Arthur Schopenhauer

387 Zitate, Sprüche & Aphorismen Autor

Menschen, deren Lachen stets affektiert ist und gezwungen, sind intellektuell und moralisch von leichtem Gehalte.

Merkwürdig ist, daß in der Sprache für die ehrlichste von allen geltenden deutschen Nation vielleicht mehr als in irgendeiner andern Ausdrücke für Betrügen sind. Und zwar haben die meisten einen triumphierenden Anstrich. Vielleicht weil man die Sache für sehr schwer hielt.

Mir ist unter den Menschen fast immer, wie dem Jesus von Nazareth war, als er die Jünger aufrief, die immer alle schliefen.

Mit dem Mädchen hat es die Natur auf das, was man im dramaturgischen Sinne einen Knalleffekt nennt, abgesehen, indem die dieselben auf wenige Jahre mit überreichlicher Schönheit, Reiz und Fülle ausstattete, auf Kosten ihrer ganzen übrigen Lebenszeit, damit sie nämlich während jener Jahre der Phantasie eines Mannes sich in dem Maße bemächtigen können, daß er hingerissen wird, die Sorge für sie auf zeitlebens in irgendeiner Form ehrlich zu übernehmen; zu welchem Schritte ihn zu vermögen die bloße vernünftige Überlegung keine hinlänglich sichere Bürgschaft zu geben schien.

Mit einem Kunstwerk muß man sich verhalten wie mit einem großen Herrn: Sich davor hinstellen und warten, daß es einem etwas sage.

Mit Italien lebt man wie mit einer Geliebten, heute im heftigen Zank, morgen in Anbetung, mit Deutschland wie mit einer Hausfrau, ohne große Zorn und ohne große Liebe.

Moral predigen ist leicht, Moral begründen schwer.

Natürlicher Verstand kann fast jeden Grad von Bildung ersetzen, aber keine Bildung den natürlichen Verstand.

Neid zu fühlen ist menschlich, Schadensfreude zu genießen ist teuflisch.

Neun Zehntel unserer ganzen jetzigen Literatur haben keinen anderen Zweck, als dem Publiko einige Taler aus der Tasche zu spielen. Dazu haben sich Autor, Verleger und Rezensent fest verschworen.

Neun Zehntel unseres Glückes beruhen allein auf der Gesundheit. Mit ihr wird alles eine Quelle des Genusses: Hingegen ist ohne sie kein äußeres Gut, welcher Art es auch, genießbar.

Nichts ist schwerer, als bedeutende Gedanken so auszudrücken, daß jeder sie verstehen muß.

Nichts verrät weniger Menschenkenntnis, als wenn man als Beleg der Verdienste und des Wertes eines Menschen anführt, daß er sehr viele Freunde hat. Als ob die Menschen ihre Freundschaft nach dem Wert und Verdienst verschenkten! Als ob sie nicht vielmehr ganz und gar wie die Hunde wären, die den lieben, der sie streichelt oder ihnen Brocken gibt!

Nun ist die ursprüngliche Bestimmung der Kräfte, mit welchen die Natur den Menschen ausgerüstet hat, der Kampf gegen die Not, die ihn von allen Seiten bedrängt. Wenn aber dieser Kampf einmal rastet, da werden ihm die unbeschäftigten Kräfte zur Last: Er muß daher jetzt mit ihnen spielen, d. h. sie zwecklos gebrauchen; denn sonst fällt er der anderen Quelle des menschlichen Leidens, der Langeweile, sogleich anheim. Von dieser sind daher vor allem die Großen und Reichen gemartert.

