Arthur Schopenhauer

387 Zitate, Sprüche & Aphorismen Autor

Dem gewöhnlichen Menschen ist sein Erkenntnisvermögen nichts andres als die Laterne, die seinen Weg erleuchtet. Dem genialen ist es die Sonne, welche die Welt offenbar macht.

Demgemäß ist Simplizität stets ein Merkmal nicht allein der Wahrheit, sondern auch des Genies gewesen.

Demnach ist Stolz die von innen ausgehende, folglich direkte Hochschätzung seiner selbst, hingegen Eitelkeit das Streben, solche von außen her, also indirekt zu erlangen. Dementsprechend macht die Eitelkeit gesprächig, der Stolz schweigsam.

Den Anfechtungen deiner Sinnlichkeit siehe lachend so zu wie der Ausführung eines gegen dich verabredeten, dir aber gesteckten Schelmenstreichs!

Den deutschen Schriftstellern würde durchgängig die Einsicht zustatten kommen, daß man zwar womöglich denken soll wie ein großer Geist, hingegen dieselbe Sprache reden wie jeder andere. Man brauche gewöhnliche Worte und sage ungewöhnliche Dinge. Aber sie machen es umgekehrt. Wir finden sie nämlich bemüht, triviale Begriffe in vornehme Worte zu hüllen und ihre sehr gewöhnlichen Gedanken in die ungewöhnlichsten Ausdrücke.

Den Gang der gemessen ablaufenden Zeit beschleunigen zu wollen, ist das kostspieligste Unternehmen.

Den individuellen Irrtum muß, wer ihn hegt, einmal büßen und oft teuer bezahlen. Dasselbe wird im Großen von gemeinsamen Irrtümern ganzer Völker gelten. Daher kann nicht zu oft wiederholt werden, daß jeder Irrtum, wo man ihn auch antreffe, als ein Feind der Menschheit zu verfolgen und auszurotten ist und daß es keine privilegierten oder sanktionierten Irrtümer geben kann.

Den Ruhm kann man den Winterbirnen vergleichen, die im Sommer wachsen, aber im Winter genossen werden.

Denn der Charakter ist schlechthin inkorrigibel; weil alle Handlungen des Menschen aus einem inneren Prinzip fließen, vermöge dessen er unter gleichen Umständen stets das Gleiche tun muss und nicht anders kann.

Denn jeder kann dem anderen nur so viel sein, wie dieser ihm ist.

Denn unser Lebenslauf ist keineswegs schlechthin unser eigenes Werk, sondern das Produkt zweier Faktoren, nämlich der Reihe der Begebenheiten und der Reihe unserer Entschlüsse, welche stets ineinander greifen und sich gegenseitig modifizieren.

Denn vom Standpunkte der Jugend aus gesehn, ist das Leben eine unendlich lange Zukunft; vom Standpunkte des Alters aus, eine sehr kurze Vergangenheit.

Denn was einer für sich selbst ist, was ihn in die Einsamkeit begleitet und was keiner ihm geben oder nehmen kann, ist offenbar für ihn wesentlicher als alles, was er besitzen oder auch was er in den Augen anderer sein mag.

Der Anblick der weiblichen Gestalt lehrt, daß das Weib weder zu großen geistigen noch körperlichen Arbeiten bestimmt ist. Es trägt die Schuld des Lebens nicht durch Tun, sondern durch Leiden ab, durch die Wehen der Geburt, die Sorgfalt für das Kind, die Unterwürfigkeit unter den Mann, dem es eine geduldige und aufheiternde Gefährtin sein soll. Die heftigsten Leiden, Freuden und Kraftäußerungen sind ihm nicht beschieden; sondern sein Leben soll stiller, unbedeutsamer und gelinder dahinfließen als das des Mannes, ohne wesentlich glücklicher oder unglücklicher zu sein.

Der Arzt sieht den Menschen in seiner ganzen Schwäche, der Advokat in seiner ganzen Schlechtigkeit und der Priester in seiner ganzen Dummheit.

Der böse Charakter vertraut in der Not nicht auf den Beistand anderer. Ruft er ihn an, so geschieht es ohne Zuversicht. Erlangt er ihm, so empfängt er ihn ohne wahre Dankbarkeit: Weil er ihn kaum anders denn als Wirkung der Torheit begreifen kann.

