Wilhelm Raabe

90 Zitate, Sprüche & Aphorismen Autor

Keine Weisheit, die auf Erden gelernt werden kann, vermag uns das zu geben, was ein Wort, ein Blick der Mutter gibt.

Langsam, Schritt für Schritt die Treppe weiter hinauf! Wahrlich, die Welt bietet nicht solch ein Übermaß von Genüssen, daß man sie in Sprüngen überfliegen dürfte. Und ist nicht jede Stufe, die man augenblicklich aufwärtssteigend betritt, ein Glück? Und ist nicht der Treppenabsatz, auf dem man einen Moment stillhält, und sich nochmals faßt, eine Seligkeit?

Man kommt nicht in die Welt, um sich auszusuchen, sondern um vorlieb zu nehmen.

Man muß den Leuten nur ein bißchen verrückt vorkommen, dann kommt man schon weiter.

Man muß in den Dreck hineingeschlagen haben, um zu wissen, wie weit er spritzt.

Man muß sein Brot mit dem Messer schneiden, welches einem das Schicksal, ob stumpf oder scharf, dazu in die Hand gibt.

Man muß sich bei jedem Erdentummel, in den man persönlich mit verwickelt wird, nur immer sofort deutlich machen, wie das nur ein Augenblicksbild ist.

Nur diejenigen Kunstwerke haben Anspruch auf Dauer, in denen sich die Nation wiederfindet.

O du heiliges Unglück, welch einen Zauber lässest du aufleuchten, wenn deine geheimnisvolle Hand eine reine schuldlose Stirn berührt!

O Mutter, du weißt nicht, wie nötig ich dich habe; keine Weisheit, die auf Erden gelehrt werden kann, kann uns das geben, was ein Wort und ein Blick der Mutter uns gibt.

Ruhm ist, mitgedacht zu werden, wenn an ein ganzes Volk gedacht wird.

Sieh nach den Sternen, hab acht auf die Gassen.

So schönes Wetter - und ich noch dabei!

Sooft eine neue überraschende Erkenntnis durch die Wissenschaft gewonnen wird, ist das erste Wort der Philister, es sei nicht wahr. Das zweite, es sei gegen die Religion. Und das dritte, so etwas habe jedermann schon lange vorhergewußt.

Sprichwörter sind ein öffentlicher Unterstützungsverein für Leute ohne eigene Gedanken.

Von Biographien kann man dreist sagen: Die am schlechtesten geschriebenen sind die besten, d. h. wahrsten.

Was ist der Mensch? Jedenfalls nicht das, was er sich einbildet zu sein, nämlich die Krone der Schöpfung.

Was ist so ein unbedeutendes Gemetzel wie bei Cannä, Leipzig oder Sedan gegen die fort und fort um den Erdball tosende Schlacht des Daseins?

Was man von der Mutter hat, das sitzt fest und lässt sich nicht ausreden, das behält man, und es ist auch gut so, denn jeder Keim der sittlichen Fortentwicklung des Menschengeschlechts liegt darin verborgen.

Was man von der Mutter hat, das sitzt fest und läßt sich nicht ausreden.

Was mich am meisten auf meinem Wege gehindert hat, das ist die unglückselige Gabe, bei jedem, was mich betrifft und woran aber auch andere beteiligt sind, mich in die Seele und die Zustände dieser anderen zu versetzen.

Was sie heute auf dem Theater aufführen, sind die "Affären" kranker Leute. Wie gesund war so ein Othello!

Was sind die gewöhnlichen Schriftsteller anderes als Anschlagsäulen, die sich dem Publikum in den Weg pflanzen, mit den Bulletins des Tages an sich - Vergnügungen, verlorenen Hunden und Geldbeuteln?

Wem nicht jeder Satz, den er schreibt, der wichtigste ist, soll das Schreiben lassen.

Wenn die Frau die Tür schlägt und der Mann sie sacht schließt, gibt es, wenn nicht eine Musterehe, so doch eine erträgliche. Schlagen sie beide die Tür, so ist das freilich schon so etwas wie die "Hölle auf Erden". Schlägt der Mann sie und die Frau schließt sie sacht, dann ist's manchmal der Himmel, aber manchmal auch die Langeweile auf Erden.

Wenn dieses Sündflutgewässer verdammter Literatur sich senkt, dann wird sich abheben eine Insel mit schroffen, schwer zugängigen Landungsstellen, zornig und drohend anzusehen; aber im Innern voll von Blumen und Palmen, süßen Stimmen.

Wenn er an den Füßen auch Hände gehabt hätte, würde er auch damit zugegriffen haben. Es juckt diesem Affengeschlecht in allen zwanzig Fingern.

Wenn längere Zeit nach dem Tode eines geliebten Wesens einen der alte Schmerz überkommt, so überlege man, was der Tote versäumt habe, während man selbst und die andern weiterlebten.

Wenn man auch allen Sonnenschein wegstreicht, so gibt es doch noch den Mond und die hübschen Sterne und die Lampe am Winterabend. Es ist soviel schönes Licht in der Welt.

Wer aus armen, niedern Häusern kommt, dem darf man es nicht vorwerfen, wenn er die erste Strecke seines Weges nur scheu und zögernd zurücklegt, wenn ihn Nichtigkeiten blenden, wenn ihn falsche Trugbilder verwirren, wenn ihn Irrlichter verlocken.

Wer milde ist, nicht leicht zürnt und, zürnt er leicht, sich dessen im nächsten Augenblick schämt, dem sind die Götter auch milde. Und geht es nicht, haben sie nichts weiter für ihn, auch im längsten kummervollen Leben nicht, so schenken sie ihm doch einen leichten Tod, das Beste, was sie zu vergeben haben.

Wer Unheil ausbrütet, wird es auch fliegen lassen.

Wie kahl und jämmerlich würde manches Stück Erde aussehen, wenn kein Unkraut darauf wüchse!

Wie viele treue und besorgte Blicke aus lieben Augen gehen einem verloren, während man auf das Zwinkern, das Schielen und Blinzeln der Welt rundum nur zu genau achtet!

Wir bleiben immer Kinder, und, so klug wir auch werden mögen, wir behalten uns immer die Lust, mit scharfen Messern und spitzen Scheren zu spielen.

Wir haben wohl das Wort gehört: Wer nach dem 34. Lebensjahr sich noch an das Kreuz schlagen lasse, der sei ein Narr. Das ist ein schlechtes Wort. Das Verdienst steigt da mit den Jahren. Im 34. Lebensjahr ist der Opfertod noch linder und kaum der Rede wert. Aber alt geworden zu sein und seine Ideale hochzuhalten und seinen Opfermut dafür zu erweisen: Das macht den Heros, den Menschheitserlöser.

Wir Juden sind doch die wahren Kosmopoliten, die Weltbrüder von Gottes Gnaden oder, wenn du willst, von Gottes Ungnaden.

Wir sind doch thörichte Menschen! Wie oft durchkreuzt die Furcht vor dem Lächerlichwerden unsere innigsten, zartesten Gefühle! Man schämt sich der Thräne und - spottet; man schämt sich des fröhlichen Lachens und - schneidet ein langweiliges Gesicht.

Wir sollen die Liebe, welche wir den Toten mit ins Grab geben, nicht den Lebenden entziehen.

Wir tragen den Frieden wie ein Gewand, an dem wird vor flicken, während es hinten reißt.

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