Nur theoretisch und durch Vorsehn ihrer Wirkung soll man die Zeit antizipieren, nicht praktisch, nämlich nicht so, daß man ihr vorgreife, indem man von der Zeit verlangt, was erst die Zeit bringen kann. Denn wer dies tut, wird erfahren, daß es keinen schlimmeren, unnachlassenderen Wucherer gibt als eben die Zeit und daß sie, wenn zu Vorschüssen gezwungen, schwerere Zinsen nimmt als irgendein Jude. Z. B. kann man durch ungelöschten Kalk und Hitze einen Baum dermaßen treiben, daß er binnen weniger Tage Blätter, Blüten und Früchte treibt: Dann aber stirbt er ab.

Nur wer alt wird, erhält eine vollständige und angemessene Vorstellung vom Leben, indem er es in seiner Ganzheit und seinem natürlichen Verlauf, besonders aber nicht bloß wie die übrigen von der Eingangs- sondern auch von der Ausgangsseite übersieht.

Nur wer echte eigene Gedanken hat, hat echten Stil.

Ohne Arroganz wird kein großer Mann.

Orden sind Wechselbriefe, gezogen auf die öffentliche Meinung. Ihr Wert beruht auf dem Kredit des Ausstellers.

Personen von großer Macht und Ansehen sind jedoch deswegen zum Trauerspiel die geeignetsten, weil das Unglück, an welchen wir das Schicksal des Menschenlebens erkennen sollen, eine hinreichende Größe haben muß, um dem Zuschauer, wer er auch sei, als furchtbar zu erscheinen.

Religionen sind dem Volke nothwendig, und sind ihm eine unschätzbare Wohlthat. Wenn sie jedoch den Fortschritten der Menschheit in der Erkenntniß der Wahrheit sich entgegenstellen wollen; so müssen sie mit möglichster Schonung bei Seite geschoben werden.

Religionen sind Kinder der Unwissenheit, die ihre Mutter nicht lange überleben.

Schönheit ist ein offener Empfehlungsbrief, der die Herzen im Voraus für uns gewinnt.

Sehr eminente Köpfe jedoch übersehen die Verhältnisse und deren wahrscheinliche Entwicklung in solcher Schnelligkeit und Sicherheit, daß sie, wenn nur noch von einigem Mut unterstützt, dadurch diejenige rasche Entschlossenheit und Festigkeit erlangen, welche sie befähigt, eine bedeutende Rolle in den Welthändeln zu spielen.

Sehr passend nennt man die Beschäftigung mit den Schriftstellern des Altertums Humanitätsstudien: Denn durch sie wird der Schüler zuvörderst wieder ein Mensch, indem er eintritt in die Welt, die noch rein war von allen Fratzen des Mittelalters und der Romantik, welche nachher in die europäische Menschheit so tief eindrangen, daß auch noch jetzt jeder damit betüncht zur Welt kommt und sie erst abzustreifen hat, um nur zuvörderst wieder ein Mensch zu werden.

Seltsam ist es, daß wir in schlimmen Tagen uns die vergangenen glücklichen sehr lebhaft vergegenwärtigen können, hingegen in guten Tagen die schlimmen nur sehr unvollkommen.

Sich zu mühen und mit dem Widerstande zu kämpfen ist dem Menschen Bedürfnis wie dem Maulwurf das Graben.

Sind wir doch, nach etwas ausgestandener Angst, stets merklich heiter.

Skepsis ist, was die Opposition im Parlament. Sie ist ebenso wohltätig wie notwendig.

So eng auch Freundschaft, Liebe und Ehe Menschen verbinden: Ganz ehrlich meint jeder es am Ende doch nur mit sich selbst und höchstens noch mit seinem Kinde.

So ist denn der Richterstuhl der Nachwelt wie im günstigen so auch im ungünstigen Falle der gerechte Kassationshof der Urteile der Mitwelt.

So undeutlich, schwankend und verworren der Begriff auch sein mag, den man mit dem Worte Gott verbindet, so sind doch zwei Prädikate davon unzertrennlich: Die höchste Macht und die höchste Weisheit.

So unempfänglich und gleichgültig die Leute gegen allgemeine Wahrheiten sind, so erpicht sind sie auf individuelle.