Der einleuchtendste und zugleich einfachste Beweis der Idealität des Raumes ist, dass wir den Raum nicht, wie alles andere, in Gedanken aufheben können.

Der einzige Mann, der wirklich nicht ohne Frauen leben kann, ist der Frauenarzt.

Der Geist des Spiels nämlich ist, daß man auf alle Weise, durch jeden Streich und jeden Schlich, dem andern das Seinige abgewinne. Aber die Gewohnheit, im Spiel zu verfahren, wurzelt ein, greift in das praktische Leben, und man konnt allmählich dahin, in den Angelegenheiten des Mein und Dein es ebenso zu machen und jeden Vorteil, den man eben in der Hand hält, für erlaubt zu halten.

Der geistreiche Mensch wird vor allem nach Schmerzlosigkeit, Ungehudeltsein, Ruhe und Muße streben, folglich ein stilles, bescheidenes, möglichst unangefochtenes Leben suchen und demgemäß die Zurückgezogenheit und bei großen Geistern sogar die Einsamkeit wählen.

Der gewöhnliche Mensch, diese Fabrikware der Natur, wie sie solche täglich zu Tausenden hervorbringt, ist, wie gesagt, einer in jedem Sinn völlig uninteressierten Betrachtung, welche die eigentliche Beschaulichkeit ist, wenigstens durchaus nicht anhaltend fähig. Er kann seine Aufmerksamkeit auf die Dinge nur insofern richten, als sie irgendeine wenn auch nur sehr mittelbare Beziehung auf seinen Willen haben.

Der Glaube ist wie die Liebe: Er läßt sich nicht erzwingen. Daher ist es ein mißliches Unternehmen, ihn durch Staatsmaßregeln einführen oder befestigen zu wollen.

Der große Wert, ja die Grundlage des Königtums scheint mir darin zu liegen, daß, weil Menschen Menschen bleiben, einer so hoch gestellt, ihm so viel Macht, Reichtum, Sicherheit und absolute Unverletzlichkeit gegeben werden muß, daß ihm für sich nichts zu wünschen, zu hoffen und zu fürchten übrig bleibt, wodurch der ihm wie jedem einwohnende Egoismus gleichsam durch Neutralisation vernichtet wird und er nun, gleich als wäre er kein Mensch, befähigt ist, Gerechtigkeit zu üben und nicht mehr sein, sondern das öffentliche Wohl im Auge zu haben.

Der Grundcharakterzug des höheren Alters ist das Enttäuschtsein: Die Illusionen sind verschwunden, welche bis dahin dem Leben seinen Reiz und der Tätigkeit ihren Sporn verliehen; man hat das Nichtige und Leere aller Herrlichkeiten der Welt, zumal des Prunkes, Glanzes und Hoheitsscheins, erkannt.

Der gute Stil, hauptsächlich darauf beruhend, daß man wirklich etwas zu sagen habe, erhält die Schönheit vom Gedanken, dessen Schattenriß er ist.

Der Hauptzug im Nationalcharakter der Italiener ist vollkommene Unverschämtheit. Diese besteht darin, daß man einesteils sich für nichts zu schlecht hält, also anmaßend und frech ist, anderenteils sich für nichts zu gut hält, als niederträchtig ist. Wer hingegen Scham hat, ist für einige Dinge zu blöde, für andere zu stolz. Der Italiener ist weder das eine noch das andere, sondern nach Umständen allenfalls furchtsam oder hochfahrend.

Der Heiterkeit sollen wir, wann immer sie sich einstellt, Tür und Tor öffnen; denn sie kommt nie zur unrechten Zeit.

Der individuelle Charakter ist angeboren. Er ist kein Werk der Kunst oder der dem Zufall unterworfenen Umstände, sondern das Werk der Natur selbst. Er offenbart sich schon im Kinde, zeigt dort im Kleinen, was er künftig im Großen sein wird.

Der Intellekt als bloßes Werkzeug des Willens ist von ihm so verschieden wie der Hammer vom Schmied.

