Arthur Schopenhauer

387 Zitate, Sprüche & Aphorismen Autor

Eine besonders lächerliche Impertinenz solcher anonymer Kritiker ist, daß sie wie die Könige per Wir sprechen, während sie nicht nur im Singular, sondern im Diminutiv, ja im Humilitiv reden sollten: Meine erbärmliche Wenigkeit, meine feige Verschmitztheit, meine verkappte Inkompetenz, meine geringe Lumpazität.

Eine Gesellschaft Stachelschweine drängte sich an einem kalten Wintertage recht nahe zusammen, um durch die gegenseitige Wärme sich vor dem Erfrieren zu schützen. Jedoch bald empfanden sie die gegenseitigen Stacheln, welches sie dann wieder voneinander entfernte. Wenn nun das Bedürfnis der Erwärmung sie wieder näher zusammenbrachte, wiederholte sich jenes zweite Übel, so daß sie zwischen beiden Leiden hin und her geworfen wurden, bis sie eine mäßige Entfernung voneinander herausgefunden hatten, in der sie es am ehesten aushalten konnten. / So treibt das Bedürfnis der Gesellschaft, aus der Leere und Monotonie des eigenen Inneren entsprungen, die Menschen zueinander; aber ihre vielen widerwärtigen Eigenschaften und unerträglichen Fehler stoßen sie wieder voneinander ab. Die mittlere Entfernung, die sie endlich herausfinden und bei welcher ein Beisammensein bestehen kann, ist die Höflichkeit und feine Sitte. Dem, der sich nicht in dieser Entfernung hält, ruft man in England zu: keep your distance

Eine wohlhabende Frau, die den Umgang mit Geld gewöhnt ist, verwendet es auf kluge Art, aber eine Frau, die nach ihrer Heirat zum ersten Male über Geld verfügt, hat so starkes Gefallen am Ausgeben, daß sie es mit großer Verschwendung wegwirft.

Einem bei Lebzeiten ein Monument setzen, heißt die Erklärung ablegen, daß hinsichtlich seiner der Nachwelt nicht zu trauen sei.

Einer sei jung, schön, reich und geehrt, so fragt sich, wenn man sein Glück beurteilen will, ob er dabei heiter sei. Ist er hingegen heiter, so ist es einerlei, ob er jung oder alt, gerade oder bucklig, arm oder reich sei: Er ist glücklich.

Einige Menschen können jedes Gut verachten, sobald sie es nicht haben, andere nur, wenn sie es haben. Letztere sind unglücklicher und edler.

Entfernung und lange Abwesenheit tun jeder Freundschaft Eintrag.

Es gibt drei Aristokratien: / 1) die der Geburt und des Ranges, / 2) die Geldaristokratie, / 3) die geistige Aristokratie. / Letztere ist eigentlich die vornehmste.

Es gibt eigentlich gar keinen Genuß anders als im Gebrauch und Gefühl der eigenen Kräfte, und der größte Schmerz ist wahrgenommener Mangel an Kräften, wo man ihrer Bedarf.

Es gibt Gedanken, die an und für sich selbst und allein nicht wert waren, hingeschrieben zu werden, die aber der Zusammenhang nötig machte. Aus solchem Zement besteht wenigstens die Hälfte fast jedes Buches.

Es gibt Kamele mit einem Höcker und welche mit zweien. Aber die größten haben gar keinen.

Es gibt kein sichereres Merkmal der Größe, als kränkende oder beleidigende Äußerungen unbeachtet hingehen zu lassen, indem man sie eben wie unzählige andere Irrtümer der schwachen Erkenntnis des Redenden ohne weiteres zuschreibt und sie daher bloß wahrnimmt, ohne sie zu empfinden.

Es gibt keine andere Offenbarung als die Gedanken der Weisen.

Es gibt nur eine Heilkraft, und das ist die Natur; in Salben und Pillen steckt keine. Höchstens können sie der Heilkraft der Natur einen Wink geben, wo etwas für sie zu tun ist.

Es gibt wenige Dinge, welche so sicher die Leute in gute Laune versetzen, wie wenn man ihnen ein beträchtliches Unglück, davon man kürzlich betroffen worden, erzählt.

Es ist ganz natürlich, dass wir gegen jede neue Ansicht, über deren Gegenstand wir irgendein Urteil uns schon festgestellt haben, uns abwehrend und verneinend verhalten. Denn sie dringt feindlich in das vorläufig schon abgeschlossene System unserer Überzeugungen.