Sobald unser Denken Worte gefunden hat, ist es schon lange nicht mehr innig, noch im tiefsten Grunde ernst. Wo es anfängt, für andere da zu sein, hört es auf, in uns zu leben.

Sogar der beschränkteste Verstand wie auch die groteske Häßlichkeit werden, sobald die ungemeine Güte des Herzens sich in ihrer Begleitung kundgetan, gleichsam verklärt, umstrahlt von einer Schönheit höherer Art, indem jetzt aus ihnen eine Weisheit spricht, vor der jede andere verstummen muß.

Sogar sagt das Gesicht eines Menschen in der Regel mehr und Interessanteres als sein Mund; denn es ist das Kompendium alles dessen, was dieser je sagen wird, indem er das Monogramm alles Denkens und Trachtens dieses Menschen ist. Auch spricht der Mund nur Gedanken eines Menschen, das Gesicht einen Gedanken der Natur aus. Daher ist jeder wert, daß man ihn aufmerksam betrachtet, wenn auch nicht jeder, daß man mit ihm rede.

Sowenig wie das Lesen kann bloße Erfahrung das Denken ersetzen. Die reine Empirie verhält sich zum Denken wie Essen zum Verdauen und Assimilieren. Wenn jene sich brüstet, daß sie allein, durch ihre Entdeckungen, das menschliche Wesen gefördert habe, so ist es, wie wenn der Mund sich rühmen wollte, daß der Bestand des Leibes sein Werk allein sei.

Um das Gute lesen zu können, ist es Bedingung, daß man das Schlechte nicht lese.

Um durch die Welt zu kommen, ist es zweckmäßig, einen großen Vorrat von Vorsicht und Nachsicht mitzunehmen.

Um fremden Wert willig und frei anzuerkennen und gelten zu lassen, muß man eigenen haben.

Um nicht unglücklich zu werden, ist das sicherste Mittel, daß man nicht verlange, sehr glücklich zu sein.

Uns quält ein Übel, das uns betroffen, nicht so sehr, als der Gedanke an die Umstände, durch die es hätte abgewendet werden können; daher nichts wirksamer zu unserer Beruhigung ist als das Betrachten des Geschehenen aus dem Gesichtspunkte der Notwendigkeit, aus welchen alle Zufälle sich als Werkzeuge eines waltenden Schicksals darstellen und wir mithin das eingetretene Übel als durch den Konflikt innerer und äußerer Umstände unausweichbar herbeigezogen erkennen, also der Fatalismus.

Unser Dasein hat wesentlich die beständige Bewegung zur Form, ohne Möglichkeit der von uns stets angestrebten Ruhe. Es gleicht dem Laufe eines bergab Rennenden, der, wenn er stillstehen wollte, fallen müsste und nur durch Weiterrennen sich auf den Beinen hält.

Unser Gedächtnis gleicht einem Siebe, dessen Löcher anfangs klein, wenig durchfallen lassen, jedoch immer größer werden und endlich so groß sind, daß das Hineingeworfene fast alles durchfällt.

Unsere sämtlichen persönlichen Angelegenheiten haben wir als Geheimnisse zu betrachten, und unseren guten Bekannten müssen wir über das hinaus, was sie mit eigenen Augen sehen, völlig fremd bleiben. Denn ihr Wissen um die unschuldigsten Dinge kann durch Zeit und Umstände uns Nachteil bringen.

Vergeben und Vergessen heißt kostbare Erfahrungen zum Fenster hinauszuwerfen.

Vermöge seiner Bildung sagt der Mensch nicht, was er denkt, sondern was andere gedacht haben und was er gelernt hat.

Viel leichter ist Widerlegen als Beweisen, Umwerfen als Aufstellen.

Viel zuviel Wert auf die Meinung anderer zu legen, ist ein allgemein herrschender Irrwahn.

Viele verlieren den Verstand deshalb nicht, weil sie keinen haben.

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