nach seinem Tode genießbar und der Zurichtung fähig wird; auf den man daher, solange er lebt, bloß schießen muß.

Ist doch Geist und Verstand an den Tag legen nur eine indirekte Art, allen andern ihre Unfähigkeit und ihren Stumpfsinn vorzuwerfen.

Je höher einer auf der Rangliste der Natur steht, desto einsamer steht er, und zwar wesentlich und unvermeidlich. Dann aber ist es eine Wohltat für ihn, wenn die physische Einsamkeit der geistigen entspricht. Widrigenfalls dringt die häufige Umgebung heterogener Wesen störend, ja feindlich auf ihn ein.

Je mehr der Mensch des ganzen Ernstes fähig ist, desto herzlicher kann er lachen.

Je niedriger ein Mensch in intellektueller Hinsicht steht, desto weniger Rätselhaftes hat für ihn das Dasein selbst. Ihm scheint vielmehr alles, wie es ist und daß es sei, von selbst zu verstehen.

Je älter man wird, desto kleiner erscheinen die menschlichen Dinge samt und sonders: Das Leben, welches in der Jugend als fest und stabil vor uns stand, zeigt sich uns jetzt als die rasche Flucht ephemerer Erscheinungen - die Nichtigkeit des Ganzen tritt hervor.

Je älter man wird, mit desto weniger Bewusstsein lebt man. Die Dinge eilen vorüber, ohne Eindruck zu machen.

Jede Nation spottet über die andern, und alle haben recht.

Jedem Vorgang unsers Lebens gehört nur auf einen Augenblick das Ist; sodann für immer das War.

Jeden Abend sind wir um einen Tag ärmer.

Jeder dumme Junge kann einen Käfer zertreten. Aber alle Professoren der Welt können keinen herstellen.

Jeder sieht am andern nur soviel, als er selbst auch ist; denn er kann ihn nur nach Maßgabe seiner eigenen Intelligenz fassen und verstehen. Ist nun diese von der niedrigsten Art, so werden alle Geistesgaben, auch die größten, ihre Wirkung auf ihn verfehlen, und er an dem Besitzer derselben nichts wahrnehmen als bloß das Niedrigste in dessen Individualität, also nur dessen sämtliche Schwächen, Temperaments- und Charakterfehler.

Jeder steckt in seinem Bewusstsein wie in seiner Haut und lebt unmittelbar nur in demselben.

Jeder wählt, durch einen geheimen Zug bewogen, zu seinem nähern Umgange am liebsten jemanden, dem er an Verstande ein wenig überlegen ist; denn nur bei diesem fühlt er sich behaglich.

Jedes Kind ist gewissermaßen ein Genie und jedes Genie gewissermaßen ein Kind.

Jedes überflüssige Wort wirkt seinem Zweck gerade entgegen.

Jedoch ist es natürlich, wohl gar unvermeidlich, das zu lieben, was als ein unermüdlicher Proteus jeden Augenblick bereit ist, sich in den jedesmaligen Gegenstand unserer so wandelsbaren Wünsche und mannigfaltigen Bedürfnisse zu verwandeln. Jedes andere Gut nämlich kann nur einem Wunsch, einem Bedürfnis genügen: Speisen sind bloß gut für den Hungrigen, Wein für den Gesunden, Arznei für den Kranken, ein Pelz für den Winter, Weiber für die Jugend usw. Sie sind folglich alle nur relativ gut: Geld allein ist absolute Gute: Weil es nicht bloß einem Bedürfnis in concreto begegnet, sondern dem Bedürfnis überhaupt in abstracto.

Jedoch ist, Neid zu empfinden, menschlich, Schadenfreude zu genießen, teuflisch.

Jünglingsschönheit verhält sich zu Mädchenschönheit wie Ölmalerei zu Pastell.

Kein Charakter ist so, dass er sich selbst überlassen bleiben und sich ganz und gar gehen lassen dürfte; sondern jeder bedarf der Lenkung durch Begriffe und Maximen.

Kein Geld ist vorteilhafter angewandt als das, um welches wir uns haben prellen lassen; denn wir haben dafür unmittelbar Klugheit eingehandelt.

Keine Lüge ist so frech, daß ein anonymer Rezensent sie sich nicht erlauben sollte: Er ist ja nicht verantwortlich.

Keine Wissenschaft imponiert der Menge so sehr wie die Astronomie.

Könnten wir in die geheime Werkstätte der Poeten sehen, so würden wir zehnmal öfter finden, daß der Gedanke zum Reim, als daß der Reim zum Gedanken gesucht wird: Und selbst in letzterem Falle geht es nicht leicht ohne Nachgiebigkeit von seiten des Gedankens ab.

Lesen heißt, mit einem fremden Kopf statt dem eigenen zu denken. Nun ist aber dem eigenen Denken, aus welchem allemal ein zusammenhängendes Ganzes, ein wenn auch nicht streng abgeschlossenes System sich zu entwickeln trachtet, nichts nachteiliger als ein vermöge beständigen Lesens zu starker Zustrom von Gedanken.

Lesen soll man nur, wenn die Quelle der eigenen Gedanken stockt.

Man betrachte z.B. den Koran: dieses schlechte Buch war hinreichend, eine Weltreligion zu begründen, das metaphysische Bedürfniß zahlloser Millionen Menschen seit 1200 Jahren zu befriedigen, die Grundlage ihrer Moral und einer bedeutenden Verachtung des Todes zu werden, wie auch, sie zu blutigen Kriegen und den ausgedehntesten Eroberungen zu begeistern. Wir finden in ihm die traurigste und ärmlichste Gestalt des Theismus.

Man hat in der Welt nicht viel mehr, als die Wahl zwischen Einsamkeit und Gemeinheit.

Man härte sich dadurch ab, dass man dem Körper sowohl im Ganzen wie in jedem Teile, solange man gesund ist, recht viel Anstrengung und Beschwerde auflege und sich gewöhne, widrigen Einflüssen jeder Art zu widerstehn.

Man kann auch die Gesellschaft einem Feuer vergleichen, an welchem der Kluge sich in gehöriger Entfernung wärmt, nicht aber hineingreift wie der Tor, der dann, nachdem er sich verbrannt hat, in die Kälte der Einsamkeit flieht und jammert, daß das Feuer brennt.

Man kann sagen, der ganze Shakespeare ist weiter nichts als ein Mensch, der sogar wachend tun kann, was wir alle träumend können: Menschen nach ihrem Charakter reden lassen.

Man muss alt geworden sein, also gelebt haben, um zu erkennen, wie kurz das Leben ist.

Mancher Kaufmann betrügt ohne Skrupel; aber stehlen würde er schlechterdings nicht.

Maximen beim Handeln sind notwendig, um der Schwäche des Augenblicks Widerstand leisten zu können.

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