Es ist im Leben wie im Schachspiel: Wir entwerfen eine Plan; dieser bleibt jedoch bedingt durch das, was im Schachspiel dem Gegner, im Leben dem Schicksal zu tun belieben wird. Die Modifikationen, welche hierdurch unser Plan erleidet, sind meistens so groß, daß er in der Ausführung kaum noch an einigen Grundzügen zu erkennen ist.

Es ist nicht genug, daß man verstehe, der Natur Daumenschrauben anzulegen: Man muß sie auch verstehen können, wenn sie aussagt.

Es ist nämlich eine triviale und nur zu häufig bestätigte Wahrheit, daß wir oft törichter sind, als wir glauben. Hingegen ist, daß wir oft weiser sind, als wir selbst vermeinen, eine Entdeckung, welche nur die, so in dem Fall gewesen, und selbst dann erst spät, machen. Es gibt etwas Weiseres in uns, als der Kopf ist. Wir handeln nämlich bei den großen Zügen, den Hauptschritten unseres Lebenslaufens, nicht sowohl nach deutlicher Erkenntnis des Rechtes, als nach einem inneren Impuls, man möchte sagen Instinkt, der aus dem tiefsten Grunde unseres Wesens kommt, und bemäkeln nachher unser Tun nach deutlichen, aber auch dürftigen, erworbenen, ja erborgten Begriffen.

Es ist wirklich die größte Verkehrtheit, diesen Schauplatz des Jammers in einen Lustort verwandeln zu wollen und statt der möglichsten Schmerzlosigkeit Genüsse und Freuden sich zum Ziele zu stecken.

Es kann so weit kommen, daß manchem die Welt, von der ästhetischen Seite betrachtet, als ein Karikaturenkabinett, von der intellektuellen als ein Narrenhaus und von der moralischen als eine Gaunerherberge erscheint.

Es wäre gut, Bücher zu kaufen, wenn man die Zeit, sie zu lesen, mitkaufen könnte.

Freilich legt der, welcher schimpft, dadurch an den Tag, daß er nichts Wirkliches und Wahres gegen den Edlen vorzubringen hat, da er sonst dieses als die Prämissen geben und die Konklusion getrost den Hörern überlassen würde, statt dessen er die Konklusion gibt und die Prämissen schuldig bleibt.

Für das praktische Leben ist das Genie so brauchbar wie ein Stern-Teleskop im Theater.

Ganz er selbst sein darf jeder nur, solange er allein ist. Wer also nicht die Einsamkeit liebt, der liebt auch nicht die Freiheit; denn nur, wann man allein ist, ist man frei.

Gegen den Pantheismus habe ich hauptsächlich nur dieses, daß er nichts besagt. Die Welt Gott nennen, heißt nicht, sie erklären, sondern nur die Sprache mit einem überflüssigen Synonym des Wortes Welt bereichern.

Gegen die täglichen Hudeleien, kleinlichen Reibungen im menschlichen Verkehr, Ungebührlichkeiten anderer, Klatschereien und dergleichen mehr muß man ein gehörnter Siegfried sein, das heißt sie gar nicht empfinden, viel weniger sich zu Herzen nehmen und darüber brüten, sondern von dem allen nicht an sich kommen lassen, es von sich stoßen, wie Steinchen, die im Wege liegen, und keineswegs es aufnehmen in das Innere seiner Überlegung ...

Gegen Ende des Lebens nun gar geht es wie gegen das Ende eines Maskenballes, wenn die Larven abgenommen werden. Man sieht jetzt, wer diejenigen, mit denen man während seines Lebenslaufes in Berührung gekommen war, eigentlich gewesen sind.

Geistige Werte müssen uns ansprechen wie Könige. Sie dürfen nicht aufgedrängt werden.

Geiz und Verschwendung sind beide keine Laster, sondern Torheiten. Weil aber der Verschwender den Genuß des Augenblicks so überschätzt, daß er sein dauerndes Wohl ihm hintansetzt, der Geizige die Sicherung wider Mangel so überschätzt, daß er sein gegenwärtiges Wohlsein dafür hingibt, so wird dieselbe unrichtige Schätzung dieser Dinge sie wahrscheinlich auch hart gegen fremde Not machen und so Quelle des Lasters sein.

Gerade in Kleinigkeiten, als bei welchen der Mensch sich nicht zusammennimmt, zeigt er seinen Charakter.