Der Morgen ist die Jugend des Tages. Alles ist heiter, frisch und leicht. Wir fühlen uns kräftig und haben alle unsere Fähigkeiten zu völliger Disposition. Man soll ihn nicht durch spätes Aufstehen verkürzen, noch auch an unwürdige Beschäftigungen oder Gespräche verschwenden, sondern ihn als die Quintessenz des Lebens betrachten und gewissermaßen heilig halten.

Der Muskel wird durch starken Gebrauch gestärkt, der Nerv hingegen dadurch geschwächt. Also übe man seine Muskeln durch jede angemessene Anstrengung, hüte hingegen die Nerven vor jeder.

Der mächtigste Unterschied zwischen den englischen, richtiger chinesischen Gärten und den jetzt immer seltener werdenden, jedoch noch in einigen Prachtexemplaren vorhandenen altfranzösischen beruht im letzten Grunde darauf, daß jene im objektiven, diese im subjektiven Sinne angelegt sind. In jenen nämlich wird der Wille der Natur, wie er sich in Baum, Staude, Berg und Gewässer objektiviert, zu möglichst reinem Ausdruck dieser seiner Idee, also seines eigenen Wesens gebracht. In den französischen Gärten hingegen spiegelt sich nur der Wille des Besitzers, welcher die Natur unterjocht hat.

Der Natur liegt bloß unser Dasein, nicht unser Wohlsein am Herzen.

Der natürliche Stil der Geschichtsschreibung ist der ironische.

Der Neid der Menschen zeigt an, wie unglücklich sie sich fühlen, und ihre beständige Aufmerksamkeit auf fremdes Tun und Lassen, wie sehr sie sich langweilen.

Der Reichtum gleicht dem Seewasser: Je mehr man davon trinkt, desto durstiger wird man.

Der Ruhm, welcher zum Nachruhm werden will, gleicht einer Eiche, die aus ihrem Samen sehr langsam emporwächst, der leichte, ephemere Ruhm den einjährigen, schnellwachsenden Pflanzen und der falsche Ruhm gar dem schnell hervorschießenden Unkraute, das schleunigst ausgerottet wird.

Der Schlaf borgt vom Tode zur Aufrechterhaltung des Lebens. Oder: Er ist der einstweilige Zins des Todes, welcher selbst die Kapitalabzahlung ist. Diese wird um so später eingefordert, je reichlicher und je regelmäßiger jener gezahlt worden.

Der Schlaft ist für den ganzen Menschen, was das Aufziehen für die Uhr.

Der Stil ist die Physiognomie des Geistes.

Der Tor läuft den Genüssen des Lebens nach und sieht sich betrogen. Der Weise vermeidet die Übel.

Der vollkommene Weltmann wäre der, welcher nie in Unschlüssigkeit stockte und nie in Übereilung geriete.

Der Vorteil übt eine geheime Macht über unser Urteil aus; was ihm gemäß ist, scheint uns alsbald billig, gerecht, vernünftig.

Der wahre, tiefe Friede des Herzens und die vollkommene Gemütsruhe sind allein in der Einsamkeit zu finden.

Der Wechsel allein ist das Beständige.

Die bloß erlernte Wahrheit klebt uns an wie ein angesetztes Glied, ein falscher Zahn oder eine wächserne Nase. Die durch eigenes Denken erworbene aber gleicht den natürlichen Gliedern.

Die Dame ist ein Wesen, das gar nicht existieren sollte. Statt ihrer sollte es Hausfrauen geben und Mädchen, die es zu werden hoffen.

Die Dummen sind meistens boshaft, und zwar aus dem Grunde, warum die Häßlichen und Ungestalteten es sind.

Die Ehre ist das äußere Gewissen und das Gewissen die innere Ehre.

Die Ehre ist nicht die Meinung von besonderen, diesem Subjekt allein zukommenden Eigenschaften, sondern nur von den der Regel nach vorauszusetzenden, als welche auch ihm nicht abgehen sollen. Sie besagt daher nur, daß dies Subjekt keine Ausnahme mache, während der Ruhm besagt, daß es eine mache. Ruhm muß daher erst erworben werden, die Ehre hingegen braucht bloß nicht verloren zu gehen.

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