Gerade in Kleinigkeiten, bei welchen der Mensch sich nicht zusammennimmt, zeigt er seinen Charakter, und da kann man oft an geringfügigen Handlungen, an bloßen Manieren den grenzenlosen, nicht die mindeste Rücksicht auf andere kennenden Egoismus bequem beobachten, der sich nachher im Großen nicht verleugnet, wiewohl verlarvt.

Geselligkeit gehört zu den gefährlichen, ja verderblichen Neigungen, da sie uns in Kontakt bringt mit Wesen, deren große Mehrzahl moralisch schlecht und intellektuell stumpf oder verkehrt ist.

Glauben und Wissen verhalten sich wie die zwei Schalen einer Waage: In dem Maße, als die eine steigt, sinkt die andere.

Glaubt ihr wirklich, Robespierre, Bonaparte, der Kaiser von Marokko, die Mörder, die ihr rädern seht, seien allein so schlecht unter allen? Seht ihr nicht, daß viele dasselbe wie jene täten, wenn sie nur könnten?

Goethe erzählte mir neulich, er habe am Hofe der Herzogin Amalie viele seiner damals soeben geschriebenen Stücke von den Hofleuten aufführen lassen, ohne daß irgendeiner mehr als seine eigene Rolle gekannt hätte und das Stück in seinem Zusammenhang allen unbekannt und daher bei der Aufführung auch den Spielenden neu war.

Grenzenloses Mitleid mit allen lebenden Wesen ist der festeste und sicherste Bürge für das sittliche Wohlverhalten und bedarf keiner Kasuistik. Wer davon erfüllt ist, wird zuverlässig keinen verletzen, keinen beeinträchtigen, keinem wehetun, vielmehr mit jedem Nachsicht haben, jedem verzeihen. jedem helfen, soviel er vermag, und alle seine Handlungen werden das Gepräge der Gerechtigkeit und Menschenliebe tragen.

Große, lebhafte Freude läßt sich schlechterdings nur denken als Folge großer vorhergegangener Not; denn zu einem Zustande dauernder Zufriedenheit kann nichts hinzukommen als etwas Kurzweil oder auch Befriedigung der Eitelkeit.

Hauptsächlich wird einer in dem Maße beliebt sein, als er seine Ansprüche an Geist und Herz der anderen niedrig stellt, und zwar im Ernst und ohne Verstellung.

Hindernisse überwinden ist der Vollgenuß des Daseins.

Hingegen ist der Abend das Alter des Tages: / Wir sind abends matt, geschwätzig und leichtsinnig.

Höflichkeit ist Klugheit. Folglich ist Unhöflichkeit Dummheit. Sich mittels ihrer unnötiger- und mutwilligerweise Feinde machen ist Raserei.

Höflichkeit ist wie der Rechenpfennig eine offenkundig falsche Münze: Mit einer solchen sparsam zu sein, beweist Unverstand.

Höflichkeit ist wie ein Luftkissen: Es mag wohl nicht drin sein, aber sie mildert die Stöße des Lebens.

Höflichkeit mit Stolz zu vereinigen, ist ein Meisterstück.

Ich fand eine Feldblume, bewunderte ihre Schönheit, ihre Vollendung in allen Teilen, und rief aus: "Aber alles dieses, in ihr und Tausenden ihresgleichen, prangt und verblüht, von niemandem betrachtet, ja oft von keinem Auge auch nur gesehn." Sie aber antwortete: "Du Tor! Meinst du, ich blühe, um gesehn zu werden?"

Ich habe die Bemerkung gemacht, daß der Charakter fast jedes Menschen einem Lebensalter vorzugsweise angemessen zu sein scheint, so daß er in diesem sich vorteilhafter ausnimmt. Einige sind liebenswürdige Jünglinge, und dann ist's vorbei, andere kräftige, tätige Männer, denen das Alter allen Wert raubt. Manche stellen sich am vorteilhaftesten im Alter dar, als wo sie milder, weil erfahrener und gelassener sind.

Ich rede bisweilen mit Menschen so, wie das Kind mit seiner Puppe redet: Es weiß zwar, daß die Puppe es nicht versteht, schafft sich aber durch eine angenehme wissentliche Selbstdeutung die Freude der Mitteilung.

Ich weiß kein schöneres Gebet als das, womit die altindischen Schauspiele schließen: Mögen alle lebenden Wesen von Schmerzen frei bleiben.

Im allgemeinen freilich haben die Weisen aller Zeiten immer dasselbe gesagt, und die Toren, d. h. die unermeßliche Majorität aller Zeiten, haben immer dasselbe, nämlich das Gegenteil getan. Und so wird es denn auch ferner bleiben.

 Top